Leitsatz (amtlich)
Versicherungsentgelte für Rückdeckungsversicherungen, die privatrechtliche Unternehmer wegen ihrer den Betriebsangehörigen gegenüber übernommenen Ruhegeld-, Witwengeld- und Waisengeldverpflichtungen eingegangen sind, sind von der Versicherungsteuer befreit.
Normenkette
VersStG 1959 § 4 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Satzungsgemäß dient er der Sicherstellung seiner Mitglieder hinsichtlich der Verpflichtungen, die diese zur Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung ihren Betriebsangehörigen gegenüber übernommen haben. Diese Versorgung besteht in Ruhegeld, Witwengeld und Waisengeld. Ansprüche gegen die Kasse haben nur die Mitglieder, nicht aber deren versorgungsberechtigte Betriebsangehörige.
Mitglieder des Klägers können nach der Satzung einzelne näher bestimmte Betriebe werden, wenn sie ihren zu versorgenden Betriebsangehörigen Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach den Versorgungsrichtlinien des Klägers gewähren. Die Mitglieder haben ihre zu versorgenden Betriebsangehörigen sowie den Eintritt von Versorgungsfällen dem Kläger zu melden und bestimmte Nachweisungen zu führen. Das Mitglied hat Anspruch auf Ersatz der Versorgungsansprüche seiner versorgungsberechtigten Betriebsangehörigen, wenn der Vorstand des Klägers die Meldung nicht innerhalb eines Monats beanstandet. Das Vermögen des Klägers haben die Mitglieder nach Aufstellung der versicherungstechnischen Bilanz in dem Umfang aufzufüllen, der nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan und der Satzung erforderlich ist. Auf diese Leistungen sind vierteljährliche Vorauszahlungen zu erbringen.
Demgemäß zahlten die Mitglieder des Klägers jeweils 10 v. H. der laufenden Lohn- und Gehaltssumme ihrer Betriebsangehörigen an den Kläger. Im Bedarfsfall wurden zusätzliche Beträge erhoben. In der Zeit vom 28. Mai 1959 bis 31. Dezember 1959 leisteten die Mitglieder ...... DM.
Wegen dieses Betrags hat das beklagte FA gegen den Kläger ...... DM Versicherungsteuer festgesetzt. Dieser ist der Ansicht, die Zahlungen seien als auf Lebensversicherungen geleistet gemäß § 4 Nr. 5 VersStG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 1959 (VersStG 1959) von der Besteuerung ausgenommen. Das FG hat die Sprungberufung des Klägers zurückgewiesen und zugleich die fehlerhafte Berechnung der Steuer (5 v. H.) auf ...... DM berichtigt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Klägers ist begründet.
Der Versicherungsteuer unterliegt unter den in § 1 VersStG 1959 näher bezeichneten Voraussetzungen die Zahlung des in § 3 VersStG 1959 umschriebenen Versicherungsentgelts auf Grund eines Versicherungsverhältnisses. Dieser Tatbestand ist erfüllt. Die Zahlungen sind aber gemäß § 4 VersStG 1959 von der Besteuerung ausgenommen.
§ 4 Nr. 5 VersStG 1959 befreit die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Versicherung, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten oder sonstige Leistungen im Falle des Erlebens, der Krankheit, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, des Alters, des Todes oder in besonderen Notfällen begründet werden (Satz 1); dies gilt aber - unbeschadet des § 4 Nr. 3 VersStG 1959 (Unfallversicherung nach der RVO) - nicht für die Unfallversicherung, die Haftpflichtversicherung und sonstige Sachversicherungen (Satz 2).
Die Voraussetzungen des normativen Obersatzes (§ 4 Nr. 5 Satz 1 VersStG 1959) der Befreiung sind erfüllt. Durch die bei dem Kläger genommenen Versicherungen werden Ansprüche auf Rentenleistungen im Falle der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, des Alters und des Todes begründet. Der Obersatz fordert nicht, daß diese Versicherungen als Lebensversicherungen (§§ 159 ff. VVG) oder auch nur als Personenversicherungen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VVG) zu qualifizieren sind. Das belegt der Nachsatz, in dem "die Unfallversicherung" und anschließend "die Haftpflichtversicherung und sonstige Sachversicherungen" von der im vorangehenden Satze ausgesprochenen Steuerbefreiung ausgenommen sind.
