Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem VermG bei Rückübertragung ohne behördliches Handeln auf ausschließlich rechtsgeschäftlicher Grundlage
Normenkette
VermG § 34 Abs. 1-3, § 31 Abs. 1a, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Alle Anteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), hält die A-GmbH, deren Anteile wiederum sämtlich vom B gehalten werden.
Die Klägerin erwarb durch Kaufvertrag vom 13. Dezember 1994 mehrere Grundstücke in M (Beitrittsgebiet) zu einem Kaufpreis von … DM. Hinsichtlich dieser Grundstücke hatte der B Restitutionsansprüche geltend gemacht, die von der früheren Treuhandanstalt als treuhänderischer Verwalterin dieser Grundstücke bestritten worden waren. Die diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten wurden durch eine "Rahmenvereinbarung" vom 6. Juni 1994 beigelegt, wonach die Treuhandanstalt zum Verkauf u.a. der oben bezeichneten Grundstücke an die Klägerin verpflichtet war.
Für diesen Grunderwerb setzte das seinerzeit zuständige Finanzamt X durch Bescheid vom 10. Januar 1996 nach einer Gegenleistung von … DM Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, der Erwerbsvorgang sei nach § 34 Abs. 3 des Vermögensgesetzes (VermG) in seiner am 13. Dezember 1994 geltenden Fassung steuerfrei, blieben ohne Erfolg.
Das für die Entscheidung über den Einspruch zuständige Finanzamt Y ging zwar davon aus, dass durch die Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG der B als Rechtsnachfolger des C anzusehen seien, weil B nach Organisationsstatuten diesem entsprächen und dessen seinen Aufgaben und Funktionen wahrnähmen. Die Klägerin gehöre als rechtlich selbstständiger Rechtsträger aber nicht zum begünstigten Personenkreis.
Das Finanzgericht (FG) sah hingegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung schon deshalb nicht als erfüllt an, weil die Rückübertragung ohne behördliches Handeln auf ausschließlich rechtsgeschäftlicher Grundlage und damit nicht "nach diesem Gesetz" (Vermögensgesetz) erfolgt sei. Das angefochtene Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1554 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 34 Abs. 3 VermG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Juni 2002 2 K 172/97 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 10. Januar 1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. März 1997 aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 0 DM festzusetzen.
Das Finanzamt Y beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens ist es zu einem weiteren gesetzlichen Beteiligtenwechsel gekommen. Beklagter und Revisionsbeklagter ist nunmehr das Finanzamt Z (FA).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der Auffassung des FG, der von der Klägerin verwirklichte Grunderwerb sei deswegen nicht i.S. von § 34 Abs. 3 VermG "nach dem Vermögensgesetz erfolgt", weil dem Erwerb keine Entscheidung der nach dem Vermögensgesetz zuständigen Behörde zugrunde liege, vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach § 34 Abs. 3 VermG sind Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Erben hinsichtlich der "nach diesem Gesetz erfolgenden Grundstückserwerbe" von der Grunderwerbsteuer befreit. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Oktober 1994 II R 37/94 (BFHE 176, 59, BStBl II 1995, 205) ausgeführt hat, "erfolgt ein Grundstückserwerb nach diesem Gesetz" (Vermögensgesetz) nicht nur in den Fällen, in denen das Eigentum am Grundstück unmittelbar aufgrund eines Verwaltungsakts außerhalb des Grundbuchs übergeht (§ 34 Abs. 1 VermG), sondern darüber hinaus auch dann, wenn nach § 31 Abs. 5 Satz 3 VermG ein Verwaltungsakt nach einer gütlichen Einigung ergeht, oder auch bei einer während eines anhängigen Verfahrens nach dem Vermögensgesetz aufgrund gütlicher Einigung zwischen den Beteiligten erfolgten rechtsgeschäftlichen Grundstücksrückübertragung. Begründet hat der Senat dies mit den Regelungen in § 31 Abs. 5 Satz 1 und § 31 Abs. 1 a VermG. Das Verfahren nach dem Vermögensgesetz sei danach --über die jedem streitentscheidenden Verwaltungsverfahren innewohnende Tendenz hinaus-- in besonderem Maß auf die Erzielung von gütlichen Einigungen und Vergleichen angelegt. Dieser eindeutigen Zielsetzung des Gesetzes widerspreche es, wenn dem Berechtigten daraus ein grunderwerbsteuerrechtlicher Nachteil entstünde, dass ein erzielter Vergleich (zivilrechtlich) vertraglich abgewickelt werde.
