Leitsatz (amtlich)
Wer für eine "in Gründung befindliche" GmbH & Co KG einen Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks schließt, kann, falls er nicht eine etwa bereits bestehende Vorgesellschaft, sondern die künftige KG berechtigen und verpflichten will, unter Umständen in seiner Person eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nrn. 6, 7, Abs. 2 GrEStG 1940 auslösen.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nrn. 6-7, Abs. 2
Tatbestand
Nach dem Inhalt notariell beurkundeter Erklärungen hat am 31. Oktober 1966 die X-Aktiengesellschaft eine Teilfläche eines Grundstücks "an die in Gründung befindliche Y-Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co Kommanditgesellschaft" verkauft. Der Kaufpreis sollte bis 5. Dezember 1966 gezahlt, aber bereits ab 1. Oktober 1966 verzinst werden. Dieser Stichtag sollte auch für die Verrechnung der Nutzungen und Lasten und den Gefahrenübergang maßgebend sein. Von der Übergabe der verkauften Teilfläche wird im Vertrag gesagt, daß sie bereits am 30. September 1966 erfolgt sei.
Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen für die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene Kommanditgesellschaft hat der Kläger abgegeben. Der Vertrag über die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche die persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft werden sollte, ist am 8. Dezember 1966 beurkundet worden. Am 9. Dezember 1966 ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Handelsregister eingetragen, am 10. Dezember 1966 der Vertrag über die Gründung der Kommanditgesellschaft unterzeichnet worden.
Das FA (Beklagter) hat unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegen den Kläger Grunderwerbsteuer festgesetzt und dessen Einspruch zurückgewiesen. Der angefochtene Steuerbescheid vom 17. Februar 1967 ist darauf gestützt, daß der Kläger das Grundstück selbst erworben und hernach die Rechte aus dem Kaufvertrag an die Kommanditgesellschaft abgetreten habe.
Das FG hat Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Zwar ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in der Person des Klägers nicht erfüllt. Die tatsächlichen Feststellungen reichen aber nicht aus, die Verwirklichung anderer grunderwerbsteuerrechtlicher Tatbestände auszuschließen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Entgegen der Ansicht der Revision greift § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht ein. Gemäß dieser Vorschrift unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Steuerschuldner sind die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen (§ 15 Nr. 1 GrEStG). Zu diesen gehört der Kläger nicht; er hat erkennbar in fremdem Namen gehandelt (§ 164 BGB). Damit scheidet ein Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB) aus.
Ohne Beleg bleibt andererseits die Ansicht des angefochtenen Urteils, der Kaufantrag sei im Zeitpunkt seines Abschlusses einer Vorgesellschaft gegenüber wirksam geworden. Die angeblichen Vorgesellschafter sind im Vertrag nicht bezeichnet (vgl. § 313 BGB); es gibt keinen Anhalt dafür, daß die Vorgesellschaft selbst schon einen Anspruch auf Übereignung hätte erlangen sollen. Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils lassen auch nicht ersehen, daß etwa schon eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) bestanden hätte, welche nach Entstehen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) und deren Beitritt zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) hätte fortgeführt werden sollen. Sie lassen eher vermuten, daß sich die künftigen Gründungsgesellschafter im Zeitpunkt der Beurkundung über die Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die anschließende Gründung der Kommanditgesellschaft abgesprochen hatten. Eine solche Absprache allein läßt noch keine Vorgesellschaft entstehen.
Der objektive Wortlaut des Vertrags und die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen sprechen indes dafür, daß der Kläger ausschließlich im Namen der erst künftig entstehenden Kommanditgesellschaft gehandelt hat. Es gibt keinen Rechtsgrund, der ein Handeln im Namen einer erst künftig entstehenden Person oder Personengesellschaft ausschlösse. Wenn es ihn gäbe, hätte der im Namen eines bestimmten (entstandenen oder künftig entstehenden) Fremden Handelnde gleichwohl nicht im eigenen Namen gehandelt (§ 164 BGB).
§ 2101 BGB, auf den sich der Beklagte beruft, spricht nicht für, sondern gegen dessen Standpunkt. Denn er läßt über die Erbeinsetzung einer noch nicht geborenen, aber bereits erzeugten Person (§ 1923 Abs. 2 BGB) hinaus die Einsetzung einer noch nicht erzeugten natürlichen oder einer noch nicht entstandenen juristischen Person als Erben zu. Daß diese, sofern sie nicht als natürliche Person zur Zeit des Erbfalls bereits erzeugt ist (§ 1923 Abs. 2 BGB), allenfalls Nacherbe werden kann (§ 2101 Abs. 1 Satz 1 BGB), folgt allein aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB). Für Vermächtnisse zugunsten einer noch nicht erzeugten Person ist deshalb in § 2178 BGB eine andere Regelung getroffen. Übereinstimmend gehen jedoch §§ 1922, 2178 BGB davon aus, daß Erbrecht und erbrechtliche Ansprüche - als durch die künftige Rechtsfähigkeit des Bedachten bedingte - auch für noch nicht erzeugte Personen begründet werden können (Beschluß des Reichsgerichts vom 9. März 1907 Beschw.Rep. V 27/07, RGZ 65, 277). Zur Wahrnehmung der Rechte der noch nicht erzeugten natürlichen Person oder der noch nicht entstandenen juristischen Person kann ein Pfleger bestellt werden (§ 1913 BGB).
