Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Der Eigentumserwerb an Grundstücken durch einen interkommunalen Zweckverband im Rahmen einer Umlegung ist nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn der Zweckverband nicht als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen hat.
2. Der Grundstückserwerb des Zweckverbandes ist auch nicht aufgrund einer interpolierenden Zusammenschau der Befreiungstatbestände von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i.V.m. § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes steuerfrei zu stellen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b, § 4 Nr. 1 GrEStG 2014
Sachverhalt
Der Kläger war ein durch drei Kommunen gebildeter Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehörte es, ein künftiges Gewerbegebiet mit einer Größe von etwa 24 ha zu planen und zu erschließen sowie die hierfür notwendigen Grundstücke zu erwerben und zu vermarkten. Eigentümer der im Planungsgebiet gelegenen Grundstücke waren ganz überwiegend Privatpersonen. Den am Zweckverband beteiligten Gemeinden gehörten ca. 3,5 ha der Gesamtfläche. Der Kläger selbst hatte vor der später erfolgten Umlegung kein Grundstückseigentum im Zweckverbandsgebiet.
Im Jahr 2013 leitete der Kläger ein Umlegungsverfahren gemäß §§ 45ff. BauGB ein, in das die Gemeinden und die Privateigentümer ihre Grundstücke einbrachten. Am 16.12.2013 stellte er einen Umlegungsplan mit dem in Aussicht genommenen neuen Zuschnitt der eingebrachten Grundstücke auf. Mit Inkrafttreten des Umlegungsplans am 25.1.2014 wurde dem Kläger gemäß § 72 BauGB das Eigentum an einer Grundstücksfläche von insgesamt 23,93 ha im Umlegungsgebiet zugewiesen. Die früheren Grundstückseigentümer erhielten zum Ausgleich für den Verlust ihres Eigentums entsprechende Ausgleichszahlungen i.S.d. § 59 Abs. 2 und 4 BauGB.
Nachdem der Kläger dem FA den Umlegungsplan übersandt hatte, setzte dieses GrESt fest. Als Bemessungsgrundlage legte es die vom Kläger geleisteten Ausgleichszahlungen zugrunde.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 22.10.2020, 5 K 1676/15, Haufe-Index 15287946). Während des Klageverfahrens änderte das FA den GewSt-Bescheid, in dem es den Grundstückserwerb von den Gemeinden nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Steuer freistellte und hinsichtlich des Grundstückserwerbs von den Privateigentümern von geringeren Ausgleichszahlungen des Klägers als Bemessungsgrundlage ausging.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der Erwerb eines Grundstücks im Umlegungsverfahren nach §§ 45ff. BauGB unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der GrESt. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Eigentumswechsel an einem Grundstück auch dann der GrESt, wenn dem Eigentumsübergang am Grundstück kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Voraussetzung ist jedoch, dass die einem Beteiligten zugeteilten Grundstücke nicht mit den ihm schon bisher gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich sind, da nur in diesem Fall ein Rechtsträgerwechsel vorliegt.
2. Ausgehend hiervon hat das FG die Steuerbarkeit des Grundstückserwerbs des Klägers als Zweckverband gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG zu Recht bejaht. Der Zweckverband hat mit der Bekanntmachung des Umlegungsplans kraft Gesetzes gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB Eigentum an den ihm zugeteilten Grundstücken erlangt, ohne dass ein Rechtsgeschäft, das einen Übereignungsanspruch begründet, vorausgegangen ist, und ohne dass es einer Auflassung bedurft hat. Dieser Vorgang führte zu einem Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne. Der Zweckverband hat von vornherein kein Einwurfgrundstück in die Umlegungsmasse eingebracht. Daher können die von ihm erworbenen Grundstücke nicht mit ihm bereits vor Durchführung des Umlegungsverfahrens gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich gewesen sein.
3. Der Eigentumserwerb war nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG steuerfrei. Nach dieser Vorschrift ist der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbare Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz in seiner jeweils geltenden Fassung von der GrESt ausgenommen, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger als Zweckverband nicht als Eigentümer eines Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen hat. Der Umstand, dass die an dem Zweckverband beteiligten Gemeinden selbst Grundstücke in das Umlegungsverfahren eingebracht haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein eigenständiges Rechtssubjekt und daher auch in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht als selbstständiger Rechtsträger zu betrachten. Für eine Zurechnung der im Eigentum der Gemeinden stehenden Grundstücke an den Kläger fehlt es an einer R...