Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Zugehörigkeit zum sog. Generationennachfolge-Verbund
Leitsatz (NV)
- Wiederkehrende Leistungen (Renten und dauernde Lasten), die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zahlen muss, sind nur dann ‐ unter weiteren Voraussetzungen ‐ als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar, wenn der Empfänger der Bezüge zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört.
- Da der Lebensgefährtin des Erblassers weder Pflichtteils- noch ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich) gegen den Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmer zustehen, gehört sie nicht zum Generationennachfolge-Verbund.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde von ihrem im September 1961 verstorbenen Adoptivvater testamentarisch als Erbin eingesetzt. Weitere Erben zu gleichen Teilen waren die ebenfalls adoptierte Schwester der Klägerin und der Neffe des Erblassers. Ausweislich einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 18. November 1993 flossen der Klägerin im Streitjahr 1992 Einkünfte aus dem Nachlass in Höhe von 87 582 DM zu.
Zugunsten seiner langjährigen Lebensgefährtin hatte der Erblasser ein Vermächtnis ausgesetzt, das in einer Rente in Höhe des jeweiligen Gehalts eines Landgerichtsdirektors besteht und von den Erben gemeinschaftlich zu leisten ist. Im Streitjahr 1992 betrug die von den Erben gezahlte Rente 98 057 DM. Auf die Klägerin entfiel hiervon ein Betrag in Höhe von 32 686 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1992 machte die Klägerin den Ertragsanteil von 50 v.H. dieser Zahlung, insgesamt somit einen Betrag in Höhe von 16 343 DM, als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte diese Rentenzahlungen nicht als auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhende Rente i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Wiederkehrende Leistungen, die ein Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zu zahlen habe, seien mit dem Wert des empfangenen Vermögens zu verrechnen. Sie seien daher mangels wirtschaftlicher Belastung nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Ein Sonderausgabenabzug komme mangels wirtschaftlicher Belastung nicht in Betracht, da die Klägerin aufgrund des Vermächtnisses wiederkehrende Leistungen an einen Dritten außerhalb des Generationennachfolge-Verbundes zu zahlen habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 3. Januar 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin gehend abzuändern, dass die Zahlung in Höhe von 32 686 DM erklärungsgemäß in Höhe des Ertragsanteils von 50 v.H. als Sonderausgaben berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen und hat zur Begründung auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) verwiesen.
Die vom FG zum Verfahren beigeladene Vermächtnisnehmerin (Beigeladene) hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, dass es sich bei den als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin um nicht abziehbaren Aufwand i.S. des § 12 EStG handelt.
1. a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar, Leibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, "soweit in den §§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, 10b und 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist". Von diesem Abzugsverbot erfasst werden u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG), soweit diese ―außerhalb der für die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen geltenden Sonderregelung― Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht darstellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 1., und vom 27. März 2001 X R 106/98, BFH/NV 2001, 1242).
b) Versorgungsleistungen unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG "durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG". Diese Aussage im Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) wird u.a. wie folgt erläutert: "Denn die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen." Dem Beschluss liegt mithin die entscheidungsleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr ganz oder teilweise als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat.
Dies hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BFH/NV 2003, 1480) bekräftigt: "Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen ―obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen― als zuvor vom Übergeber vorbehaltene ―abgespaltene― Nettoerträge vorstellbar sind."
c) Hiernach kommt außerhalb der "Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen" bei wiederkehrenden Leistungen (Renten und dauernden Lasten) ein Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG grundsätzlich nicht in Betracht. Stehen die wiederkehrenden Leistungen ―wie bei einem dem Erben auferlegten Vermächtnis― in sachlichem Zusammenhang mit einer erhaltenen Gegenleistung, scheitert die Abziehbarkeit daran, dass im Hinblick auf den erhaltenen Vermögenswert wirtschaftlich keine als Sonderausgabe abziehbare "Last" vorliegt (Senatsurteile vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779; in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612; in BFH/NV 2001, 1242).
2. Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass § 12 EStG nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen ist. Die Vermächtnisnehmerin gehört als Lebensgefährtin des Erblassers nicht dem Personenkreis an, innerhalb dessen Vermögen privilegiert übertragen werden kann.
a) Nach den Entscheidungen des Großen Senats des BFH sind Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorbehalten worden sind, wie etwa Altenteils- und ihnen gleichstehende Versorgungsleistungen, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar (Beschlüsse in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
b) Der BFH hat der vorweggenommenen Erbfolge den Fall gleichgestellt, dass Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben, sofern "z.B. der überlebende Ehegatte oder ein erbberechtigter Abkömmling" des Testators statt seines gesetzlichen Erbteils aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbteils handelt (Senatsurteil vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, unter 1.; vgl. ferner Senatsurteile in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. b, bb, und in BFH/NV 2001, 1242, unter II. 1.).
c) Danach kann sich der Vermögensübergeber nach ständiger Rechtsprechung des BFH namentlich in dem hier zu beurteilenden Fall einer Vermögensübergabe von Todes wegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG auch für bestimmte dritte Personen vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt zugunsten dritter Personen setzt allerdings nach den von der bisherigen Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätzen voraus, dass diese Personen dem sog. Generationennachfolge-Verbund angehören.
d) Im Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01 (BFHE 204, 192) hat der erkennende Senat seine bisherige Rechtsprechung zu der Frage, wer neben dem Vermögensübergeber Bezieher von Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sein kann, konkretisiert. Zum Generationennachfolge-Verbund zählen danach grundsätzlich nur solche Personen, die gegenüber dem Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmern Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) hätten geltend machen können und sich stattdessen mit den ihnen (vermächtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheiden. Nur diese übertragen ―vergleichbar dem Vermögensübergeber in Fällen vorweggenommener Erbfolge― einen eigenen Vermögenswert. Da im Streitfall die Vermächtnisnehmerin als Lebensgefährtin des Erblassers nicht über eigene, ihr auch vom Erblasser nicht entziehbare (erb- und/oder familienrechtliche) Ansprüche verfügt hat und folglich auch nicht über derartige Ansprüche in dem Sinne disponieren konnte, dass sie auf deren Geltendmachung im Interesse der Erhaltung des Nachlassvermögens gegen die ihr zugedachten Versorgungsleistungen verzichtete, erfüllen die ihr vom Erblasser ausgesetzten Versorgungsleistungen nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Die Zuwendung des Erblassers war "freiwillig" und wird nicht vom Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erfasst.
3. Dieses Ergebnis wird zudem durch die ―auch vom FG angestellte― Überlegung bestätigt, der Erblasser habe wegen § 12 Nr. 2 EStG zu Lebzeiten ebenfalls keine laufenden Zahlungen an seine Lebensgefährtin als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen können. Die Bedenken der Klägerin gegen dieses Argument, Zahlungen des Erblassers an Verwandte seien zu Lebzeiten ebenso grundsätzlich nicht abziehbar, greifen nicht durch. Der Gesetzgeber berücksichtigt Unterhaltslasten, die sich zwischen Ehegatten in intakter Ehe ergeben, in typisierender Weise im Einkommensteuertarif, nämlich durch die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung in den §§ 26 ff. EStG, insbesondere durch Anwendung des Splittings (BFH-Urteil vom 30. Juli 1971 VI R 142/68, BFHE 103, 69, BStBl II 1971, 764). Bei Aufwendungen für den Unterhalt eines bedürftigen, nicht dauernd getrennt lebenden, nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten wird die Einkommensteuer nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG ermäßigt, da in diesem Fall nicht die Sondervorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 25 bis 26b, 32a Abs. 5 EStG) eingreifen (Beschluss des Großes Senats des BFH vom 28. November 1988 GrS 1/87, BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG kommt ein Sonderausgabenabzug für Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten in Betracht und Unterhaltszahlungen an Kinder werden im Rahmen des Familienlastenausgleichs berücksichtigt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich auch nicht aus der BFH-Entscheidung vom 16. Dezember 1997 IX R 11/94 (BFHE 185, 208, BStBl II 1998, 718) ableiten, dass es nicht auf die erbrechtliche Stellung der beteiligten Personen ankommen könne. Zwar kann auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ein "Dritter", d.h. ein nicht zum Generationennachfolge-Verbund Gehörender Vermögensübernehmer sein (Urteil vom 16. Mai 2001 X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388, unter II. 2. c). Auf einem Vermächtnis beruhende Versorgungsaufwendungen (Rente oder dauernde Last) dürfen aber nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie als vom Erblasser vorbehaltene Erträge des übergebenen Vermögens zugunsten des Ehegatten oder anderer neben dem Übernehmer erbberechtigter Abkömmlinge des Erblassers zu beurteilen sind. In allen anderen Fällen sind sie mit dem Wert des übertragenen Nachlassvermögens zu verrechnen (Senatsurteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. b), da der Erbe mit der Erfüllung des Vermächtnisses aus dem erhaltenen Nachlass wirtschaftlich nicht belastet ist (Senatsurteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. c). Im Übrigen hat der erkennende Senat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Fragen, wer als Vermögensübernehmer und wer als Empfänger von Versorgungsleistungen i.S. des Generationennachfolge-Verbunds in Betracht kommt, streng auseinander zu halten sind (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2001, 1242, 1243, mittlere Spalte, und vom 26. November 2003 X R 11/01, unter II. 6. der Gründe).
