Leitsatz (amtlich)
1. Unter die nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnenden "anderen" Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, fallen alle Leistungen, die keine Unterhaltszahlungen nach § 33 a Abs. 1 EStG sind, auch wenn sie zusätzlich vom Unterstützungspflichtigen oder dessen Ehefrau erbracht werden.
2. Nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG sind Leibrenten in vollem Umfang auch dann anzurechnen, wenn das Rentenstammrecht entgeltlich erworben wurde.
Normenkette
EStG 1971/1974 § 33; EStG 1971/1974 § 33a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) und ihre Mutter waren Miteigentümer eines Grundstücks. Sie vereinbarten durch notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, daß die Ehefrau Alleineigentümerin dieses Grundstücks gegen Zahlung einer lebenslänglichen Leibrente von monatlich 130 DM und gegen Einräumung eines dinglichen Wohnrechts zugunsten der Mutter an zwei näher bezeichneten Zimmer werden sollte. Neben diesen Leistungen unterstützte der Kläger seine Schwiegermutter in den Streitjahren 1972 bis 1974 noch mit jährlichen Beträgen von mehr als 1 200 DM.
Die Eheleute machten in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1972 bis 1974 Zahlungen des Klägers an seine Schwiegermutter mit einem Teilbetrag von jährlich 1 056 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA einen Teilbetrag von 156 DM, da nach seiner Ansicht folgende Einkünfte und Bezüge der Schwiegermutter auf die Unterhaltsleistungen anzurechnen seien:
Ertragsanteil der Rente 27 DM
Ertragsanteil übersteigender Rentenanteil 1 233 DM
Wohnrecht(29 m2 x 3 DM x 12) 1 044 DM
2 604 DM
./. Werbungskosten 360 DM
anzurechnende eigene Einkünfte 2 244 DM
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 429 (EFG 1977, 429) veröffentlichten Entscheidungen u. a. aus: Das FA habe bei Bemessung des Freibetrages nach § 33 a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1971/1974 (EStG) zu Unrecht den den Ertragsanteil übersteigenden Teil der Leibrente auf die Unterhaltsleistungen des Klägers angerechnet. Bei dem - hier vorliegenden - entgeltlichen Erwerb des Leibrentenrechts sei der den Ertragsanteil übersteigende Rentenbetrag kein anrechenbarer Bezug im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG, wenn das Rentenrecht eine Gegenleistung für die Veräußerung eines Vermögenswerts (hier des Anteils am Grundstück) sei und die Erhaltung der Vermögenssubstanz auf Dauer nur aus Erträgen des veräußerten Objekts hätte bestritten werden können. Bei diesem Teil der Leibrente handle es sich um einen Rückfluß von Vermögen und nicht um einen Vermögensertrag. Würde die Rente in voller Höhe als Einkünfte oder Bezüge im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG angesehen, so würde dies im Streitfall zudem dem Grundsatz widersprechen, daß ein Verbrauch geringwertigen Vermögens nicht anrechenbar sei.
Es könne dahingestellt bleiben, ob das Wohnrecht auf die Unterhaltsleistungen des Klägers anzurechnen sei, da der Ertragsanteil der Rente zuzüglich des Wohnrechts und abzüglich eines Werbungskostenpauschbetrages von 360 DM die Grenze des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG von 1200 DM nicht übersteige.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG. Es führt u. a. aus: Es sei bei Auslegung dieser Vorschrift davon auszugehen, daß entgeltlich wie unentgeltlich erworbene Renten Rechte besonderer Art seien, die im allgemeinen dem Unterhalt des Berechtigten zu dienen bestimmt seien. Ertragsanteil und Kapitalanteil der Rentenzahlungen seien Teil eines einheitlichen Ganzen. Rentenbezüge seien deshalb auch beim entgeltlichen Erwerb des Rentenrechts in vollem Umfang nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG hat im Streitfall den Kapitalanteil der von der Ehefrau des Klägers gezahlten Rente bei den nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechnungspflichtigen Bezügen der Schwiegermutter zu Unrecht außer Ansatz gelassen.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die er keinen Kinderfreibetrag erhält, so wird nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendung, höchstens je doch ein Betrag von 1 200 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Einkommen abgezogen wird. Zwangsläufig sind solche Ausgaben nach § 33 Abs. 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Aufwendungen können nach § 33 a Abs. 1 Satz 2 EStG nur berücksichtigt werden, wenn die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Hat der Unterhaltsempfänger andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG der Betrag von 1 200 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 1 200 DM übersteigen. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 2. August 1974 VI R 148/71, BFHE 114, 37, BStBl II 1975, 139, und die dort erwähnte Rechtsprechung) sind bei der Auslegung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG unter dem Begriff "Einkünfte" die der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG zu verstehen, während unter den Begriff "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", alle Einnahmen usw. fallen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nichtsteuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen.
Das FG hat im Streitfall die vom Kläger an seine Schwiegermutter erbrachten Unterhaltsleistungen zu Recht als Aufwendungen im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 33 Abs. 2 EStG angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu diesen Zahlungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nach den vorgenannten Vorschriften verpflichtet war, weil nicht er, sondern seine Ehefrau ihrer Mutter gegenüber nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig war und erstere in den Streitjahren 1972 bis 1974 nicht unerhebliche eigene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezog. Hierauf kommt es im Streitfall nicht entscheidend an, da die Eheleute nach ihren Angaben in den Einkommensteuererklärungen 1972 bis 1974 nicht dauernd getrennt gelebt haben. In einem solchen Fall sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660, und die dort erwähnte Rechtsprechung) wegen der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Rahmen der §§ 33 , 33 a EStG als Einheit anzusehen, so daß Leistungen eines Ehegatten auch als die des anderen zu werten sind.