Hinsichtlich des Obersatzes kann daher dahingestellt bleiben, ob die bei dem Kläger genommenen Rückdeckungsversicherungen noch Lebensversicherungen sind (verneint für die Rückversicherung in den Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 129 S. 1 [6] - RGZ 129, 1 [6] -) oder ob sie deshalb den Schadensversicherungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG) zugerechnet werden müssen, weil die Entstehung der Rentenansprüche nicht nur Invalidität, Alter oder Tod eines Betriebsangehörigen (der selbst weder Versicherungsnehmer noch durch die Versicherung begünstigt ist), sondern darüber hinaus die Versorgungspflicht des Versicherungsnehmers (eines Mitglieds des Klägers) voraussetzt, die Rentenversicherungen also einen Vermögensschaden abdecken und die Leistungspflicht durch dessen Höhe begrenzt ist.
Die in § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG 1959 verfügte Einschränkung der Befreiungsvorschrift greift nicht ein. Die bei dem Kläger genommenen Versicherungen sind weder Unfallversicherungen noch Haftpflichtversicherungen; es könnte sich allenfalls um "sonstige Sachversicherungen" handeln. Diesen Begriff hat das VersStG nicht definiert; er läßt sich nur durch Umkehrschlüsse unter Zuhilfenahme der Entstehungsgeschichte bestimmen.
Eine Objektversicherung kann mit dem Ausdruck "Sachversicherung" nicht gemeint sein. Denn eine Versicherung von Objekten (z. B. Gebäuden, Glas, Vieh) fällt schon nicht unter die Beschreibung des § 4 Nr. 5 Satz 1 VersStG, braucht also nicht von dieser ausgenommen zu werden, sofern man nicht den Begriff der "besonderen Notfälle" unabgrenzbar weit faßt. Jedenfalls ist die Haftpflichtversicherung (ausweislich des Wortes "sonstigen" im Sinne dieser Vorschrift eine Unterart der "Sachversicherung") keine Objektversicherung, es sei denn, man würde den Begriff des Objektes nicht auf den versicherten Gegenstand, sondern auf das von diesem Gegenstand ausgehende Haftungsrisiko beziehen. So gesehen könnte man aber allenfalls die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und entsprechende Versicherungen unter den Begriff der Sachversicherung fassen, nicht aber die Haftpflichtversicherung als ganze.
Der Ausdruck "Sachversicherung" kann in § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG 1959 auch nicht das gleiche bedeuten wie "Schadensversicherung" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG). Denn unter diesen Begriff fällt auch die Krankheitskostenversicherung. Angesichts der ausdrücklichen Erwähnung der "Haftpflichtversicherung" in Satz 2 dieser Vorschrift spricht nichts dafür, daß die nicht minder wichtige Krankheitskostenversicherung implicit von der Befreiung der "Ansprüche auf ... Leistungen im Falle ... der Krankheit" ausgenommen sein sollte.
Der Begriff der "Sachversicherung" im Sinne des § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG 1959 muß also enger als der Begriff der Schadensversicherung, aber weiter als der Begriff der Objektversicherung sein. Er muß, da die Sachversicherungen als "sonstige" angeführt sind, den Begriff der Haftpflichtversicherung zumindest in der allgemeinen Gestalt dieses Begriffs einschließen.
Der Ausdruck "Sachversicherung" legt nahe, diesem Begriff den der "Personenversicherung" gegenüberzustellen. Dabei darf der Begriff der Personenversicherung nicht auf die Summenversicherungen beschränkt und als innerhalb der Versicherungen kontradiktorischer Gegensatz zur Sachversicherung gesehen werden; andernfalls wäre der Begriff der Sachversicherung mit dem der Schadensversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG) identisch. Ein solcher weiterer Begriff der Personenversicherung liegt z. B. dem Urteil des BGH IV ZR 776/68 vom 24. September 1969 (Versicherungsrecht 1969 S. 1036) zugrunde; es bezeichnet die Krankheitskostenversicherung als "eine Personenversicherung, die als Schadensversicherung betrieben wird". Bei einer solchen Begriffsbildung läßt sich als "Sachversicherung" eine Schadensversicherung verstehen, welche auch in diesem weiteren Sinne keine Personenversicherung ist.
