Leitsatz

Der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts erfolgt nicht aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben, wenn bei der übertragenden juristischen Person des öffentlichen Rechts zu keinem Zeitpunkt die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Eigentum an dem Grundstück zusammengefallen sind.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 1 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war ein Studierendenwerk in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihr oblag seit 1991 die Aufgabe der Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen. Die Universität hatte das Grundstück, auf dem das Studierendenwohnwerk errichtet war, im Jahr 2003 erworben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin bereits die öffentlich-rechtliche Aufgabe, das Studierendenwohnheim zu bewirtschaften. Im Jahr 2011 bestellte die Universität ein Erbbaurecht in Bezug auf das Grundstück zugunsten des Studierendenwerkes.

Diesbezüglich setzte das FA GrESt gegen die Klägerin fest. Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend machte, dass der Erwerb nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei sei, wurde vom FG abgewiesen (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.8.2021, 3 K 435/17).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Die Bestellung des Erbbaurechts zugunsten des Studierendenwerkes (Klägerin) war ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStGsteuerbarer Vorgang. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen der GrESt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stehen Erbbaurechte den Grundstücken gleich, sodass auch deren Bestellung der GrESt unterliegt.

2. Der Erwerb des Erbbaurechts durch das Studierendenwerk von der Universität war nicht nach § 4 Nr. 1 Alternative 1 GrEStG von der GrESt befreit. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben von der einen auf die andere juristische Person des öffentlichen Rechts übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Die Vorschrift findet auch auf die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts Anwendung, da diese dem Erwerb eines Grundstücks gleichsteht.

3. Eine Grundstücksübertragung kann jedoch nicht anlässlich eines Aufgabenübergangs i. S. v. § 4 Nr. 1 Alternative 1 GrEStG stattfinden, wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen Rechts niemals zugleich Inhaberin der öffentlich-rechtlichen Aufgabe und der Eigentumsrechte an dem der Erfüllung dieser Aufgabe dienenden Grundstück gewesen ist.

4. Danach waren im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Alternative 1 GrEStG nicht erfüllt. Die Universität hatte zu keinem Zeitpunkt zeitgleich das Eigentum an dem mit dem Studierendenwohnheim bebauten Grundstück und die öffentlich-rechtliche Aufgabe der Bewirtschaftung dieses Studierendenwohnheims inne. Die Klägerin bewirtschaftet das Studierendenwohnheim seit ihrer Gründung durch die Vorläufige Satzung des Studentenwerkes vom 8.3.1991. Die Universität erwarb das Grundstück erstmals im Jahr 2003. Die Erbbaurechtsbestellung im Jahr 2011 kann daher nicht aus Anlass der Aufgabenzuweisung an die Klägerin i. S. d. § 4 Nr. 1 Alternative 1 GrEStG erfolgt sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.2.2024 – II R 45/21

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