Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
§ 36 UStDB 1951 ist rechtsgültig.
Bei Geldspielautomaten bewirkt jedes einzelne Spiel einen Umsatz, gleichgültig ob der Spieler verliert, seinen Einsatz zurückerhält oder einen Gewinn erzielt.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 4 Ziff. 9; UStDB § 10; UStG § 10/1; UStDB § 36
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hatte im Jahre 1953 etwa 60 automatische Ausspielgeräte aufgestellt und ihnen, nach Abzug der vor ihrer Ingangsetzung eingelegten Geldbeträge, 23.801,30 DM entnommen. Das Finanzamt hat zufolge des Erlasses des Bundesministers der Finanzen IV A/2 - S 4200 - 15/55 vom 23. April 1955 (Umsatzsteuer-Kartei S 4200, Karte 55) diese 23.801,30 DM auf den 1 1/2 fachen Betrag erhöht und nach dem so erhöhten Betrage die Umsatzsteuer errechnet. Einspruch und Berufung der Bfin. sind erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) führt die Bfin. aus, das bestehende Recht sei unrichtig angewendet worden. § 36 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) sei nicht rechtsgültig, sondern enthalte in überschreitung der gegebenen Ermächtigung eine neue materielle Rechtssetzung. Weiterhin sei § 10 UStDB unrichtig ausgelegt worden. Nicht jeder Geldeinwurf in ein Geldausspielgerät stelle ein Entgelt im Sinne des § 10 UStDB dar, insbesondere nicht insoweit, als der Einsatz an den Spieler zurückgelange, damit er das Spiel wiederholen könne; dadurch werde das erste Spiel annulliert. Auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 534/33 vom 17. November 1933, Reichssteuerblatt 1934 S. 174, werde insoweit Bezug genommen. Sodann könne bei den heutigen Geldspielgeräten nur die Summe der verlorenen Spieleinsätze als Entgelt angesehen werden (§ 12 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -). Die frühere Rechtsprechung sei insoweit überholt, weil ihr die damaligen, ganz anders konstruierten Spielapparate zugrunde gelegen hätten. Endlich sei der Vervielfältigungssatz von 1,5 willkürlich, zumal da bei dessen Festsetzung der Automaten-Aufsteller-Verband Y. nicht gehört sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, daß die mit Hilfe der Automaten erzielten Umsätze an sich solche Umsätze sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, daß sie aber steuerlich nicht durch dieses Gesetz erfaßt werden und somit nach § 36 UStDB der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Der Einwand der Bfin., § 36 UStDB sei rechtsunwirksam, ist nicht begründet. § 36 UStDB 1951 (früher § 35 UStDB 1938 und § 27 b UStDB 1934) ist nach der Ansicht des Senats, die sich insoweit mit der der Vorinstanz deckt, vorkonstitutionelles Recht, beruht auf § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) und ist rechtsgültig (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs I 132/53 U vom 30. November 1954 und I 40/55 U vom 14. Februar 1956, Bundessteuerblatt 1955 III S. 28 und 1956 III S. 105, Slg. 60 S. 74 und Slg. Bd. 62 S. 284). § 4 Ziff. 9 UStG bezweckt, daß Doppelbesteuerungen vermieden werden. Wenn nun § 36 UStDB klarstellt, daß die Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind, umsatzsteuerpflichtig sind, so entspricht diese Vorschrift dem Zwecke des § 4 Ziff. 9 UStG und ist durch § 12 AO gedeckt.
Auch § 10 UStDB ist von der Vorinstanz zutreffend ausgelegt worden. Entgelt ist nach § 10 UStDB alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufwendet, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten. Maßgebend ist hiernach der Wert der Gegenleistung. Diese besteht bei den Spielautomaten gewöhnlich in einem 10 Pf Stück, das in den jeweiligen Automaten eingeworfen wird. Die Leistung des Automatenaufstellers besteht in der Zurverfügungstellung des Automaten und in der Gewährung von Gewinnmöglichkeiten. Dabei bewirkt jedes einzelne Spiel einen Umsatz, mag der Spieler verlieren, seinen Einsatz herausbekommen oder einen Gewinn erzielen. Der gegenteiligen Ansicht des Reichsfinanzhofs in dem Urteil A V 534/33 vom 17. November 1933 wird nicht beigetreten. Damit wird auch zugleich die Ansicht der Bfin. abgelehnt, nur die Summe der von den Spielern verlorenen Spieleinsätze könne als die Summe der Entgelte angesehen werden. Wenn die Bfin. sich insoweit auf § 12 UStG beruft, so übersieht sie den bereits erwähnten Umstand, daß jeder Einsatz einen besonderen Umsatz für das jeweilige, durch Einwerfen eines Geldstückes herbeigeführte Spiel darstellt, und weiterhin, daß eine Rückgewähr von Entgelten weder vorliegt, wenn der Spieler einen Gewinn in Höhe seines Einsatzes, noch wenn er einen größeren Gewinn erzielt; denn weder wird das dem Umsatze zugrunde liegende Rechtsgeschäft noch dessen Entgeltlichkeit nachträglich ganz oder teilweise aufgehoben und als Folge davon etwa das Entgelt ganz oder teilweise zurückgewährt. Vielmehr bleiben das Rechtsgeschäft und dessen Entgeltlichkeit bestehen. Die Auszahlung des Einsatzes oder eines größeren Betrages als Gewinn beruht vielmehr auf den Spielregeln zufolge des eingegangenen und bestehenbleibenden Rechtsgeschäftes und dessen ebenfalls bestehenbleibender Entgeltlichkeit. Die Konstruktion der Spielapparate ist für diese umsatzsteuerrechtliche Folgerung ohne Bedeutung.
Auf Grund des Umstandes, daß die Spielapparate von den in sie eingeworfenen Geldmünzen die anfallenden Gewinne gleich selbsttätig auszahlen, und mangels einer Vorrichtung, die jedes Ingangsetzen der Apparate fortlaufend zahlenmäßig feststellt, läßt sich nicht genau ermitteln, wieviel an Spieleinsätzen geleistet worden ist. Somit bleibt nichts anderes als eine Schätzung der Umsätze übrig. Dazu hat der Bundesminister der Finanzen in dem vorerwähnten Erlasse vom 23. April 1955 Anhaltspunkte und Anweisungen gegeben, denen eine großzügige Handhabung nicht abzusprechen ist. Die Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Automatengewerbes hatte darum keinen Anlaß, sich mit den Grundsätzen des Erlasses nicht einverstanden zu erklären. Wenn die Bfin. insoweit rügt, daß der Automaten-Aufsteller-Verband Y. vor Ergehen des Erlasses nicht gehört worden sei, so könnte sie damit nur Erfolg haben, wenn dargetan würde, daß die in Y. aufgestellten Spielautomaten anders als die im übrigen Bundesgebiet aufgestellten arbeiteten. Daß dies der Fall sei, muß als völlig unwahrscheinlich bezeichnet werden. Auch die Bfin. hat insoweit nichts vorzubringen vermocht.
Die Rb ist hiernach mit der Kostenfolge des § 307 AO zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1959, 20 |
BFHE 1959, 53 |
BFHE 68, 53 |
StRK, UStG:1/1 R 88 |