Leitsatz (amtlich)

1. Eine nach § 1 Abs. 2 bis 4 HAG angeordnete Gleichstellung eines Hausgewerbetreibenden mit mehr als zwei Hilfskräften bietet keinen durch Rechtsnorm gewährleisteten Anspruch auf Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 18 UStG 1951.

2. Zur Auslegung des § 44 UStDB 1951 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 HAG.

 

Normenkette

UStG 1951 § 4 Nr. 18; UStDB 1951 § 44; HAG §§ 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) stellte im Jahre 1962 für einen Auftraggeber Damenoberbekleidung her. Sie beschäftigte 18 Arbeitskräfte. Durch Verfügung des Gewerbeaufsichtsamts R vom September 1962 ist sie nach § 1 Abs. 2 h) des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 – HAG – (BGBl I 1951, 191) den Hausgewerbetreibenden im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG gleichgestellt worden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) gewährte die nach § 4 Nr. 18 UStG 1951 begehrte Steuerfreiheit für den erklärten Umsatz von 120 230 DM nicht.

Die Klage der Steuerpflichtigen blieb erfolglos.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Nr. 18 UStG 1951, § 44 UStDB 1951, Art. 1, 3 und 20 GG) und trägt dazu inhaltlich vor: Der allein maßgebende Wortlaut des § 4 Nr. 18 UStG 1951 lasse die Umsätze der Hausgewerbetreibenden … nach näherer Bestimmung der Bundesregierung steuerfrei, und zwar ohne jede Einschränkung. Wenn die Bundesregierung durch § 44 UStDB 1951 nur Hausgewerbetreibenden mit nicht mehr als zwei Hilfskräften die Steuerfreiheit gewähre, mißachte sie den Gesetzesbefehl mit der Folge, daß § 44 UStDB 1951 als nichtig zu betrachten sei. Dies folge auch aus der rechtsfehlerhaften umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Zwischenmeister, die als im allgemeinen nicht schutzbedürftig dennoch durch § 44 UStDB 1951 begünstigt würden. Das UStG habe die Bundesregierung nicht ermächtigt, Zwischenmeister von der Steuer zu befreien und dafür schutzbedürftig anerkannte Hausgewerbetreibende mit mehr als zwei Hilfskräften zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Dieser Fehler könne durch eine zutreffende Auslegung des § 44 UStDB 1951 beseitigt werden, indem man davon ausgehe, daß die Worte „im Sinne des Heimarbeitsgesetzes” sich nur auf „Zwischenmeister”, nicht aber auf das weiter entfernte Wort „Hausgewerbetreibende” bezögen. Bei dieser Auslegung seien die Umsätze aller Hausgewerbetreibenden entsprechend dem Gesetzesbefehl im § 4 Nr. 18 UStG 1951 als steuerfrei zu behandeln.

§ 44 UStDB 1951 verstoße auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil es willkürlich sei, einem wirtschaftlich schwachen Hausgewerbetreibenden mit mehr als zwei Hilfskräften, der wegen seiner Schutzbedürftigkeit den echten Hausgewerbetreibenden gleichgestellt worden sei, die Steuerfreiheit zu versagen, sie diesen trotz hoher Gewinne und allen Zwischenmeistern ohne Rücksicht auf die Zahl der Hilfskräfte zu gewähren. Außerdem verletze § 44 UStDB 1951 das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG. Es verdiene nämlich eine Person, deren Schutzbedürftigkeit amtlich festgestellt worden sei, zumindest die gleiche steuerliche Entlastung wie ein nicht schutzbedürftiger Bürger.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Das FG ist ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß der Steuerpflichtigen die nach § 4 Nr. 18 UStG 1951 in Verbindung mit § 44 UStDB 1951 begehrte Umsatzsteuerfreiheit zu versagen ist, weil die in den genannten Vorschriften vorgesehenen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dabei hat es § 4 Nr. 18 UStG 1951 richtig ausgelegt und § 44 UStDB 1951 zutreffend für rechtswirksam erklärt.

Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 18 UStG 1951 werden nicht, wie die Steuerpflichtige meint, die Umsätze aller Hausgewerbetreibenden ohne jede Einschränkung für steuerfrei erklärt. Vielmehr haben die gesetzgebenden Organe in die Vorschrift die Worte „nach näherer Bestimmung der Bundesregierung” eingefügt und diese zugleich ermächtigt, zur Durchführung dieses Gesetzes die im § 4 Nr. 18 vorgesehenen Bestimmungen zu erlassen sowie über den Umfang der Befreiungen Bestimmungen zu treffen (§ 18 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UStG 1951). Diesen Gesetzesbefehlen ist die Bundesregierung durch Erlaß des § 44 UStDB 1951 nachgekommen, ohne den Rahmen der ihr erteilten Ermächtigung zu verletzen. Diese genügt den Erfordernissen des Art. 80 Abs. 1 GG, weil Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bereits durch den Begriff des Hausgewerbetreibenden hinreichend bestimmt sind. Bei einer Regelung zugunsten der den Steuergesetzen unterworfenen Bürger – um eine solche handelt es sich bei der Befreiungsvorschrift – sind im übrigen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung geringer als bei Eingriffsgesetzen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 303 – BVerfGE 7, 303 –). Es kann also davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber berechtigt war, den durch § 4 Nr. 18 UStG 1951 begünstigten Personenkreis zu bestimmen, demzufolge auch die Umsätze der im HAG genannten Zwischenmeister und in Anlehnung an § 2 Abs. 2 HAG nur die der sog. echten Hausgewerbetreibenden steuerfrei zu lassen. Der Senat vermag daher der Ansicht der Steuerpflichtigen, § 44 UStDB 1951 sei nichtig, nicht zu folgen.

Er kann sich auch nicht der von der Steuerpflichtigen vertretenen Meinung anschließen, § 44 UStDB müsse dahingehend ausgelegt werden, daß sich die Worte „im Sinne des Heimarbeitsgesetzes” nur auf die Zwischenmeister beziehen, alle Hausgewerbetreibenden also, nicht nur die im § 2 Abs. 2 HAG aufgeführten, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG 1951 beanspruchen könnten. Einer solchen Auslegung steht zunächst die dem § 44 UStDB 1951 vorangestellte Überschrift „Hausgewerbetreibende” entgegen, die den Grundgedanken des Verordnungsgebers erkennen läßt, diesen im § 4 Nr. 18 UStG 1951 verwendeten Begriff für umsatzsteuerrechtliche Zwecke klarzustellen. Weiterhin spricht gegen die Ansicht der Steuerpflichtigen insbesondere Satz 3 des §§ 44 UStDB 1951, der nur die Hausgewerbetreibenden im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG betreffen kann, weil dort ausschließlich diese genannt sind und es außerdem bei Zwischenmeistern auf die Zahl der beschäftigten Hilfskräfte nicht ankommt (§ 2 Abs. 3 HAG). Daraus ist zwingend zu folgern, daß lediglich die Umsätze der Hausgewerbetreibenden im Sinne des HAG steuerfrei sind. Zu diesen gehören die natürlichen Personen und gewisse Personenzusammenschlüsse, bei denen alle Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 HAG gegeben sind. Nach § 4 Nr. 18 UStG 1951 in Verbindung mit § 44 UStDB 1951 können demnach die Umsätze der nach § 1 Abs. 2 b) HAG wegen Schutzbedürftigkeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Hausgewerbetreibenden nicht als steuerfrei behandelt werden.

