Grunderwerbsteuer bei Grundstückserwerb im Umlegungsverfahren

Der Eigentumserwerb an Grundstücken durch einen interkommunalen Zweckverband im Rahmen einer Umlegung ist nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn der Zweckverband nicht als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen hat.

Der Grundstückserwerb des Zweckverbandes ist auch nicht aufgrund einer interpolierenden Zusammenschau der Befreiungstatbestände von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i. V. m. § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei zu stellen.

Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben

Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang in diesem Sinne ist auch der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück im Rahmen eines Umlegungsverfahrens nach §§ 45 ff. BauGB, soweit die einem Beteiligten zugeteilten Grundstücke nicht mit den ihm schon bisher gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich sind. Zwar tritt die neue im Umlegungsplan zugewiesene Grundstücksfläche als Surrogat an die Stelle des alten Grundstücks mit der Folge, dass sich das Eigentum an dem neu zugeteilten Grundstück ungebrochen fortsetzt.

Gleichwohl liegt darin ein die Steuer auslösender Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne, da sich das Eigentum nunmehr auf einen anderen abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht, sodass es im Hinblick auf ein (tatsächliches) Grundstück zu einem Wechsel der eigentumsmäßigen Zuordnung kommt. An einem grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang fehlt es lediglich dann, wenn und soweit das Zuteilungsgrundstück mit dem Einwurfgrundstück identisch, d. h. flächen- und deckungsgleich ist, da in einem solchen Fall auch grunderwerbsteuerrechtlich kein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich eines Grundstücks stattgefunden hat.

Sachverhalt: Kläger leitete Umlegungsverfahren ein

Der Kläger ist ein durch drei Kommunen gebildeter Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR). Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, ein künftiges Gewerbegebiet mit einer Größe von etwa 24 ha zu planen und zu erschließen sowie die hierfür notwendigen Grundstücke zu erwerben und zu vermarkten. Eigentümer der im Planungsgebiet gelegenen Grundstücke waren ganz überwiegend Privatpersonen. Den am Zweckverband beteiligten Gemeinden gehörten ca. 3,5 ha der Gesamtfläche. Der Kläger selbst hatte vor der später erfolgten Umlegung kein Grundstückseigentum im Zweckverbandsgebiet.

Im Jahr 2013 leitete der Kläger ein Umlegungsverfahren gemäß §§ 45 ff. BauGB ein, in das die Gemeinden und die Privateigentümer ihre Grundstücke einbrachten. Am 16.12.2013 stellte er einen Umlegungsplan mit dem in Aussicht genommenen neuen Zuschnitt der eingebrachten Grundstücke auf. Mit Inkrafttreten des Umlegungsplans im Januar 2014 wurde dem Kläger gemäß § 72 BauGB das Eigentum an einer Grundstücksfläche von insgesamt 23,93 ha im Umlegungsgebiet zugewiesen. Die früheren Grundstückseigentümer erhielten zum Ausgleich für den Verlust ihres Eigentums entsprechende Ausgleichszahlungen i. S. d. § 59 Abs. 2 und 4 BauGB.

Das Finanzamt (FA) legte bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer als Bemessungsgrundlage die vom Kläger geleisteten Ausgleichszahlungen zugrunde.

Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhob der Kläger Klage. Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid und setzte die Grunderwerbsteuer herab. Dies beruhte darauf, dass das FA den Grundstückserwerb von den Gemeinden nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Steuer freistellte und hinsichtlich des Grundstückserwerbs von den Privateigentümern von geringeren Ausgleichszahlungen des Klägers als Bemessungsgrundlage ausging.

Die von dem Kläger gegen den Änderungsbescheid fortgeführte Klage wies das FG ab.

Entscheidung: BFH weist Revision als unbegründet zurück

Der BFH entscheidet, dass die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen sei, dass der im Wege der Umlegung erfolgte Grundstückserwerb des Klägers der Grunderwerbsteuer unterliege. Eine Steuerbefreiung komme weder aufgrund von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG noch aufgrund von § 4 Nr. 1 GrEStG noch aufgrund einer wertenden Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i. V. m. § 4 Nr. 1 GrEStG in Betracht.