Dabei handelt es sich nicht um eine Besonderheit des Erbrechts. Denn für den Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) ist in § 331 Abs. 2 BGB stillschweigend vorausgesetzt, daß für eine noch nicht entstandene Person eine Anwartschaft derart begründet werden kann, daß sie mit ihrer Entstehung das Recht erwirbt (RGZ 65, 277 [280]). § 1913 BGB stellt ihr eine gesetzliche Vertretung für den Fall bereit, daß bestehende Anwartschaften der Fürsorge bedürfen. Eine solche gesetzliche Vertretung schließt zwangsläufig die Fähigkeit ein, für die noch nicht entstandene Person durch deren Entstehung bedingte Rechte zu erwerben (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 14. Oktober 1905 V 90/05, RGZ 61, 355).
Kann eine nicht existente Person vertreten werden, so kann auch ohne Vertretungsmacht in ihrem Namen ein Vertrag abgeschlossen werden; die Wirksamkeit für und gegen sie hängt von ihrem Entstehen und der diesem nachfolgenden Genehmigung ab (§ 177 Abs. 1 BGB). Diese wirkt nur nach Maßgabe des § 159 BGB auf den Vertragsabschluß zurück, im übrigen aber auf den Zeitpunkt des Entstehens der Person (§ 184 Abs. 1 BGB).
Ein solcher Vertrag ist zunächst schwebend unwirksam. Daß er den Vertragspartner gleichwohl bis zum berechtigten Widerruf (§ 178 BGB) bindet, steht dem nicht entgegen. Denn zum einen gilt das für alle Fälle des § 177 BGB. Zum andern setzt eine derartige Bindung einen wirksamen Vertrag nicht voraus (§§ 145, 148 BGB).
Nicht anerkannt werden kann auch das Argument der Revision, der Schutz des Vertragspartners verlange statt dessen die Konstruktion eines Vertrags zugunsten Dritter. Denn es ist trotz § 334 BGB keineswegs gesagt, daß der Vertragspartner bereit wäre, den Vertreter ohne Vertretungsmacht (statt des künftig entstehenden Vertretenen) als seinen einzigen Schuldner anzunehmen; der Vertretene, dem der Vertragspartner die Leistung zu erbringen hat (§ 328 BGB), würde bei dieser Konstruktion nicht haften. Dagegen wird im Falle des § 179 Abs. 1 BGB der Vertragspartner durch die in seiner Wahl stehende Haftung des Vertreters auf Erfüllung oder Schadenersatz ausreichend geschützt; auch wenn der Vertragspartner weiß, daß der Vertretene noch nicht existiert, entfällt die Haftung des Vertreters nicht nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 1974 II ZR 180/72, NJW 1974, 1905).
Demnach kann nach den vom FG bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine Steuerschuld des Klägers aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht in Frage kommen. Denn der Kläger hat aus dem von ihm abgeschlossenen Vertrag weder einen Anspruch auf Übereignung an sich selbst noch einen Anspruch auf Übereignung an die Kommanditgesellschaft oder an eine Vorgesellschaft irgendwelcher Art erlangt.
Inwiefern das Vorgehen des Klägers einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 StAnpG) darstellen sollte, ist nicht ersichtlich. Die Frage, ob eine gegebene bürgerliche Rechtslage "steuerlich anerkannt" werden kann, tritt nicht auf.
Davon unabhängig ist die Frage, ob etwa der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 oder Abs. 2 GrEStG 1940 dadurch verwirklicht worden ist, daß die vom Kläger herbeigeführte Bindung der Verkäuferin dem Kläger, ohne ihm einen Anspruch auf Übereignung zu verschaffen (der erst der künftigen Kommanditgesellschaft zustehen sollte), ermöglicht hat, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. in anderen Zusammenhängen, aber mit weiteren Hinweisen Urteile des BFH vom 28. April 1970 II 144/64, BFHE 99, 320, BStBl II 1970, 674; vom 2. Dezember 1971 II 136/65, BFHE 105, 165, BStBl II 1972, 495; vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251), indem der Kläger befähigt wurde, einem bei Vertragsschluß noch unbekannten oder unbestimmten oder jedenfalls nicht im Vertrag als Käufer benannten Erwerber die Rechte (und Pflichten) aus dem Vertrage zu verschaffen (vgl. Urteil vom 6. Mai 1969 II 131/64, BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595, vgl. ferner das Urteil vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1974, 86). Denn sofern der Vertrag nicht nur mit einem zwar zunächst noch nicht existenten, aber eindeutig bestimmbaren Käufer schwebend unwirksam war, sondern die Person des Käufers bis zu ihrer Bestimmung durch den Kläger offenbleiben sollte, wäre der "Vertrag" nicht mehr als ein Verkaufsangebot des Verkäufers (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG).
