Steuerbefreiung beim Grundstückserwerb aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben
Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben
Nach § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG ist von der Besteuerung der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben von der einen auf die andere juristische Person des öffentlichen Rechts übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Die Vorschrift findet auch auf die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts Anwendung, da diese dem Erwerb eines Grundstücks gleichsteht
Sachverhalt: Universität bestellt Erbbaurecht für Studierendenwerk
Die Klägerin ist ein Studierendenwerk mit Sitz in A in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie wurde durch die vorläufige Satzung des Studentenwerkes aus dem Jahr 1991 und das Studentenwerksgesetz aus dem Jahr 1993 errichtet. Seither obliegt ihr die Aufgabe der Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen.
Die Klägerin bewirtschaftet u. a. ein Studierendenwohnheim in der XY Straße in A. Zur Zeit der DDR stand das Grundstück im Eigentum des Volkes. Rechtsträger war der Rat der Stadt A. Seit dem Jahr 1971 wurde das Grundstück überwiegend als Studierendenwohnheim genutzt. Nachdem im Jahr 1991 zunächst die Stadt A als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden war, wurde das Grundstück im Jahr 2003 auf die Universität der Stadt A (Universität) übertragen. Diese bestellte im Jahr mit notarieller Urkunde ein Erbbaurecht zugunsten der Klägerin an dem Grundstück. Die Bestellung des Erbbaurechts erfolgte zum Zweck der Errichtung und des Betreibens von Studierendenwohnheimen und mit diesen im Zusammenhang stehenden Nebeneinrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Aufgabe der Klägerin.
Wegen der Bestellung des Erbbaurechts setzte das Finanzamt (FA) Grunderwerbsteuer fest. Mit dem gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, ihr Erwerb sei nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom FG abgewiesen.
Entscheidung: BFH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz
Der BFH entscheidet, dass das FG zutreffend entschieden hat, dass die Bestellung des Erbbaurechts zugunsten der Klägerin ein steuerbarer Vorgang und nicht nach § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist.
Erbbaurechtsbestellung ist steuerbarer Vorgang
Der notariell beurkundete Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts zugunsten der Klägerin sei ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Vorgang. Nach dieser Vorschrift unterliege der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründe. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stünden Erbbaurechte den Grundstücken gleich, sodass auch deren Bestellung der Grunderwerbsteuer unterliege.
Keine Befreiung von der Grunderwerbsteuer
Die Regelung des § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG begünstige den Grundstückserwerb zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Nach ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck solle sie den Wechsel des Trägers einer (öffentlich-rechtlichen) Aufgabe von der Belastung mit Grunderwerbsteuer freihalten, sofern mit diesem Trägerwechsel auch ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an Grundstücken verbunden sei. Die Regelung bezwecke hingegen nicht, eine Besteuerung der öffentlichen Hand generell zu begrenzen und den Steuerzugriff nur zur Sicherung der Wettbewerbsneutralität zuzulassen. Eine Steuerbefreiung gewähre § 4 Nr. 1 GrEStG vielmehr nur, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – der Grundstückserwerb aus Anlass eines Aufgabenübergangs von der einen juristischen Person des öffentlichen Rechts auf die andere erfolge.
Dieser Veranlassungszusammenhang fehle jedenfalls dann, wenn die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Eigentum an dem Grundstück bei der juristischen Person des öffentlichen Rechts, die das Grundstück übertrage, zu keinem Zeitpunkt zusammengefallen seien. Das Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG „aus Anlass“ setze voraus, dass sich die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Grundstückseigentum vor deren Übergang auf die andere juristische Person des öffentlichen Rechts einmal zeitgleich in der Hand der übertragenden juristischen Person des öffentlichen Rechts befunden hätten. Eine Grundstücksübertragung könne nicht anlässlich eines Aufgabenübergangs i. S. v. § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG stattfinden, wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen Rechts niemals zugleich Inhaberin der öffentlich-rechtlichen Aufgabe und der Eigentumsrechte an dem der Erfüllung dieser Aufgabe dienenden Grundstück gewesen sei.
Nach diesen Grundsätzen habe das FG zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG bei der Bestellung des Erbbaurechts im Jahr 2011 nicht vorgelegen hätten. Die Universität habe zu keinem Zeitpunkt zeitgleich das Eigentum an dem mit dem Studierendenwohnheim bebauten Grundstück und die öffentlich-rechtliche Aufgabe der Bewirtschaftung dieses Studierendenwohnheims inne gehabt. Die Klägerin bewirtschafte das Studierendenwohnheim seit ihrer Gründung durch die vorläufige Satzung des Studentenwerkes. Ob die Universität vor dem Inkrafttreten der Satzung mit der Aufgabe der Bewirtschaftung des Studierendenwohnheims betraut gewesen sei, könne daher dahinstehen, da sie das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück erstmals im Jahr 2003 erworben habe. Die Erbbaurechtsbestellung im Jahr 2011 könne daher nicht aus Anlass der Aufgabenzuweisung an die Klägerin i. S. d. § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG erfolgt sein.
Hinweis: Etwaige Aufgabenzuweisung durch DDR-Vorschriften unerheblich
Unerheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits sei die Frage, ob der Universität durch die vom Ministerrat der DDR erlassenen Vorschriften die Aufgabe der Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen zugewiesen worden sei. Selbst wenn dies – entgegen der Auslegung des FG, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sei - der Fall gewesen wäre, habe die Universität das Eigentum an dem Grundstück im Jahr 2003 erst zu einem Zeitpunkt erlangt, zu dem die Aufgabe der Bewirtschaftung des Studierendenwohnheims bereits – seit dem Jahr 1991 – bei der Klägerin gelegen habe.
BFH, Urteil v. 28.2.2024, II R 45/21, veröffentlicht am 1.8.2024
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