Im Streitfall sind die von der Ehefrau des Klägers erbrachten Rentenzahlungen auf die Unterhaltsleistungen als "andere" Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnen. Denn anrechnungspflichtig sind hier alle Einkünfte sowie alle Bezüge des Unterhaltsempfängers, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, soweit sie keine Unterhaltsleistungen nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen. Hierzu zählen auch auf Erbauseinandersetzungsvereinbarungen beruhende Leibrenten, die - wie im Streitfall - nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG, sondern in Höhe des Ertragsanteils als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind, wie dies im Streitfall auch geschehen ist. Es kommt nicht darauf an, ob solche "anderen" Leistungen vom Steuerpflichtigen, von seiner Ehefrau oder von einem Dritten erbracht werden.
Da der Ertragsanteil der von der Ehefrau geleisteten Leibrente zu den nach § 2 Abs. 3 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerpflichtigen Einkünften zählt, hat das FG ihn zu Recht als "Einkünfte" der Schwiegermutter auf die Unterhaltsleistungen des Klägers nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG angerechnet. Entgegen der Ansicht des FG ist aber auch der Kapitalanteil dieser Leibrente nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG von den Zahlungen des Klägers abzuziehen. Denn er gehört zu den "Bezügen", die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind.
Wie der Senat durch Urteil vom 31. Januar 1958 VI 207/57 U (BFHE 66, 277, BStBl III 1958, 108) entschieden hat, sind Angestelltenrenten stets in voller Höhe zu berücksichtigen, weil sie dem Unterstützten in vollem Umfang für seinen Lebensunterhalt bereitstehen. Diese Grundsätze, an denen der Senat festhält, gelten in gleicher Weise für Renten, die - wie im Streitfall - durch Vertrag entgeltlich dadurch erworben wurden, daß hierfür Vermögenswerte (hier ein Anteil an einem Grundstück) hingegeben wurden. Das FA betont zu Recht, daß auch Leibrenten dieser Art stets in vollem Umfang - also bezüglich des Ertragsanteils und des Kapitalanteils - zum Unterhalt bestimmt sind. Rentenberechtigte wollen in solchen Fällen Vermögensgegenstände in der Regel nur hergeben, wenn durch die ihnen monatlich zufließende Rente der Unterhalt für den Rest ihres Lebens sichergestellt wird. Sie gehen im Hinblick auf diesen - für sie entscheidenden - Gesichtspunkt bewußt das Risiko ein, bei einem vorzeitigen Tod weniger an Rentenbeträgen zu erhalten, als das veräußerte Vermögen wert war. Im Hinblick auf diesen Zweck kommt es nicht entscheidend darauf an, daß nach herrschender Meinung (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 22 EStG Anm. 44-46, 64 ff.) im Kapitalwert der monatlich zufließenden Rente ein Vermögensrückfluß liegt. Dieser Vorgang unterscheidet sich dadurch wesentlich von Gegenleistungen in Form eines bestimmten (etwa auch in Raten zu zahlenden) Kaufpreises, daß die letztgenannten Leistungen nicht an die Lebensdauer des Unterhaltsberechtigten und damit - zumindest indirekt - an dessen Lebensbedarf geknüpft sind. Im übrigen sind die Verhältnisse bei entgeltlich erworbenen Leibrenten nicht wesentlich anders als bei den vorgenannten Angestelltenrenten. Denn auch dort ist der - nicht der Einkommensteuer unterliegende, aber nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnende - Kapitalanteil der Rente seinem Wesen nach ebenfalls ein Vermögensrückfluß, nämlich, wirtschaftlich gesehen, eine Rückzahlung der vom Angestellten während seiner vorangegangenen Erwerbstätigkeit erbrachten Beiträge.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 33 a Abs. 1 EStG. Wie der Senat im Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 170/76 (BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342) dargelegt hat, läßt der Gesetzgeber in § 33 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG 1971 (der wörtlich den entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1974 entspricht) Unterhaltsaufwendungen eines Steuerpflichtigen nur unter Anwendung eines strengen Maßstabes als außergewöhnliche Belastungen zu. Dadurch, daß Unterhaltsaufwendungen nicht mehr abgezogen werden dürfen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Unterstützungsempfängers, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Betrag 2400 DM übersteigen, sind nach dem Willen des Gesetzgebers Unterhaltsaufwendungen selbst dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn das Existenzminimum des Unterhaltenen noch nicht voll gesichert ist. Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, im Rahmen des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG Rentenzahlungen in Höhe des Kapitalanteils von der Anrechnung auszunehmen. Denn soweit dem Unterhaltsberechtigten in den Streitjahren 1972 bis 1974 Rentenbezüge von mehr als 2 400 DM zur Verfügung stehen, die zu seinem Unterhalt bestimmt oder geeignet sind, ist bei ihm keine Bedürftigkeit im Sinne des § 33 a Abs. 1 EStG gegeben.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht geprüft hat, inwieweit das der Schwiegermutter des Klägers eingeräumte Wohnrecht auf die Unterhaltsleistungen anzurechnen ist. Der Senat verweist daher die Sache an das FG zurück, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.
Fundstellen
Haufe-Index 413455 |
BStBl II 1981, 158 |
BFHE 1981, 34 |