Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Zufluß von Dividenden nach Veräußerung der Gesellschaftsanteile
Leitsatz (NV)
1. Ansprüche sind zu aktivieren, wenn sie zivilrechtlich entstanden oder die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Ansprüche fest rechnen kann.
2. Veräußert ein buchführungspflichtiger Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seine Anteile vor Ablauf des Geschäftsjahres der Beteiligungsgesellschaft und soll ihm nach den Vereinbarungen mit dem Käufer noch die Dividende zustehen, so hat er mit Abschluß des Kaufvertrages einen Anspruch auf Verschaffung der Dividende zu aktivieren.
3. Wird ein solcher Anspruch vertraglich nicht begründet, so liegt bei entsprechender Identität der Gesellschafter der veräußernden und der erwerbenden Gesellschaft trotz § 101 Nr. 2 BGB eine verdeckte Gewinnausschüttung im Jahr des Verkaufs vor.
Normenkette
EStG § 5; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; BGB § 101 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, waren A und B. Diese hielten die Anteile treuhänderisch für die C-GmbH. Gesellschafter der C-GmbH waren D, E, F, A und B.
Die Klägerin war - über einen Treuhänder - als alleiniger Gesellschafter an der G-GmbH beteiligt. Am 28. Dezember 1984 übertrug die Klägerin diese Anteile zum selben Tag in Form der Übertragung ihrer Treugeberstellung auf die Gesellschafter der C-GmbH gegen 50000 DM.
Die Bilanz der Klägerin auf den 31. Dezember 1984 wurde am 30. Juni 1985 erstellt. Am 4. Oktober 1985 beschloß die G-GmbH die Feststellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1984 vom 20. September 1985 sowie eine Gewinnausschüttung für 1984 in Höhe von ... DM. Die Klägerin wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezembre 1985 einen Anspruch auf Ausschüttung des Gewinns der G-GmbH für 1984 in Höhe von ... DM aus. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin für 1985 enthielt insgesamt einen Ertrag aus Beteiligung in Höhe von ... DM (=... DM zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM). Laut Steuerbescheinigung der G-GmbH wurde an die Klägerin für 1984 eine Dividende in Höhe von ... DM zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM als zu versteuernde Einnahmen gezahlt. Der nach Abzug der Kapitalertragsteuer verbleibende Betrag wurde an die Klägerin in drei Beträgen in den Jahren 1986 bis 1988 ausbezahlt.
Die Klägerin wurde für 1985 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß veranlagt. Dabei wurde der Gewerbeertrag gemäß § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) um den Beteiligungsertrag in Höhe von ... DM gemindert. In einem ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewerbesteuermeßbetrags-Änderungsbescheid für 1985 verneinte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) jedoch die Anwendbarkeit des § 9 Nr. 2a GewStG, weil die Klägerin bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums nicht mehr an der G-GmbH beteiligt gewesen sei. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte, die Bilanz zum 31. Dezember 1984 dahingehend zu berichtigen, daß der Betrag aus der Beteiligung an der G-GmbH im Jahre 1984 und nicht 1985 erfaßt werde. Das FA lehnte die zugleich beantragte Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1984 und des Bescheids über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1984 ab. Hiergegen legte die Klägerin wiederum Einspruch ein.
Das FA hob den Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 1985 und - nach Anpassung an geändert festgestellte Teilbeträge zum 31. Dezember 1984 - im Bescheid nach § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf. Auch hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Das FA wies den Einspruch der Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1984 und des Feststellungsbescheids gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1984 ab. Der Körperschaftsteuerbescheid 1985, der Feststellungsbescheid gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1985 und der Gewerbesteuermeßbetrags-Änderungsbescheid für 1985 blieben in dem hier streitigen Punkt unverändert.
Gegen diese Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens nahm sie ihre Klage bezüglich Körperschaftsteuer 1984 und Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1984 zurück. Die Klage im übrigen hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 405 veröffentlicht.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort, ihren Anspruch gemäß § 101 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen die Erwerber der Anteile an der G-GmbH auf Beteiligung an der Gewinnausschüttung für 1984 bereits zum 31. Dezember 1984 zu aktivieren.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung des FA sind die Körperschaftsteuer 1985, das zu versteuernde Einkommen und die Tarifbelastung 1985 sowie der Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Anspruch der Klägerin auf Überlassung des von der G-GmbH für 1984 ausgeschütteten Gewinns ist nicht zum 31. Dezember 1985, sondern bereits zum 31. Dezember 1984 gewinnerhöhend zu erfassen.
Die Klägerin war als GmbH aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften (§ 13 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -, §§ 6 Abs. 1, 38 des Handelsgesetzbuches - HGB - a.F., heute: § 238 Abs. 1 HGB) zur Buchführung verpflichtet. Sie hatte nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Schluß des Wirtschaftsjahres 1984 das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist.
