Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein doppelter Hausstand setzt regelmäßig eine gemeinsame Familienwohnung voraus. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn zwei Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand heiraten und jeder Ehegatte nach der Eheschließung in seiner Wohnung weiterlebt.
Kann ein Ehegatte wegen seines Dienstverhältnisses eine vorhandene Familienwohnung nicht beziehen, so können die ihm dadurch entstehenden Mehraufwendungen Werbungskosten sein.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20 Abs. 2
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Eheleute heirateten am 22. Juli 1960. Der Ehemann war Studienrat in A. und hatte dort eine 2 1/2 - Zimmer-Wohnung inne. Die Ehefrau stand als Gewerbeoberlehrerin im Dienst der Stadt B., wo sie im Haus ihrer Eltern eine abgetrennte Wohnung mit drei Zimmern, Küche und Bad besaß. Die Ehegatten behielten nach ihrer Eheschließung ihren Beruf und ihre Wohnungen bei. Eine Trennungsentschädigung erhielten sie von ihren Arbeitgebern nicht. Im Februar 1961 wurde ihnen ein Sohn geboren. Zum 1. Dezember 1961 mietete der Ehemann in A. eine 5-Zimmer-Wohnung, die er zunächst mit seinen Möbeln allein bewohnte, weil seine Ehefrau in B weiterhin berufstätig war. Zum 1. September 1962 gelang es der Ehefrau, in den Volksschuldienst in A. übernommen zu werden. Sie zog dann in die gemeinsame eheliche Wohnung.
In den Einkommensteuererklärungen für 1960 und 1961 machten die Bf. als Werbungskosten des Ehemannes geltend:
------------------------------ 1960 ---------- 1961 Zimmermiete in A. --------- 300,00 DM ----- 1.020,00 DM Licht, Heizung, Reinigung -- 60,00 DM ------- 624,00 DM Verpflegungsmehraufwand --- 400,00 DM ----- 2.224,00 DM Familienheimfahrten ------- 288,00 DM ------- 720,00 DM.Das Finanzamt erkannte die Werbungskosten für den Ehemann nicht an. Erhöhte Werbungskosten der Ehefrau für die Zeit ab 1. Dezember 1961 wirkten sich steuerlich nicht aus, weil sie den Werbungskosten-Pauschbetrag nicht überschritten.
Die Berufung hatte, soweit sie das Jahr 1961 betraf, teilweise Erfolg. Das Finanzgericht erkannte Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht an, da die Bf. nach der Eheschließung keinen Familienwohnsitz begründet hätten. Auch seien ihnen nach der Eheschließung keine Mehrkosten entstanden; allenfalls seien ihnen Ersparnisse entgangen, die sie bei gemeinsamer Haushaltsführung hätten machen können. Auch die 5-Zimmer-Wohnung, die der Ehemann gemietet habe, sei bis zum Jahre 1962 keine Familienwohnung gewesen, da sie nur mit den aus der Junggesellenzeit stammenden Möbeln des Ehemannes ausgestattet und für den Aufenthalt der Familie nicht geeignet gewesen sei. Das Finanzgericht erkannte jedoch die Kosten für die Fahrten des Ehemannes zu seiner Frau nach B. als Werbungskosten an, da die Ehegatten, wenn auch ohne gemeinsamen Haushalt, an verschiedenen Arbeitsorten gewohnt hätten und deshalb ein Anspruch auf Familienheimfahrten bestanden habe. Das Finanzgericht erkannte Werbungskosten von insgesamt 1.409 DM an.
Mit der Rb. rügen die Bf. außer der Nichtbeachtung des Weihnachtsfreibetrags von je 100 DM für 1961 vor allem, daß es dem Grundsatz der Gleichheit widerspreche, Ehegatten steuerlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie bei der Eheschließung eine gemeinsame Familienwohnung einrichteten, dann aber aus beruflichen Gründen getrennt leben müßten, oder ob sie aus beruflichen Gründen von vornherein gehindert seien, eine Familienwohnung zu begründen. Sie hätten beide als Ehegatten ihre beruflichen Einkünfte nur erzielen können, wenn sie getrennt wohnten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist für das Streitjahr 1960 nicht begründet, führt aber für das Streitjahr 1961 zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Die Ausgaben für Verpflegung und Wohnung sind im allgemeinen Kosten der Lebensführung und insoweit nach § 12 Ziff. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht abziehbar. Anders kann es aber liegen, wenn ein Arbeitnehmer ausschließlich oder ganz überwiegend durch seinen Beruf gezwungen ist, höhere Ausgaben dieser Art zu machen. Dann sind die Mehraufwendungen Werbungskosten, weil sie durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt sind (Urteil des Senats VI 79/60 S vom 2. März 1962, BStBl 1962 III S. 192, Slg. Bd. 74 S. 513). Mehraufwendungen dieser Art entstehen vor allem wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt führen muß. In zutreffender Auslegung des EStG führt Abschn. 26 LStR in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus, daß Werbungskosten gegeben seien, wenn ein Arbeitnehmer außerhalb des Ortes beschäftigt ist, an dem er seinen Hausstand unterhält und wenn ihm dadurch Mehraufwendungen entstehen, sofern ihm weder der Umzug noch die tägliche Rückkehr an den Ort des eigenen Hausstandes zugemutet werden kann.
