Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977
Leitsatz (NV)
1. Gemäß §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hat das FA, das nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid erläßt, in dem Bescheid darauf hinzuweisen. Der Hinweis hat nicht nur Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von §182 Abs. 1 AO 1977 anders bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird.
2. Die in dem Hinweis liegende Regelung muß unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen werden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Soweit der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304 darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, wird hieran nicht mehr festgehalten.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 5, § 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Jahre 1980 ein Grundstück, welches mit einem -- seinerzeit als Zweifamilienhaus bewerteten -- Wohnhaus bebaut ist. Die Kläger bauten das Gebäude im Jahre 1980 um.
Aufgrund der von den Klägern eingereichten Erklärung, wonach das Haus im Erdgeschoß und im Dachgeschoß jeweils eine Wohnung, bestehend aus jeweils vier Zimmern, Küche und Bad enthalte, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) auf den 1. Januar 1981 lediglich einen Wert- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid.
Nachdem dem FA durch eine Betriebsprüfung im Jahre 1989 bekannt wurde, daß sich im Dachgeschoß des Hauses keine Küche (mehr) befand und eine Vermietung dieser Räume nicht vorgenommen worden war, stellte es durch Änderungsbescheid nach §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 31. Oktober 1989 auf den 1. Januar 1981 für das Grundstück der Kläger als Grundstücksart "Einfamilienhaus" und den Einheitswert auf ... DM fest. Es vertrat dabei die Auffassung, die Feststellungsfrist betrage wegen der den Klägern vorzuwerfenden Steuerhinterziehung 10 Jahre. Entsprechend wurde durch Bescheid vom 31. Oktober 1989 auch der Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1981 nach §175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert.
Im Klageverfahren gegen diese Bescheide erließ das FA am 28. April 1993 einen "geänderten", auf §172 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gestützten Feststellungsbescheid auf den 1. Januar 1981. Der Bescheid wiederholt die Feststellungen hinsichtlich der Grundstücksart und des Einheitswertes aus dem vorangegangenen Bescheid vom 31. Oktober 1989, wurde jedoch mit folgendem Zusatz versehen:
"Wegen Eintritts der Verjährung sind die in diesem Bescheid getroffenen Feststellungen für die Grundsteuer erst ab 1. Januar 1985 wirksam. Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für andere einheitswertabhängige Steuern entscheiden die für die Festsetzung zuständigen Stellen."
Die Kläger haben den geänderten Bescheid vom 28. April 1993 zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es ist dabei davon ausgegangen, daß das FA zutreffend das bebaute Grundstück der Kläger auf den 1. Januar 1981 als Einfamilienhaus bewertet habe. Die Feststellungen hätten auch nach Ablauf der Feststellungsfrist gemäß §181 Abs. 5 AO 1977 erfolgen können. Den notwendigen Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 habe das FA in zulässiger und ausreichender Weise im Bescheid vom 28. April 1993 nachgeholt. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 653 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger in verfahrensrechtlicher Hinsicht Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das FG habe im übrigen bei seiner Entscheidung die Feststellungen des FA aus dem Jahre 1989 übernommen, ohne zu prüfen, ob diese auch für das Jahr 1980 Geltung haben könnten.
Außerdem habe das FG §181 Abs. 5 AO 1977 fehlerhaft angewendet. Dem ursprünglichen Feststellungsbescheid fehle der nach dieser Vorschrift notwendige Hinweis. Eine wirksame Nachholung dieses Hinweises durch den erst im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheid komme nicht in Betracht.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG, den Änderungsbescheid vom 28. April 1993, den Feststellungsbescheid und den Grundsteuermeßbescheid vom 31. Oktober 1989 sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 1990 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Änderungsbescheides vom 28. April 1993 sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des FG, das FA habe in zulässiger und ausreichender Weise den -- im ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 31. Oktober 1989 fehlenden -- Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 durch den (Änderungs-) Bescheid nach §172 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 vom 28. April 1993 "nachgeholt".
Unabhängig davon, ob hier -- was offenbleiben kann -- die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheides vom 31. Oktober 1989 gemäß §172 Abs. 1 AO 1977 vorlagen und ob ein fehlender Hinweis in einem nachfolgenden Bescheid mit Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ursprungsbescheides nachgeholt werden kann, hat das FA -- entgegen der Auffassung des FG -- mit dem Hinweis in dem Änderungsbescheid vom 28. April 1993 den gesetzlichen Anforderungen des §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 nicht genügt.