An dieser Auffassung hält der Senat fest. Soweit das FG zur Begründung seiner davon abweichenden Auffassung ausführt, dass es nicht im Belieben der an dem Rückübertragungsfall Beteiligten stehen dürfe, das Vorliegen der nach dem Vermögensgesetz geforderten Voraussetzungen durch die zuständigen Behörden oder durch das FA im Rahmen der Grunderwerbsteuerfestsetzung prüfen zu lassen, überzeugt dies nicht. Denn dem § 34 Abs. 3 VermG kann nicht entnommen werden, dass etwa aus verwaltungs- oder verfahrensökonomischen Gründen die Beurteilung der für die Restitutionsentscheidung zuständigen Behörde auch für die Finanzbehörde, die über die Grunderwerbsteuerbefreiung zu befinden hat, vorgreiflich oder gar bindend ist. Zwar wird das FA sich im Regelfall der Beurteilung der für die Restitutionsentscheidung zuständigen Behörde anschließen; gleichwohl bleibt die Prüfung, ob es sich bei dem Grundstückserwerber um eine Person handelt, deren zurückerworbenes Grundstück von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen ist oder war, eine eigene desjenigen Finanzamts, das über die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG zu befinden hat. Machen die Restitutionsbeteiligten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Rückübertragung ohne behördliche Mitwirkung rechtsgeschäftlich abzuwickeln, hat deshalb das FA --allerdings ohne die Möglichkeit der Anlehnung an die Entscheidung einer anderen Behörde-- das Vorliegen der Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung zu prüfen.
Die vom FG vertretene Auffassung widerspricht der vom Vermögensgesetz angestrebten Förderung der gütlichen Einigung außerhalb des behördlichen Restitutionsverfahrens, soweit den Beteiligten die Grunderwerbsteuerbefreiung versagt wird, wenn sie die Rückübertragung rechtsgeschäftlich und damit ohne behördliche Mitwirkung durchführen. Sie steht auch der Zielsetzung des § 34 Abs. 3 VermG entgegen, die zahlreichen Rückübertragungen von Grundstücken an die Berechtigten (§ 2 VermG) im Zuge des Beitritts der neuen Bundesländer nicht durch die Erhebung von Grunderwerbsteuer zu belasten und zu behindern.
Auch soweit das Vermögensgesetz in § 34 Abs. 2 Satz 3 die Befreiung von den Gebühren für das Grundbuchverfahren nur in den Fällen gewährt, in denen der Eigentumsübergang durch behördliches Handeln erfolgt und es damit nur noch einer Berichtigung des Grundbuchs bedarf, ergibt sich daraus nicht, dass auch die Grunderwerbsteuervergünstigung nach Abs. 3 auf die Fälle behördlicher Mitwirkung bei der Rückübertragung beschränkt sein sollte. Der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 VermG lassen einen derartigen Rückschluss nicht zu.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, dass die Steuerbefreiung bereits wegen fehlender behördlicher Mitwirkung bei der Rückübertragung nicht gewährt werden könne, hat das FG keine Feststellungen getroffen, die dem erkennenden Senat die Prüfung ermöglichen, ob im Streitfall die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 VermG gewährt werden kann. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Die Beklagtenseite hat bereits in der Einspruchsentscheidung zugestanden, dass der B als Berechtigter i.S. von § 2 VermG anzusehen ist. Soweit dort die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 VermG mit der Begründung versagt wurde, die Klägerin sei als selbstständiger Rechtsträger selbst nicht berechtigt i.S. von § 2 VermG, teilt der Senat diese Auffassung allerdings nicht. Vielmehr steht es der Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG nicht entgegen, dass der als nichtrechtsfähiger Verein organisierte B --wie bereits der von den Maßnahmen i.S. von § 1 Abs. 6 VermG betroffene D-- sich zum Halten seines Grundbesitzes wegen fehlender eigener Grundbuchfähigkeit einer (rechtlich selbstständigen) Kapitalgesellschaft bedient. Insofern handelt es sich bei der Klägerin um eine Nachfolgeorganisation der früheren Grundstücksverwaltungsgesellschaften und Vermögensträger des D und damit ebenfalls um eine Berechtigte i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
Fundstellen