Zu Recht hat das Finanzgericht einen doppelten Hausstand der Bf. im Sinne dieser Auslegung verneint. Wie der Senat bereits im Urteil VI 32/60 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 169, Slg. Bd. 72 S. 461) ausgeführt hat, ist ein doppelter Hausstand in der Regel anzuerkennen, wenn ein verheirateter Arbeitnehmer, der mit seiner Familie eine gemeinsame Wohnung hat, bei einer beruflichen Versetzung seine Familie zunächst in der bisherigen Familienwohnung zurückläßt und selbst am neuen Beschäftigungsort im Hotel oder in einem möblierten Zimmer wohnt, bis er eine geeignete Familienwohnung gefunden hat. Ein doppelter Hausstand ist aber nur gegeben, wenn bereits ein gemeinsamer Haushalt in einer Familienwohnung bestanden hat und es aus beruflichen Gründen erforderlich geworden ist, eine zweite Wohnung oder Unterkunft zu beschaffen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts haben die beschwerdeführenden Eheleute nach ihrer Verheiratung zunächst keinen gemeinsamen Haushalt in einer Familienwohnung geführt und haben einen solchen auch nicht führen können, weil jeder Ehegatte wie bisher seinem Beruf an seinem Wohnort weiter nachging. Da also weder in der Wohnung des Ehemannes noch in der der Ehefrau ein gemeinsamer Haushalt der Eheleute geführt worden ist, so daß jeder Ehegatte wie bisher in seiner Wohnung weitergelebt hat, so hat weder der Ehemann noch die Ehefrau einen doppelten Haushalt geführt. Auch haben die Ehegatten, deren Einkommen etwa gleich hoch ist, nicht zu den Kosten des Haushalts des anderen beigetragen. Wie das Finanzgericht mit Recht betont, sind den Ehegatten nach der Eheschließung zumindest bis zum 1. Dezember 1961 - abgesehen von den Fahrtkosten des Ehemannes nach B. - keine höheren Ausgaben entstanden als vor der Eheschließung. Allenfalls sind ihnen auf Grund gemeinsamer Haushaltsführung mögliche Ersparnisse entgangen. Jeder Ehegatte hat nach der Eheschließung so weitergelebt wie vorher.
Wenn also, wie dargelegt, ein doppelter Haushalt und durch den Beruf veranlaßte Mehrauslagen für Wohnung und Verpflegung für die Zeit ab der Verheiratung nicht allgemein anerkannt werden können, so ist doch nicht zu verkennen, daß den Eheleuten durch ihre berufliche Tätigkeit gewisse Mehraufwendungen entstanden sind. So hat das Finanzgericht die Kosten für die Fahrten des Ehemannes nach B. zu Recht als Werbungskosten anerkannt. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung VI 32/60 U (a. a. O.) ausgeführt hat, können, auch wenn ein doppelter Hausstand nicht vorliegt, durch das Arbeitsverhältnis veranlaßte Mehraufwendungen Werbungskosten sein. Hier waren die Ehegatten durch ihre Dienstverhältnisse zunächst gehindert, zusammenzuleben, bis sich für die Ehefrau eine geeignete Beschäftigung am geplanten Familienwohnsitz in A. fand. Solange das nicht möglich war, muß es als durch das Dienstverhältnis der Ehegatten veranlaßt anerkannt werden, daß der Ehemann seine Ehefrau, besonders vor und nach der Geburt des Kindes, besuchte.
Die höhere Miete für die Familienwohnung, die der Ehemann ab 1. Dezember 1961 gemietet hat, sowie die durch die Wohnung entstandenen Kosten für Licht, Heizung und Reinigung, sind indessen keine Werbungskosten des Ehemannes, wie die Bf. meinen. Die Miete für die Familienwohnung und die Kosten ihrer Unterhaltung sind typische Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können.
Auf der anderen Seite sind aber der Ehefrau durch ihr Dienstverhältnis Mehraufwendungen entstanden. Denn wenn sie nicht in ihrem Dienstverhältnis in B. geblieben wäre, hätte sie nach der Anmietung der Familienwohnung in A. zum 1. Dezember 1961 mit ihrem Kind zu ihrem Ehemann ziehen können. Das wurde nach den Feststellungen des Finanzgerichts nur dadurch verhindert, daß die Ehefrau noch nicht in den staatlichen Schuldienst in A. übernommen werden konnte. Während die Ehefrau vorher, weil eine Familienwohnung fehlte, nicht mit dem Ehemann zusammen leben konnte, war sie ab 1. Dezember 1961 allein aus beruflichen Gründen daran gehindert, jetzt die Familienwohnung zu beziehen. Als Mehraufwendungen der Ehefrau kommen für die Zeit ab 1. Dezember 1961 in Betracht die Kosten ihrer Wohnung in B. sowie Mehrkosten für Verpflegung. Wenn die Bf. einen Einzelnachweis dieser Mehraufwendungen nicht führen können, bestehen keine Bedenken, die Mehraufwendungen in entsprechender Anwendung der aus der Lebenserfahrung gewonnenen Richtsätze des Abschn. 26 LStR zu schätzen (vgl. Urteil des Senats VI 143/60 U vom 11. August 1961, BStBl 1961 III S. 509, Slg. Bd. 73 S. 669).
Da das Finanzgericht von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und in seiner Einkommensteuerberechnung für 1961 versehentlich den Weihnachtsfreibetrag von je 100 DM nicht berücksichtigt hat, wird die Sache für das Streitjahr 1961 an das Finanzamt zur Steuerberechnung unter Beachtung der obigen Ausführungen zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411369 |
BStBl III 1965, 29 |
BFHE 1965, 86 |
BFHE 81, 86 |