Kläger erlangte mit Bekanntgabe des Umlegungsplans Eigentum

Der Kläger habe mit der Bekanntmachung des Umlegungsplans kraft Gesetzes nach § 71 Abs. 1 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB Eigentum an den ihm zugeteilten Grundstücken erlangt, ohne dass ein Rechtsgeschäft, das einen Übereignungsanspruch begründe, vorausgegangen sei, und ohne dass es einer Auflassung bedurft habe. Dieser Vorgang habe zu einem Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne geführt. Der Kläger habe von vorneherein kein Einwurfgrundstück in die Umlegungsmasse eingebracht. Daher könnten die von ihm erworbenen Grundstücke nicht mit ihm bereits vor Durchführung des Umlegungsverfahrens gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich gewesen sein.

Steuerbefreiung greift nicht

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG sei der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbare Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem BauGB von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter sei.

Die nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer erforderliche Voraussetzung, dass der Erwerber an dem Umlegungsverfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks teilgenommen haben müsse, sei im Streitfall nicht erfüllt. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger angesichts seiner Übernahme planerischer Aufgaben von den Gemeinden nach § 205 Abs. 4 BauGB als Beteiligter des Umlegungsverfahrens i. S. d. § 48 Abs. 1 Nr. 4 BauGB angesehen werden könne, denn jedenfalls hat er nicht als Eigentümer eines Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen. Der Umstand, dass die an dem Kläger beteiligten Gemeinden selbst Grundstücke in das Umlegungsverfahren eingebracht hätten, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger sei als KdöR ein eigenständiges Rechtssubjekt und daher auch in grund-erwerbsteuerrechtlicher Hinsicht als selbständiger Rechtsträger zu betrachten. Für eine Zurechnung der im Eigentum der Gemeinden stehenden Grundstücke an den Kläger fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Erweiternde Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift nicht geboten

Eine erweiternde Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes werde von der Rechtsprechung des BFH nur dann für zulässig erachtet, wenn aufgrund des unklaren Wortlauts der Vorschrift eine Regelungslücke anzunehmen sei und eine wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne.

Eine erweiternde Anwendung der Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG auf Fälle, in denen ein neuer Eigentümer nicht als Eigentümer von im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücken am Umlegungsverfahren beteiligt gewesen sei, komme nicht in Betracht.

Der Zweck des Umlegungsverfahrens nach §§ 45 ff. BauGB, welches seinem Wesen nach ein förmliches und zwangsweises Grundstückstauschverfahren darstelle, bestehe darin, für erforderliche städtebauliche Neu- und Umstrukturierungen ein öffentlich-rechtliches Instrumentarium bereitzustellen, um die Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse notfalls durch hoheitlichen Zwang umzugestalten.

Wie insbesondere die Regelung in § 59 Abs. 1 BauGB zeige, erfolgten die Zuteilungen aus der Umlegungsmasse grundsätzlich nur an die im Umlegungsverfahren beteiligten Grundstückseigentümer, die im Austausch für die von ihnen eingebrachten Grundstücke neue Grundstücksflächen erhielten, an denen sich ihr Eigentum – entsprechend dem Surrogationsgedanken – ohne inhaltliche Änderung fortsetze. Zuteilungen aus der Umlegungsmasse an außenstehende Dritte, die nicht nach § 48 Abs. 1 BauGB am Umlegungsverfahren beteiligt seien, seien dagegen nicht vorgesehen.

An den Charakter der Umlegung als Grundstückstauschverfahren, das für die am Verfahren beteiligten Grundstückseigentümer zu einer Eigentumsumformung führe, knüpfe ersichtlich auch die Vorschrift in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG an, indem sie regele, dass zur Gewährung der Steuerbefreiung der neue Eigentümer im Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks beteiligt sein müsse. Dieser für die Ausnahme von der Besteuerung wesentliche Umstand entfiele, wenn das Eigentum im Umlegungsverfahren steuerfrei auf einen Rechtsträger übergehen könnte. Insofern führe, wie das FG zu Recht entschieden habe, die wortgetreue Auslegung der Vorschrift nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein könne, sondern vielmehr entspreche dieses gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Durchführung eines Umlegungsverfahrens durch einen interkommunalen Zweckverband nicht gesehen und bei Kenntnis der Lücke ggf. eine entsprechende Steuerbefreiung für solche Fälle normiert hätte, lägen nicht vor.

