Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Erbauseinandersetzung testamentarisch für längere Zeit ausgeschlossen und halten sich die Miterben an die Anordnung, so kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß das im Nachlaß befindliche Unternehmen von den Miterben als Mitunternehmern fortgeführt wird.
2. Übertragen als Mitunternehmer behandelte Miterben ihre Erbanteile auf andere Miterben, so ist es im allgemeinen nicht zu beanstanden, wenn die in Zusammenhang hiermit geleistete Abfindung als Veräußerungsentgelt für die Übertragung gewürdigt wird.
Normenkette
EStG § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob Abfindungen für die Übertragung von Anteilen an einem Nachlaß, in dem im wesentlichen gewerbliche Betriebe enthalten waren, zu Gewinnrealisierung führten.
Nach dem Testament des am 17. Juni 1949 verstorbenen Unternehmers sind dessen Erben seine Ehefrau und die vier Kinder. Die Ehefrau des Erblassers und eine weitere Person waren Testamentsvollstrecker. Die Erbteilung sollte erst vorgenommen werden, wenn auch der letzte der Erben das 25. Lebensjahr vollendet hatte. Zum Nachlaß gehörten außer den beiden Betrieben die persönliche Habe des Erblassers im Wert von 1 000 DM und Bargeld in Höhe von 241 DM.
Bis zur in den Jahren 1961 und 1962 erfolgenden Auseinandersetzung wurden die Betriebe des Erblassers als einheitliches Unternehmen durch die ungeteilte Erbengemeinschaft unter der Verwaltung der Testamentsvollstrecker fortgeführt und dies in das Handelsregister eingetragen. Gewinn und Verlust wurden entsprechend den Erbteilen mit 4/16 auf die Ehefrau und mit je 3/16 auf jedes der vier Kinder aufgeteilt. Das FA folgte hierbei den Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung der Erbengemeinschaft.
Durch notarielle Verträge vom 3. Januar 1961 und vom 19. Juli 1961 übertrugen A und B ihre Erbanteile mit Wirkung vom 1. Januar 1961 auf ihren Bruder X, den Revisionskläger - Steuerpflichtiger -. Für A war auf diesen Zeitpunkt ein Kapitalkonto von ./. 4 705,91 DM, für B ein solches von + 10 602,28 DM rechnerisch ermittelt worden. Als Abfindung erhielten A 15 000 DM, B 20 000 DM in bar. Der Steuerpflichtige übernahm weiterhin die anteiligen Vermögensabgaben im Zeitwert von je 12 455 DM für seine beiden Schwestern und für A noch Steuerschulden in Höhe von 1 032 DM. Das FA errechnete aus den Erbanteilsübertragungen an den Steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne von 33 192,91 DM für A und von 21 852,72 DM für B und legte sie einer Berichtigungsfeststellung 1961 vom 2. Dezember 1964 zugrunde.
Einspruch und Klage der Miterben hiergegen blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auch die Revision ist nicht begründet.
Es bestehen keine Bedenken, wenn die Vorentscheidung davon ausging, daß in der Zeit seit dem Erbantritt bis zur Erbanteilsveräußerung durch die beiden Schwestern an den Steuerpflichtigen zwischen den Miterben eine Mitunternehmerschaft hinsichtlich der im Nachlaß befindlichen Betriebe des Erblassers bestand. Hierfür spricht eindeutig die handelsregisterliche Eintragung, die auch nach außen bekundet, daß die Erbengemeinschaft das Geschäft des Erblassers fortführen wollte.
Die hiergegen vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch. Wenn er der Meinung ist, daß zwar die Erbengemeinschaft die Unternehmen fortgeführt habe, nicht aber die einzelnen Miterben Mitunternehmer seien, so könnte dies vielleicht für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum anerkannt werden - unter dem Gesichtspunkt einer Unternehmensführung "wen es angeht" -, nicht aber für einen sich über 11 Jahre erstreckenden Zeitraum. Einkommensteuerlich besteht die Erbengemeinschaft nicht, es sind rechtlich relevant nur die hinter der Erbengemeinschaft stehenden Miterben. Wenn die Rechtsprechung des BFH für eine in angemessener Zeit nach Erbantritt erfolgende Erbauseinandersetzung anerkennt, daß der im Nachlaß befindliche Betrieb von Anfang an von demjenigen Erben als Unternehmer innegehabt worden sei, der bei der Auseinandersetzung den Betrieb erhalte, so beruht dies auf der Vorstellung, daß eine in angemessener Zeit nach dem Erbfall sich abspielende Erbauseinandersetzung noch als ein Vorgang des Erbens angesehen werden kann, demzufolge die Erben die ihnen bei der Auseinandersetzung zukommenden Vermögenswerte als unmittelbar vom Erblasser überkommen behandeln können, Urteil des erkennenden Senats IV R 238/66 vom 29. Mai 1969, BFH 96, 182, BStBl II 1969, 614. Ein solcher Fall kann aber dann nicht mehr angenommen werden, wenn die Erbengemeinschaft viele Jahre fortbesteht und die im Nachlaß befindlichen gewerblichen Betriebe eindeutig durch sie, d. h. aber für Rechnung und auf Gefahr der Erbengemeinschaft geführt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Rechtsgestaltung auf einem freiwilligen Entschluß der Erben beruht, oder ob sie durch den Erblasser testamentarisch angeordnet ist und die Erben sich an diese testamentarische Anordnung halten.
