Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstverbrauchsteuer bei Hotelanbau
Leitsatz (NV)
1. Das Hintergebäude in einem Hotelkomplex ist ein selbständiges Wirtschaftsgut, wenn es auf eigenen Fundamenten steht und einen eigenen Eingang hat.
2. Die Selbstverbrauchbesteuerung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein im Krieg zerstörtes Gebäude wiederaufgebaut wird.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Hotelunternehmen. Der Hotelkomplex besteht aus drei Baukörpern. Der vordere, größte Baukörper verläuft parallel zur Straße. Ihm schließen sich zum Hof hin ein mittlerer und hinterer Baukörper an. Im zweiten Weltkrieg wurde der vordere Baukörper stark beschädigt und der hintere Baukörper bis auf die Grundmauern zerstört. Nach dem Kriege wurden die Schäden im vorderen Baukörper beseitigt und wurde der hintere Baukörper eingeschossig (mit einem Notdach versehen) wieder aufgebaut. Der Kläger trug in den Streitjahren 1968 und 1969 das Notdach auf dem hinteren Baukörper ab und stockte diesen um drei Stockwerke auf. Der hintere Baukörper, der über eigene Fundamente, Außenwände und tragende Elemente verfügt, ist mit dem mittleren Baukörper im ersten und zweiten Stockwerk durch Durchlässe verbunden. Er hat einen eigenen Eingang. Die Nutzfläche im hinteren Baukörper erhöhte sich infolge der Aufstockung von 90 qm auf 360 qm. Die Baukosten für das Abtragen des Notdaches und das Aufstocken betrugen . . . DM. Das erste Obergeschoß wurde bereits 1968 in Gebrauch genommen. Die übrigen beiden Stockwerke werden ab 1969 für Hotelzwecke genutzt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) forderte nach einer Betriebsprüfung in nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigten Umsatzsteuerbescheiden Selbstverbrauchsteuer für 1968 und für 1969 an. Der Einspruch hatte für 1969 nur insoweit Erfolg, als das FA einen Rechenfehler richtigstellte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach einer Augenscheinseinnahme des Berichterstatters ab. Es führte aus: Durch die Baumaßnahmen sei ein neues Gebäude unter Einbeziehung von Altbauteilen geschaffen worden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1972 V R 151/71, BFHE 105, 198, BStBl II 1972, 654; vom 19. Dezember 1974 V R 86/74, BFHE 115, 154, BStBl II 1975, 467; vom 18. August 1977 V R 164/75, BFHE 123, 165, BStBl II 1978, 46). Die Neubauteile hätten dem hinteren Baukörper das Gepräge gegeben. Dieser habe nicht mit den beiden vorderen Baukörpern eine Einheit gebildet. Es fehle eine bauliche Verschachtelung. Der hintere Baukörper sei für sich standfest gewesen. Unerheblich sei, daß es Durchlässe zum mittleren Baukörper gegeben habe, eine aufeinander abgestimmte Nutzung vorgelegen habe und gemeinsame Versorgungsanlagen bestanden hätten (BFH-Urteile vom 21. Juli 1977 V R 58/75, BFHE 123, 527, BStBl II 1978, 78; vom 15. September 1977 V R 14/76, BFHE 123, 531, BStBl II 1978, 123).
Der Kläger rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967: Die Baukörper bildeten seit eh und je einen einheitlichen Baukomplex. Dies habe sich durch die Kriegszerstörung und den Wiederaufbau nicht geändert. Eigene Mauern und Fundamente für den rückwärtigen Bautrakt seien nach dem gegebenen Grundriß selbstverständlich. Auf den eigenen Eingang habe schon aus feuerpolizeilichen Gründen nicht verzichtet werden können. Die von Anfang an bestehende Einheitlichkeit werde durch die funktionelle Abhängigkeit dokumentiert. Werde aber auf das Gesamtgebäude abgestellt, überwögen eindeutig die Altbauteile (Grundfläche 870 qm) gegenüber den Neubauteilen (Grundfläche 270 qm).
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der angegriffenen Bescheide die Selbstverbrauchsteuer niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG ist zu Recht von der Selbständigkeit des hinteren Baukörpers ausgegangen. Wird nur auf diesen abgestellt, bewirkten die Baumaßnahmen der Jahre 1968 und 1969 (Entfernung des Notdachs, Aufstockung um drei Stockwerke), wie auch der Kläger nicht in Abrede stellt, die Schaffung eines neuen Wirtschaftsguts (von 360 qm Nutzfläche) unter Einbeziehung von Altbauteilen (Erdgeschoß mit 90 qm). Die Neubauteile geben dem so abzugrenzenden Wirtschaftsgut das Gepräge und führen zu einer Neuinvestition i.S. des § 30 UStG 1967 (BFH-Urteile in BFHE 105, 198, BStBl II 1972, 654; vom 9. August 1974 V R 11/74, BFHE 114, 569, BStBl II 1975, 342; in BFHE 123, 165, BStBl II 1978, 46).
Dem Kläger kann nicht darin zugestimmt werden, daß die drei Baukörper ein Wirtschaftsgut bilden. Dies würde voraussetzen, daß der mittlere und der hintere Baukörper untereinander baulich verschachtelt wären, was mit dem FG zu verneinen ist. Die Würdigung des FG, die auf einer Augenscheinseinnahme beruht, ist nicht zu beanstanden. Sie stellt vor allem darauf ab, daß der hintere Baukörper auf eigenen Fundamenten ruht und eigene Außenwände hat - also in sich und unabhängig von dem mittleren Baukörper standfest ist -. Das FG hat ferner darauf hingewiesen, daß der hintere Baukörper einen eigenen Eingang hat. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung eine Verschachtelung nicht mehr angenommen werden, unabhängig davon, daß - wie hier - Durchlässe bestehen, die Baukörper funktionell aufeinander abgestimmt sind und einheitliche Versorgungsanlagen bestehen (BFH-Urteile vom 5. Dezember 1974 V R 30/74, BFHE 114, 295, 297 f., BStBl II 1975, 344; in BFHE 123, 527, BStBl II 1978, 78; in BFHE 123, 531, BStBl II 1978, 123). Für eine Selbständigkeit des hinteren Baukörpers hätte noch angeführt werden können, daß dieser den mittleren überragt und eine eigene Dachkonstruktion hat.
Die Kriegszerstörung bleibt ohne Einfluß auf die Selbstverbrauchsteuerpflicht. Es ist nicht etwa der Zustand des Hintergebäudes vor der Zerstörung mit dem Zustand nach Beendigung des Wiederaufbaus zu vergleichen, sondern der Zustand vor und nach den zu beurteilenden Baumaßnahmen - hier also der Zustand des Jahres 1967 (unter Einschluß der teilweisen Wiederaufbaumaßnahmen in der Nachkriegszeit) und im Jahre 1969 nach Abschluß der Bauarbeiten - (siehe auch Urteil in BFHE 115, 154, BStBl II 1975, 467).
Fundstellen