Bei dieser Begriffsbildung fällt zwar die Krankheitskostenversicherung unter den Begriff der Personenversicherung (und ist damit vom Begriff der Sachversicherung ausgeschlossen), nicht aber die Haftpflichtversicherung. Denn kraft dieser ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat (§ 149 VVG). Dabei kann zwar das Eintreten der Verantwortlichkeit (die Haftpflicht) an Ereignisse geknüpft sein, welche Gegenstand einer Personenversicherung (auch im engeren Sinne der Summenversicherung) sein können, nämlich an Tod oder Verletzung eines Menschen. Eine solche Begrenzung der schadenstiftenden Ereignisse ist aber für die Haftpflichtversicherung nicht typisch, mag auch im Einzelfall der Haftpflichtversicherungsvertrag nur gegen die Haftpflicht wegen solcher Schäden genommen sein.
Die hier zu beurteilenden Versicherungen sind keine Haftpflichtversicherungen; sie sind auch keine "sonstigen Sachversicherungen" im Sinne des § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG 1959. Zwar decken sie die von den Mitgliedern des Klägers ihren Betriebsangehörigen gegenüber gemachten Versorgungszusagen ab, insofern also Vermögensschäden, die diesen durch die Versorgungszusagen entstehen. Doch steht - wie das Beispiel der Krankheitskostenversicherung zeigt - der Befreiung nicht entgegen, daß die Versicherungsleistung nach Grund und Höhe von einem konkreten Vermögensschaden abhängt. Überdies sind hier die einzelnen Versicherungsfälle von der Art einer Personenversicherung in dem vorbezeichneten weiteren Sinne; die den Versicherungsfall auslösenden Tatsachen treten ausschließlich in der Person der einzelnen, individuell bezeichneten Betriebsangehörigen ein.
Demzufolge kann dahingestellt bleiben, ob die Versicherungen, welche versicherungsaufsichtsrechtlich (§ 11 VAG) ohnehin den Lebensversicherungen gleichstehen, versicherungsvertragsrechtlich (vgl. Urteil des BFH II 160/64 vom 17. November 1970, BFH 100, 545 [546], BStBl II 1971, 224) Lebensversicherungen sind. Denn das VersStG folgt in diesem Punkte, wie sich aus § 4 Nr. 5 Satz 1 VersStG 1959 ergibt, nicht der Begriffsbildung des VVG. Die maßgebenden Versicherungen sind jedenfalls keine Sachversicherungen im Sinne des § 4 Nr. 5 Satz 2 VersStG 1959.
Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der maßgebenden Vorschriften bestätigt. Das sog. VersStG 1959 ist die Fassung einer Bekanntmachung vom 24. Juli 1959 (BGBl I 1959, 539); sie ist nicht selbst Gesetz. Die hier maßgebende Vorschrift des § 4 Nr. 5 VersStG 1959 beruht auf Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 (BGBl I 1959, 261), durch dessen Art. 4 Nr. 4 zugleich § 6 Abs. 1 VersStG seine heute geltende Fassung erhalten hat. Zuvor besagte § 6 Abs. 1 VersStG auf Grund des Art. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung des Versicherungsteuergesetzes vom 31. August 1944 (RGBl I 1944, 208) und des Art. I des Kontrollratgesetzes Nr. 53 über die Änderung des Versicherungsteuergesetzes vom 9. Juli 1937 (Amtsblatt 1947 S. 282):
"Die Steuer beträgt
1. bei der Lebensversicherung (Kapital- und Rentenversicherung auf den Todes- oder Lebensfall), Kranken-, Invaliditäts-, Alters-, Witwen-, Waisen-, Aussteuer-, Wehrdienst- (Spar-)versicherung und ähnlichen Versicherungen 2 vom Hundert des Versicherungsentgelts,
2. bei den anderen Versicherungen mit Ausnahme der im Absatz 2 bezeichneten Versicherungen 5 vom Hundert des Versicherungsentgelts."