Aus den dargelegten Gründen sind auch die Grundsätze des BFH-Urteils VI 334/61 U vom 26. Juli 1963, BFH 77, 435, BStBl III 1963, 480, hier nicht anwendbar. Auch diese Entscheidung setzt voraus, daß von vornherein nur einer oder mehrere Miterben Mitunternehmer waren. Das muß sich aus der Sachverhaltsgestaltung der Miterben einwandfrei ergeben. Im Streitfall ist nicht erkennbar, worin entsprechende Maßnahmen der Erbengemeinschaft bzw. der Testamentsvollstrecker zu erblikken sein sollen, auf Grund deren angenommen werden könnte, daß die beiden Schwestern A und B von vornherein nicht als Mitunternehmer an den gewerblichen Betrieben des Erblassers beteiligt gewesen sein sollen. Rechtsirrtümlich ist auch die Auffassung des Steuerpflichtigen, wenn er meint, die Schwestern könnten deshalb nicht als Mitunternehmer behandelt werden, weil sie noch lange Zeit minderjährig gewesen seien. Diese Überlegung ist hier schon deshalb nicht stichhaltig, weil die Mitunternehmerschaft auch noch Jahre über den Zeitpunkt hinaus bestanden hat, von dem ab die beiden Schwestern bereits volljährig geworden waren. Abgesehen davon aber ist es auch nicht richtig, daß Minderjährige, seien sie nun geschäftsunfähig oder lediglich in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, nicht selbst Unternehmer sein könnten. Die unternehmerischen Entscheidungen werden in solchen Fällen von ihren gesetzlichen Vertretern oder im Zusammenwirken mit ihnen getroffen. Diese Entscheidungen müssen sich die noch minderjährigen Unternehmer bzw. Mitunternehmer entgegenhalten lassen. Es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, daß im Streitfall die noch minderjährigen Miterben nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten gewesen seien.
Eine andere Auffassung kann auch nicht aus § 2038 BGB hergeleitet werden. Aus dieser Vorschrift könnte man einkommensteuerrechtlich lediglich folgern, daß die Miterben einer Erbengemeinschaft, auch ohne Mitunternehmer zu sein, gewerbliche Einkünfte aus den zum Nachlaß gehörenden Betrieben haben können. Es kann aus ihr aber nicht gefolgert werden, daß eine solche Situation für längere Dauer angenommen werden müßte oder angenommen werden dürfte. Ziehen die Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft aus den zum Nachlaß gehörigen Betrieben gewerbliche Einkünfte und behalten sie diese auch bei einer Erbauseinandersetzung oder bei einer Erbanteilsübertragung, so kann, wenn die Erbengemeinschaft längere Zeit fortbesteht, nicht mehr davon abgesehen werden, die Miterben als Mitunternehmer anzusehen (Urteile des RFH VI 438/38 vom 20. Juli 1938, RStBl 1938, 940; VI 801/38 vom 4. Januar 1939, RStBl 1939, 264).
Es ist nach alledem nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz im Streitfall davon ausging, daß sämtliche Miterben bis zum Jahre 1961 Mitunternehmer an den im Nachlaß befindlichen Betrieben des Erblassers waren.
Von diesem Ausgangspunkt aus ist auch gerechtfertigt, bei einer Erbanteilsübertragung einzelner Miterben an die Erbengemeinschaft oder an einen Miterben ein Ausscheiden aus der Mitunternehmerschaft mit der Folge zu sehen, daß Abfindungen, die über das Buchkapital der ausscheidenden Miterben hinausgezahlt werden, zu Veräußerungsgewinnen führen. Das ist im allgemeinen jedenfalls dann anzunehmen, wenn objektiv stille Reserven vorhanden sind und hier auch dann, wenn entgegen der testamentarischen Anordnung über dem Buchkapital liegende Abfindungen gezahlt werden.