Die Aktivierung einer Forderung setzt voraus, daß ein Forderungsrecht zivilrechtlich entstanden ist oder daß wenigstens die für seine Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Dezember 1978 I R 35/78, BFHE 126, 549, BStBl II 1979, 262) und der Kaufmann mit der künftigen zivilrechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (BFH-Urteile vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370; vom 12. April 1984 IV R 112/81, BFHE 141, 45, BStBl II 1984, 554). Diese Grundsätze wirtschaftlicher Betrachtung liegen auch der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsprechung zur Aktivierung eines Dividendenanspruchs bei der Muttergesellschaft zugrunde (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. November 1975 II ZR 67/73, BGHZ 65, 230; BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, m.w.N.).
Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG kommen im Streitfall nur zwei Sachverhaltsauslegungen in Betracht. Entweder hatten die Klägerin und die Gesellschafter der C-GmbH schon am 28. Dezember 1984 vereinbart, daß der Klägerin als (Rest-)Kaufpreis die Gewinnausschüttung für 1984 in Höhe von 364800 DM zustehen sollte. In diesem Fall durfte die Klägerin zwar nicht den erst mit der Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses entstehenden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714; vom 21. Mai 1986 I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794) Anspruch auf Dividende aktivieren. Eine Aktivierung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zur Aktivierung von Dividendenansprüchen eines Mehrheitsgesellschafters (BGH-Urteil vom 31. Oktober 1975 II ZR 67/73, BGHZ 65, 230) scheitert im Streitfall schon daran, daß die Klägerin bereits am 28. Dezember 1984 mit der Veräußerung ihrer Anteile an der G-GmbH jede Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Einflußnahme auf das Ausschüttungsverhalten der G-GmbH verlor. Die Klägerin mußte aber einen gleich hohen vertraglichen Anspruch gegen die Anteilserwerber auf Beschaffung der Dividende aktivieren. Da dieser Anspruch durch den Kaufvertrag vom 28. Dezember 1984 verwirklicht worden ist, steht seiner Aktivierung auch nicht das kaufmännische Vorsichtsprinzip (Realisationsprinzip) entgegen.
Sollten die Klägerin und die Anteilserwerber am 28. Dezember 1984 bezüglich der Dividendenbeschaffung nichts vereinbart haben, so folgt eine entsprechende Gewinnerhöhung aus einer verdeckten Gewinnausschüttung im Jahr 1984 gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 16/86, BFHE 159, 56, BStBl II 1990, 422). Dann hätte die Klägerin das Risiko getragen, daß die Erwerber der Anteile für 1984 überhaupt eine Dividendenausschüttung und zudem eine solche in Höhe von 364800 DM beschlossen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin hätte ein solches Risiko nicht übernommen. Das gilt unbeschadet der Tatsache, daß der Klägerin im Falle einer Ausschüttung der Anspruch gemäß § 101 Nr. 2 BGB zustand. Insoweit finden die vom Senat im Urteil vom 2. März 1988 I R 63/82 (BFHE 152, 515, BStBl II 1988, 590) entwickelten Rechtsgrundsätze Anwendung. Folge dieser Sachverhaltsinterpretation ist deshalb der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im Wirtschaftsjahr 1984. Der in 1985 entstandene Dividendenanspruch könnte erfolgsmäßig nicht noch einmal erfaßt werden, weil er in der verdecken Gewinnausschüttung bereits enthalten ist. Im Ergebnis bedeutet auch dies, daß schon der Gewinn 1984 und nicht erst der Gewinn 1985 zu erhöhen ist.
Damit dringt die Klägerin im wesentlichen mit ihrem Begehren im Revisionsverfahren durch. Es bleibt dem FA unbenommen, die Möglichkeit einer Änderung der Vorjahresbescheide nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) zu überprüfen.
2. Dem Senat ist es im Streitfall wegen des im finanzgerichtlichen Verfahrens geltenden Verböserungsverbot versagt, die Herabsetzung des zu versteuernden Einkommens und der Tarifbelastung in gebotenem Umfang bei Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1985 zu berücksichtigen. Wegen der Bindung an den Feststellungsbescheid nach § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezembre 1984 (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154) ergibt sich zwar rechnerisch zum 31. Dezember 1985 ein EK 56 von ... DM und ein EK 02 von ... DM.
Die Klägerin hat in ihrem Klage- und Revisionsantrag aber diese Anpassung beim verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1985 nicht berücksichtigt. Damit verbleibt es, da eine Verböserung untersagt ist, in diesem Verfahren bei den vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellten Eigenkapitalanteilen. Daraus folgt, daß der Senat auch für die Frage einer Körperschaftsteuerminderung oder -erhöhung nach § 27 KStG an die Feststellung des FA zum 31. Dezember 1985 gebunden ist. Nur dem FA ist es nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. § 47 Abs. 2 KStG 1984 möglich, den Bescheid nach § 47 KStG zum 31. Dezember 1985 an die Feststellungen des zu versteuernden Einkommens und der Tarifbelastung im Urteil anzupassen und anschließend den Körperschaftsteuerbescheid 1985 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. § 47 Abs. 1 KStG, § 182 Abs. 1 AO 1977 unter Berücksichtigung des dann verringerten verwendbaren Eigenkapitals zu ändern.
Die Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer für 1985 sind danach durch Urteil wie folgt festzusetzen bzw. festzustellen: ...
Fundstellen
Haufe-Index 64058 |
BFH/NV 1994, 578 |