Vergleicht man diese Vorschrift mit § 4 Nr. 5 und § 6 Abs. 1 VersStG 1959, so spricht vieles dafür, daß der Gesetzgeber des Verkehrsteueränderungsgesetzes 1959 die bisher in § 6 Abs. 1 Nr. 1 VersStG begünstigten Fälle durch § 4 Nr. 5 VersStG 1959 befreien wollte; es gibt keinen Anhalt dafür, daß er bisher begünstigte Fälle dem vollen Steuersatz des § 6 Abs. 1 VersStG 1959 unterwerfen wollte. Vielmehr hatte die Regierungsvorlage (3. Bundestag Drucksache 262) § 6 VersStG unberührt lassen und nur die Freigrenzen des § 4 Nr. 2 VersStG 1937 erhöhen wollen, aber weitergehenden (nicht einschlägigen) Anregungen des Bundesrates (Anlage 2 Drucksache 262) widersprochen (Anlage 3 Drucksache 262). Die zum Gesetz gewordenen Fassungen des § 4 Nr. 5 und des § 6 Abs. 1 VersStG beruhen auf den Beschlüssen des Finanzausschusses des Bundestags (Bericht 3. Bundestag Drucksache 794). Bei der zweiten (und dritten) Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften in der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1959 (Prot. S. 3298 ff.) war nur von einer Herabsetzung der Versicherungsteuerbelastung, nicht aber von deren Erhöhung die Rede.
Nachdem der Bundesrat wegen der Steuerausfälle dem Gesetz die Zustimmung verweigert hatte (3. Bundestag Drucksache 916), rief die Bundesregierung den Vermittlungsausschuß an (3. Bundestag Drucksache 924) mit dem Vorschlag, u. a. von einer Änderung des § 6 VersStG abzusehen und die Befreiung des § 4 VersStG enger zu halten. Der Vermittlungsausschuß hat zur Versicherungsteuer keine Änderung des am 18. Februar 1959 gefaßten Gesetzesbeschlusses vorgeschlagen, sondern die Steuerausfälle durch eine geringere Herabsetzung des Gesellschaftsteuersatzes vermindert (3. Bundestag Drucksache 997).
In der erneuten Beratung des Bundestags am 22. April 1959 sprach der Berichterstatter des Vermittlungsausschusses von der Befreiung von Lebensversicherungsverträgen im Hinblick auf den Anreiz zum Sparen und von Krankenversicherungsverträgen aus "vorwiegend sozialen Gesichtspunkten" (Prot. 3649 B); zur Fassung der Vorschrift nahm er nicht Stellung. Bundestag (Prot. 3649 C) und Bundesrat (Drucksache 154/59 Beschluß) haben entsprechend dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses beschlossen.
Für die beschlossene Fassung des § 4 Nr. 5 VersStG ist demnach weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte nach zweifelhaft, daß die Zahlung des Versicherungsentgelts für Lebensversicherungen und für Krankenversicherungen von der Besteuerung ausgenommen sind. Dagegen ergibt die Entstehungsgeschichte nicht deutlich, daß nur Lebensversicherungen im versicherungstechnischen Sinne und Krankenversicherungen von der Steuer befreit sein sollten. Der Wortlaut der Vorschrift, welcher der Auslegung zunächst zugrunde zu legen ist, kann eine solche Einschränkung nicht belegen. Denn eine solche Begrenzung wäre einfacher und klarer dadurch zum Ausdruck gekommen, daß die Lebensversicherung und die Krankenversicherung (in den Formen der Krankentagegeldversicherung und der Krankheitskostenversicherung) als solche angesprochen worden wären. Vergleicht man die zum Gesetz gewordene Fassung des federführenden Ausschusses mit der Fassung der Regierungsvorlage (s. 3. Bundestag Drucksache 194), so ist von einem weitreichenden Befreiungswillen der gesetzgebenden Körperschaften auszugehen. Es ist also dem Kläger nicht zu widerlegen, daß auch die zuvor in § 6 Abs. 1 Nr. 1 VersStG (Fassung 1944/1947) begünstigten "ähnlichen Versicherungen" befreit werden sollten.
Die von dem Kläger betriebenen Versicherungen waren bei sinngemäßer Betrachtung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 VersStG a. F. (1947) einer Lebensversicherung ähnlich.