Im Streitfall bestand für die Vorinstanz kein Anlaß, vom Vorliegen einer Ausnahme von diesen Grundsätzen auszugehen. Es ist zwar in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß die im Zusammenhang mit einer Betriebsübertragung - hierunter fällt auch die Anteilsübertragung durch einen ausscheidenden Gesellschafter - vom Betriebserwerber geleisteten Zahlungen nicht als Entgelt für den Betriebserwerb, sondern als auf außerbetrieblichen Gründen beruhende Versorgungsleistungen behandelt werden können. Beim Übertragenden ist in solchen Fällen eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV anzunehmen, die nicht zu einer Gewinnrealisierung führt. Die Rechtsprechung nahm das Vorliegen solcher Sachverhalte insbesondere bei Betriebsübertragungen von Eltern auf Kinder gegen Rentenzahlungen an. Hier besteht ebenso wie bei sehr nahen Verwandten im allgemeinen eine Vermutung für außerbetriebliche Erwägungen, vgl. Urteile des erkennenden Senats IV 8/62 U vom 23. Januar 1964 (BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422), IV 299/62 vom 25. August 1966 (BFH 86, 797, BStBl III 1966, 675). Ein Fall der Einräumung einer Versorgungsrente an die Schwestern liegt im Streitfall zweifelsfrei nicht vor. Der Senat hält es aber nicht für ausgeschlossen, daß auch in anderen Fällen, in denen nicht Rentenzahlungen vereinbart werden, die Betriebsübertragung oder die Anteilsübertragung durch einen ausscheidenden Gesellschafter und die im Zusammenhang hiermit vom Erwerber zu leistenden Zahlungen auf außerbetrieblichen Gründen beruhen können, so daß die beim Vorliegen eines entgeltlichen Veräußerungsvorgangs geltenden Grundsätze nicht anzuwenden wären. Dies könnte indes nur beim Vorliegen eindeutiger Merkmale dafür bejaht werden, daß die Zahlungen nichts mit dem Betriebserwerb zu tun haben. Hierfür aber trug der Steuerpflichtige nichts Ausreichendes vor. Weder den Umstand, daß die nach dem Testament bis zur Auseinandersetzung auf die einzelnen Miterben entfallenden Ausbildungs-, Lebenshaltungs- und Aussteueraufwendungen den Nachlaß als solchen belasteten, demgemäß die Kapitalkonten sämtlicher Miterben als Entnahmen anteilsmäßig berührten, noch den Vortrag, die rechnerischen Kapitalkonten der Schwestern hätten als Zufallsergebnisse für die Bemessung der Abfindung keine Rolle gespielt, brauchte die Vorinstanz zum Anlaß zu nehmen, die Abfindungen als Belastungen der privaten Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen anzusehen. Diese Regelungen können ohne weiteres als Gewinnverteilungsabreden zwischen den Mitunternehmern aufgefaßt werden, die den betrieblichen Charakter des Ausscheidens der Schwestern und der Abfindungszahlungen unberührt ließen. Auch der Umstand, daß die Schwestern, wenn man vom Standpunkt des Steuerpflichtigen aus die rechnerisch ermittelten Kapitalkonten außer Betracht läßt, unterschiedlich hohe Abfindungen erhielten, weil die eine Schwester nicht eine gleich hohe Aussteuerleistung aus dem Nachlaß bekommen hätte wie die andere, spricht nicht so stark für das Vorliegen eines außerbetrieblichen Vorganges, daß die Vorinstanz einen solchen ihrer Entscheidung hätte zugrunde legen müssen. Entscheidend ist, daß die Schwestern erhebliche über ihren Kapitalkonten liegende Abfindungszahlungen erhielten, die durch die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven im Zeitpunkt des Ausscheidens gerechtfertigt waren. Weniger entscheidend ist, daß den Schwestern nicht die vollen auf sie entfallenden Anteile an den stillen Reserven zugesprochen wurden sowie, daß sie offensichtlich in unterschiedlicher Höhe an den stillen Reserven beteiligt wurden, obwohl jeder von ihnen 3/16 daran zustand. Es handelt sich auch hier durchweg um Vorgänge, die als Gewinnverteilungsabreden gewürdigt werden konnten, wovon die Vorinstanz offensichtlich ausging. Der Senat vermag die Möglichkeit einer solchen Würdigung nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 69300 |
BStBl II 1971, 87 |
BFHE 1971, 360 |