Keine Steuerbefreiung aufgrund Zusammenschau von Befreiungstatbeständen

In der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass auch in den Fällen, in denen der Erwerbsvorgang für sich genommen keinen Befreiungstatbestand erfülle, gleichwohl die Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften oder die mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung im Wege der Zusammenschau eröffnen könne, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck komme. Die Zusammenschau komme insbesondere dann in Betracht, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Leistungsweg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären. Modell des abgekürzten Leistungswegs sei das Dreiecksverhältnis der Anweisung (§§ 783 ff. BGB), in dem der Anweisende den Angewiesenen veranlasse, eine Leistung nicht an ihn, den Anweisenden, sondern an einen Dritten, den Anweisungsempfänger, zu erbringen.

Dieser Auslegungsmethode der interpolierenden Betrachtung seien allerdings Schranken gesetzt. So dürfe diese stets nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen. Sie dürfe auch nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen. Des Weiteren dürfe kein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vorliegen.

Eine Steuerbefreiung aufgrund einer Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG und § 4 Nr. 1 GrEStG scheide danach im Streitfall aus.

Der tatsächliche Übergang der Grundstücke sowohl von den Gemeinden als auch von den Privateigentümern im Wege der Umlegung auf den Kläger stelle sich im Verhältnis zu der vom Kläger aufgezeigten Alternativgestaltung – eine bereits vor Beginn des Umlegungsverfahrens durchgeführte Übertragung der im Eigentum der Gemeinden befindlichen Grundstücke auf den Kläger, der sodann als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks die weiteren Grundstücke der Privateigentümer hätte erwerben können – nicht als abgekürzter Weg dar. Es fehle bereits an dem einem abgekürzten Weg typischerweise zugrunde liegenden Dreiecksverhältnis. An dem Umlegungsverfahren hätten zwar der Kläger, die jeweiligen Mitgliedsgemeinden und die privaten Dritten teilgenommen. Jedoch hätten die Mitgliedsgemeinden (als mögliche Angewiesene) nicht aufgrund einer Anweisung des Klägers (als möglicher Anweisender) eine Leistung in Gestalt einer Übertragung der Grundstücke an die privaten Dritten (als mögliche Anweisungsempfänger) erbracht. Vielmehr hätten sie die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke in eigenem Namen und auf eigene Rechnung in das Umlegungsverfahren eingebracht und seien die eingebrachten Grundstücke daraufhin unmittelbar kraft Gesetzes an den Kläger übertragen worden (vgl. § 72 Abs. 1 BauGB).

Hinzu komme, dass der vor Beginn des Umlegungsverfahrens unterbliebene Erwerb der zuvor im Eigentum der Gemeinden befindlichen Grundstücke durch den Kläger nicht einen Zwischenerwerb der im Eigentum der privaten Dritten stehenden Grundstücke beim Kläger bewirkt hätte, sodass insoweit ebenfalls kein abgekürzter Leistungsweg gegeben sei. Beide Erwerbsvorgänge knüpften vielmehr an unterschiedliche Grundstücke an. Insofern liege in der aufgezeigten Alternativgestaltung im Verhältnis zu der tatsächlich gewählten Übertragung kein "verlängerter Leistungsweg", sondern vielmehr eine andere Sachverhaltsgestaltung, die für die Besteuerung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben habe. Dies gilt auch für die weitere vom Kläger beschriebene Möglichkeit, dass nicht er, sondern die Gemeinden im Umlegungsverfahren das Eigentum an sämtlichen Grundstücken hätten erwerben und diese anschließend auf den Kläger steuerfrei hätten übertragen können. Denn diese beiden gedachten Erwerbsvorgänge stellten ebenfalls einen fiktiven Sachverhalt dar. Tatsächlich sei nicht dieser Weg und auch kein diesen abkürzender Leistungsweg, sondern ein anderer Leistungsweg gewählt worden. Dessen Besteuerung könne nicht durch diejenige eines fiktiven Sachverhalts ersetzt werden.

BFH, Urteil v. 15.5.2024, II R 4/22, veröffentlicht am 1.8.2024


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