Zu demselben Ergebnis war bereits der RFH in dem Urteil II A 328/36 vom 10. September 1937 (RStBl 1937, 1259) unter Aufgabe seines früheren Standpunktes (Urteile II A 177/23 vom 26. Oktober 1923, RFH 13, 34; II A 56/31 vom 24. Februar 1931, RStBl 1931, 563; II A 139/33 vom 6. September 1933, RFH 34, 72) gelangt. Der dort gegebenen Begründung, die Frage, welcher Versicherungszweig oder welche Versicherungsart vorliege, sei danach zu beantworten, gegen welche Gefahren die Versicherung genommen sei, nicht aber danach, welche Schäden durch die Versicherung gedeckt seien, kann allerdings nicht gefolgt werden. Denn dieser Unterschied kennzeichnet zwar die einzelnen Zweige der Schadensversicherung (Urteil II A 222/29 vom 7. Mai 1929, RFH 25, 126), trifft aber nicht die Unterscheidung zwischen den beiden Hauptgruppen, nämlich der Schadensversicherung und der Personenversicherung (§ 1 Abs. 1 VVG). Dieser liegt vielmehr darin, ob der Versicherer individuelle Vermögensnachteile abzudecken oder im Versicherungsfall bestimmte Summen ohne Rücksicht auf den wirklichen Vermögensnachteil zu leisten hat. Die andere Begriffsbildung, welche der Auslegung des § 4 Nr. 5 VersStG 1959 zugrunde zu legen ist, ist durch die besondere Ausdrucksweise dieser Vorschrift bedingt und für die an Ausdrücke des VVG anknüpfende Diktion des § 6 Abs. 1 Nr. 9 VersStG 1937 unerheblich. Auch das Urteil des BGH IV ZR 776/68 vom 24. September 1969 (Versicherungsrecht 1969 S. 1036) widerspricht nicht dieser Auffassung, weil es die Krankheitskostenversicherung, obwohl es sie als Personenversicherung bezeichnet, den Vorchriften der Schadensversicherung unterstellt.
Die bürgerlich-rechtliche Qualifikation ist jedoch nicht allein maßgebend. Vielmehr werden Begünstigungen auch des Verkehrsteuerrechts durch ihren Wortlaut, ihren Sinn und ihren Zweck im Zusammenhang des Gesetzes bestimmt, und sie können demzufolge, soweit sie wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen sollen, auch durch diesen wirtschaftlichen Zweck ausgefüllt werden (vgl. Urteil des BFH II 232/65 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 572 [574], BStBl III 1967, 507).
Betrachtet man die maßgebende Tarifvorschrift des § 6 VersStG i. d. F. von 1944, so spricht nur wenig dafür, daß sie bestimmte Versicherungen allein um ihrer rechtlichen Qualität willen begünstigen wollte. Ihr Zweck ist offenbar, dem in Lebensversicherungen (unter besonderer Hervorhebung der Invaliditäts-, Alters-, Witwen- und Waisenversicherungen) und Krankenversicherungen (damals auch noch Sparversicherungen) hervortretenden Versorgungsbedürfnis entgegenzukommen. Dieser Gesichtspunkt greift auch hier ein.
Die vorliegenden Versicherungen schützen zwar rechtlich nur die Mitglieder des Klägers, nicht aber unmittelbar deren Betriebsangehörige (und deren Hinterbliebene). Sie sind aber doch dazu bestimmt, den Mitgliedern des Klägers zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihren Betriebsangehörigen Versorgungszusagen zu machen und zu erfüllen. Dazu sind sie auch geeignet; sie unterstützen damit den gleichen Erfolg wie eine unmittelbare Invaliditäts-, Alters-, Witwen- und Waisenversicherung für die Betriebsangehörigen der Mitglieder. Auch die Versicherungen selbst (in ihrer versicherungsvertragsrechtlichen Struktur) enthalten wesentliche Elemente einer Lebensversicherung. Unter dem Schutzzweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1 VersStG i. d. F. der Verordnung vom 31. August 1944 (RGBl I 1944, 208) gesehen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 9 VersStG 1937) wären folglich die bei dem Kläger genommenen Versicherungen den Invaliditäts-, Alters-, Witwenund Waisenversicherungen "ähnliche Versicherungen". Das gilt um so mehr, als der - mangels einer solchen Ergänzungsklausel allein rechtstechnisch auszulegende und deshalb hier nicht anwendbare - § 4 Nr. 5 VersStG 1937 Versicherungen, die bei einer Pensions-, Witwenoder Waisenkasse auf Grund eines Arbeitsverhältnisses genommen sind, schlechthin von der Versicherungsteuer ausnahm.
Die Entstehungsgeschichte bestätigt somit das - bei unscharfer Begriffsbildung des Gesetzgebers für sich allein nicht zwingende - Ergebnis der Wortauslegung. Die Versicherungsentgelte für die bei dem Kläger genommenen Versicherungen sind demnach gemäß § 4 Nr. 5 VersStG 1959 von der Versicherungsteuer befreit.
Fundstellen
Haufe-Index 69490 |
BStBl II 1971, 546 |
BFHE 1971, 316 |