Dem Einwand der Revision, es könne schon deswegen "nicht auf die erbrechtliche Stellung der beteiligten Person" (Empfänger der wiederkehrenden Bezüge) ankommen, weil ansonsten "die scheinbar strengen Grundsätze des X. Senats umgangen werden (könnten), indem das Vermögen nicht auf die Verwandten, sondern die Fremden übertragen … würde, um diese dann mit Versorgungsleistungen an die Verwandten zu belasten", kommt schon deswegen keine maßgebende Bedeutung zu, weil es einen grundlegenden Unterschied ausmacht, wer vom Vermögensübergeber (Erblasser) als Vermögensübernehmer und wer (lediglich) als Empfänger von Versorgungsleistungen bestimmt wird.
An der Berechtigung, das Pflichtteilsrecht des mit Versorgungsleistungen Bedachten als Abgrenzungskriterium für die Frage heranzuziehen, wann Versorgungsleistungen bei einer Vermögensübergabe von Todes wegen vom Sonderrecht der Vermögensübergabe erfasst werden, ändert entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber des BGB heute nichtehelichen Kindern beim Tod des Vaters eine Erb- und Pflichtteilsberechtigung einräumt, ihnen hingegen in vor dem 1. Juli 1970 eingetretenen Erbfällen kein Erb- oder Erbersatzanspruch zustand (zur Rechtsentwicklung vgl. z.B. Palandt/ Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl., § 1924 Rz. 8 ff.). Denn erst mit dieser Gesetzesänderung ist das nichteheliche Kind in die Lage versetzt worden, durch Verzicht auf die ihm neu eingeräumte Rechtsposition ―im Interesse der Erhaltung des Familienvermögens― einen eigenen Vermögenswert für die ihm zugedachte Versorgung aufzuwenden. Dass sich daraus im Einzelfall für das Steuerrecht Konsequenzen ergeben, macht das davon unabhängig entwickelte Abgrenzungskriterium nicht ungeeignet, sondern erweitert lediglich den Anwendungsbereich des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.
4. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, ihr Vertrauen in die Behandlung ihrer Zahlungen an die Vermächtnisnehmerin als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sei durch Art. 20 Abs. 3 GG und die Grundsätze von Treu und Glauben im Streitjahr 1992 geschützt. Zwar wurde der Begriff des Generationennachfolge-Verbunds erstmals in der Senatsentscheidung in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 entwickelt. Doch kann die Entscheidung des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ―entgegen der Auffassung der Klägerin― nicht dahin gehend verstanden werden, jeder könne Empfänger von Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sein. Der Große Senat hat durch die Verwendung des Begriffs "Dritte" in diesem Beschluss nur zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur der Vermögensübergeber Empfänger von Versorgungsleistungen sein kann, und dies anschließend dahin gehend konkretisiert, dass auch der Ehegatte des Übergebers und Geschwister des Übernehmers als Empfänger solcher Leistungen in Betracht kämen. Mit dieser Entscheidung hat der Große Senat somit die Grundlage für den in der Folge vom erkennenden Senat entwickelten Begriff des Generationennachfolge-Verbunds gelegt.
Abgesehen davon kann sich der Steuerpflichtige auf Vertrauensschutz gegenüber einer zu seinen Lasten geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in den Grenzen des vorliegend nicht einschlägigen § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) berufen. Unbillige Auswirkungen einer verschärfenden Rechtsprechung sind ggf. durch Übergangsregelungen auf der Grundlage des § 163 AO 1977 zu vermeiden (BFH-Entscheidungen vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. I. 1.; vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578).
Auch aus der Tatsache, dass das FA 30 Jahre lang bei der Klägerin und den Miterben die Zahlungen als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzog und bei der Vermächtnisnehmerin nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG der Besteuerung unterwarf, folgt kein Vertrauensschutz. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben. Dies gilt selbst dann, wenn die frühere Auffassung in einem Betriebsprüfungsbericht niedergelegt oder ―wie im Streitfall― über eine längere Zeitspanne vertreten worden ist. Eine Bindung an die bisherige Rechtsauffassung tritt selbst dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige auf deren Fortbestand vertraut und ―anders als im Streitfall― in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, m.w.N.).
Nur wenn das FA eine Zusage gegeben oder in anderer Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; in BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289), kommt eine Bindung nach Treu und Glauben in Betracht. Hierfür sind im Streitfall aber keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 1153605 |
BFH/NV 2004, 1083 |
HFR 2004, 629 |