Die Steuerpflichtige verkennt die Wirkung der durch § 1 Abs. 2 und 3 HAG geregelten Gleichstellung von Hausgewerbetreibenden, die mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigen, mit den in § 2 Abs. 2 HAG aufgeführten. Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., E 18 bis 20 zu § 4 Nr. 18; Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., Tz. 3288 ff.; Sölch-Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Anm. 261 zu § 4 Nr. 18) in ständiger Rechtsprechung (BFH-Urteil V 15/65 vom 22. Juni 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 89 S. 399 – BFH 89, 399 –, BStBl III 1967, 741, und die dort zitierten Entscheidungen) dargelegt, daß die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Hausgewerbetreibenden mit mehr als zwei Hilfskräften keinen durch Rechtsnorm gewährleisteten Anspruch auf Umsatzsteuerfreiheit bietet. Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich auch aus den nachstehenden Erwägungen: Dem Bundestag (BT) wurde am 20. November 1959 von einer Fraktion der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes vorgelegt (Drucksache 1403 des Deutschen BT, 3. Wahlperiode). Danach sollte § 4 Nr. 18 UStG 1951 die folgende Fassung erhalten:

„die Umsätze der Hausgewerbetreibenden und der ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b, c und d des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl I S. 191) gleichgestellten Personen, … nach näherer Bestimmung der Bundesregierung;”.

Diese Vorlage wäre völlig unverständlich und gegenstandslos gewesen, wenn, wie die Steuerpflichtige meint, den gleichgestellten Hausgewerbetreibenden nach der seinerzeit geltenden, bis zum Inkrafttreten des UStG 1967 insoweit unveränderten Fassung des § 4 Nr. 18 UStG 1951 bereits Umsatzsteuerfreiheit zugestanden hätte. Der genannte Entwurf, der nach dem Schriftlichen Bericht vom 22. Juni 1961 (Drucksache 2906 des Deutschen BT, 3. Wahlperiode) Gegenstand der Beratungen des federführenden Finanzausschusses war, ist nicht in das Gesetz übernommen worden. Die gesetzgebenden Organe haben also die Umsätze der nach § 1 Abs. 2 b) HAG gleichgestellten Hausgewerbetreibenden, trotz eines entgegenstehenden Entwurfs, nicht von der Steuer befreit.

Die von der Steuerpflichtigen gerügte Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Der Gesetzgeber ist bei der Fassung des § 4 Nr. 18 UStG 1951 davon ausgegangen, daß die Hausgewerbetreibenden im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG wegen der geringen Zahl von Hilfskräften in aller Regel nur einen Gewerbebetrieb kleineren Ausmaßes unterhalten, bei dem ihre Abhängigkeit und Unselbständigkeit in wirtschaftlicher Beziehung besonders hervortritt. Diese Betrachtungsweise und die auf ihr ruhende Steuerbefreiung können nicht deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil im Einzelfall ein Hausgewerbetreibender mit nur zwei Hilfskräften einen höheren Gewinn erzielt als ein anderer, der zahlreiche Arbeitskräfte beschäftigt.

Es ist nicht erkennbar, inwieweit durch § 4 Nr. 18 UStG 1951 oder im § 44 UStDB 1951 das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG verletzt worden ist, wie die Steuerpflichtige vorträgt. Ihr stehen auf Grund der Gleichstellung alle damit verbundenen Rechte gemäß § 1 Abs. 3 HAG zu, die ihr wegen ihrer Schutzbedürftigkeit arbeitsrechtlich gewährt worden sind. Steuerrechtlich konnte, wie im vorstehenden Absatz ausgeführt worden ist, zwischen den sog. echten und den gleichgestellten Hausgewerbetreibenden wegen der durch das HAG geregelten Struktur ihrer Betriebe unterschieden werden, ohne damit Verfassungsgrundsätze zu verletzen. Im übrigen besteht ein Unterschied darin, ob ein Unternehmer tatsächlich Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG „ist” oder ob nur ein „Gleichstellen” vorliegt.

Der Steuerpflichtigen kann somit, da die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG 1951 in Verbindung mit § 44 UStDB 1951 nicht gegeben sind, die begehrte Steuerfreiheit nicht gewährt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514899

BFHE 1971, 149

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