Gemäß §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hat das FA, das nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid erläßt, in dem Bescheid darauf hinzuweisen, daß die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion (so Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §181 AO 1977 Tz. 4), sondern Regelungscharakter (Senatsurteil vom 11. Januar 1995 II R 125/91, BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, §181 Anm. 6; Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., §181 Rdnr. 13; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §181 AO 1977 Rz. 47), weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von §182 Abs. 1 AO 1977 bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird.
Die in dem Hinweis liegende Regelung muß den Bestimmtheitsanforderungen des §119 Abs. 1 AO 1977 genügen und deshalb unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411, 412). Soweit der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304 darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, wird hieran nicht mehr festgehalten. Ein Hinweis, der sich inhaltlich an dem "Erläuterungstext" des Erlasses des Niedersächsischen Finanzministers vom 14. Februar 1996 S 0362-7-33 (Deutsches Steuerrecht 1996, 468, Der Betrieb 1996, 506) orientiert, wird danach regelmäßig ausreichen.
Diesen Anforderungen genügt der Hinweis des FA im Änderungsbescheid vom 28. April 1993 nicht. Er enthält zwar einen allgemeinen Hinweis auf den Eintritt der Verjährung, aber keine ausreichend klare Aussage, daß die getroffenen Feststellungen Bedeutung nur noch für solche Folgesteuern haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides noch nicht abgelaufen war. Eine solche Aussage kann weder dem Zusatz, daß die "getroffenen Feststellungen für die Grundsteuer erst ab 1. Januar 1985 wirksam" sein sollen, noch dem Hinweis entnommen werden, daß "über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für andere einheitswertabhängige Steuern die für die Festsetzung zuständigen Stellen entscheiden".
2. Die Sache ist nur hinsichtlich des Änderungsbescheides vom 28. April 1993 spruchreif.
a) Der Änderungsbescheid vom 28. April 1993 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wie unter II. 1. ausgeführt, enthält der Bescheid jedenfalls keinen ausreichenden Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977. Die Anforderungen für den Erlaß eines Feststellungsbescheides nach Ablauf der Feststellungsfrist gemäß §181 Abs. 5 AO 1977 sind somit nicht erfüllt. Inhaltlich entspricht der Bescheid vom 28. April 1993 dem Bescheid vom 31. Oktober 1989. Er wiederholt nur die in dem früheren, rechtlich noch vorhandenen Bescheid bereits getroffenen Feststellungen auf den 1. Januar 1981. Ein Grund für den Erlaß eines inhaltsgleichen Bescheides liegt im Streitfall nicht vor. Der von dem Bescheid vom 28. April 1993 ausgehende Rechtsschein ist zu beseitigen.
b) Im übrigen reichen die Feststellungen des FG nicht aus, um abschließend über die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides vom 31. Oktober 1989 und der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 1990 befinden zu können.
Der Bescheid vom 31. Oktober 1989 enthält keinen Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977. Er hätte deshalb nur noch innerhalb offener Feststellungsfrist ergehen dürfen, soweit auch die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine (fehlerbeseitigende) Art- und Wertfortschreibung vorlagen. Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist jedoch auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des FG nicht möglich.
aa) Das FG hat -- auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung -- nicht geprüft und deshalb auch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide die Feststellungsfrist abgelaufen war, sondern es ausdrücklich offengelassen, ob -- wegen einer möglichen Steuerstraftat der Kläger -- die Feststellungsfrist im Streitfall möglicherweise 10 Jahre betragen hat.
bb) Das finanzgerichtliche Urteil enthält ferner keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage, ob es sich bei dem Grundstück der Kläger zum Stichtag 1. Januar 1981 um ein Ein- oder Zweifamilienhaus gehandelt hat. Die Ausführungen in dem finanzgerichtlichen Urteil lassen nicht erkennen, worauf die Überzeugung des FG beruht, das Haus der Kläger habe nach dem Umbau nur noch eine Wohnung enthalten, die von den Klägern selbst bewohnt worden sei. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwiefern die Feststellungen der Außenprüfung im Jahre 1989 einen ausreichend sicheren Rückschluß auf den Zustand des Gebäudes sowie der sonstigen maßgeblichen Verhältnisse am Stichtag 1. Januar 1981 zulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 67554 |
BFH/NV 1998, 1317 |