Die Möglichkeit eines solchen Ablaufs wird durch die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht ausgeschlossen. Daß Käufer eine Kommanditgesellschaft mit bestimmter Firma sein sollte, enthält zwar eine Aussage über die Rechtsform des Käufers und seinen künftigen Namen (§ 17 Abs. 1 HGB), über die Identität der Gesellschaft (und ihrer Gesellschafter) aber nur insoweit, als sich aus der gewählten Firma ergibt, daß ihr persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechender Firma (§ 4 GmbHG) sein sollte (§ 19 Abs. 2 HGB). Diese war aber ebenfalls noch nicht errichtet und damit inhaltlich nicht festgelegt (§ 2 GmbHG).
Die Ausführungen des FG über die "Vorgesellschaft" sind - wie eingangs dargestellt - vom Rechtsirrtum beeinflußt. Zwar wäre die tatsächliche Feststellung, daß "die Absprachen zwischen den Gründungsgesellschaftern nicht nur hinsichtlich der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern auch hinsichtlich der Kommanditgesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses so eindeutig waren, daß es tatsächlich nur noch der Beurkundung der Verträge für die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Kommanditgesellschaft bedurfte", ausreichend, das angefochtene Urteil zu stützen (obschon die Person dieser "Gründungsgesellschaften" und deren Abreden nicht festgestellt sind), sofern sie durch die weitere Feststellung ergänzt wäre, daß nur die diesem Vorstellungsbild entsprechende Gesellschaft künftig berechtigt sein sollte. Jenem Satz hat aber das FG die Bemerkung vorausgeschickt, die Behauptung des Klägers, daß "praktisch die GmbH & Co KG schon bestanden habe", erscheine ihm "glaubhaft". Der für glaubhaft erachtete Satz ist nur eine unbestimmte Andeutung ("praktisch") ohne tatsächlichen Gehalt, bestenfalls eine Rechtsansicht. Als solche entzog sie sich der freien Würdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) des tatsächlichen Vorbringens. Dies hat der Beklagte zulässig (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) und begründet gerügt (§ 118 Abs. 2 FGO). Bereits in der Einspruchsentscheidung hatte der Beklagte geltend gemacht, die Person des Erwerbers sei unbestimmt gewesen.
Demnach war das angefochtene Urteil aufzuheben, da sein Ergebnis durch die tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird und entscheidungserhebliche tatsächliche Behauptungen des Beklagten unbeschieden sind.
Eine abschließende Beurteilung des Falles ist nicht möglich. Die Pauschalbezugnahme des FG auf die beigezogenen Akten ist wirkungslos. Sie erlaubt dem Revisionsgericht nicht, die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu ergänzen (§ 118 Abs. 2 FGO).
Es ist nicht zu ersehen, welche Abreden über die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und über die Gründung der Kommanditgesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden und zwischen wem diese Abreden getroffen waren, ob nur eine diesen Abreden genau entsprechende Kommanditgesellschaft mit einer diesen Abreden genau entsprechenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung als möglicher Käufer zur Genehmigung des Vertrags (§ 179 Abs. 1 BGB) als mit ihr abgeschlossen befugt sein sollte oder welche Abweichungen von der Abrede zugelassen oder vorgesehen waren, ob die errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die mit ihr gegründete Kommanditgesellschaft dem bei Vertragsschluß gedachten Vorstellungsbild entsprachen, und welche Rolle der Kläger im Innenverhältnis der dabei Beteiligten spielte.
In der letztgenannten Beziehung kommt es vor allem darauf an, ob der Kläger beim Vertragsschluß ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgte und einen wirtschaftlichen Erfolg erzielt hat, der über sein Interesse als etwaiger Kommanditist der Käuferin oder als etwaiger Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und über sein etwaiges Interesse an einer angemessenen Vergütung seiner Tätigkeit hinausreichte. Denn nicht nur § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 fordert die Möglichkeit, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, also eine über die Befugnisse eines Vertreters hinausreichende Herrschaftsmacht. Vielmehr greift auch § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG nicht stets dann ein, wenn jemand einen der Person nach zuvor unbestimmten oder zuvor nicht genannten Käufer benennt, sondern nur dann, wenn er dabei als eine Art von "Zwischenhändler" auftritt, sei es (was hier ausscheidet), daß er dabei verdeckt für einen anderen tätig geworden ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1940), sei es, daß er in einer der Verwertungsmöglichkeit des § 1 Abs. 2 GrEStG vergleichbaren Intensität sein eigenes Interesse verfolgte (Urteil II R 89/68).
Ist ein solches rechtlich begründetes wirtschaftliches Interesse zu verneinen, kommt es auf die zuvor aufgeworfenen Fragen nur insoweit an, als zumindest der Umriß des Innenverhältnisses der Gründungsgesellschafter und ihres Verhältnisses zum Kläger bekannt sein muß, um diese Verneinung zu rechtfertigen.
Fundstellen
Haufe-Index 71244 |
BStBl II 1975, 242 |
BFHE 1975, 271 |