Leitsatz (amtlich)
1. Ein Baukostenzuschuß zu einer Fußgängerunterführung unter einer öffentlichen Straße, der von einem Anlieger in Zusammenhang mit einer Ausnahmegenehmigung für den von ihm geplanten Bau eines Gebäudes (Betriebsgrundstück) geleistet wird, begründet kein immaterielles Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens.
2. Über die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit (wirtschaftlichen Untereinheit) eines Grundstücks (Betriebsgrundstücks) wird nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, sondern bei der Einheitsbewertung des Grundstücks entschieden. Die dabei getroffene negative Feststellung, was nicht zum Grundvermögen gehört (negative Feststellungswirkung), erstreckt sich nicht auf die verschiedenen Kostenarten, die beim Bau des Gebäudes angefallen sind.
Normenkette
BewG 1965 § 95 Abs. 1; AO §§ 216, 218
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete auf einem Grundstück an einer verkehrsreichen Kreuzung ein Kaufhaus. Die Stadt hat die Bereitschaft, die erforderliche Ausnahmegenehmigung für den Bau dieses Kaufhauses bei der Bezirksregierung einzuholen, davon abhängig gemacht, daß die Klägerin einen Zuschuß für die Errichtung eines Fußgängertunnels unter der Straßenkreuzung und für die dadurch notwendige Verlegung von Versorgungsleitungen leistete. Die Fußgängerunterführung war u. a. wegen des erhöhten Fußgängerauikommens durch den Bau des Kaufhauses der Klägerin erforderlich. Die Klägerin erhielt von dem Tunnel einen direkten Zugang zum Untergeschoß des Kaufhauses, in dem sich die Lebensmittelabteilung befindet. Sie leistete an die Stadt einen Zuschuß von insgesamt ... DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erfaßte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin ein immaterielles Wirtschaftsgut in Höhe dieses Zuschusses.
Nach erfolglosem Einspruch hat das FG der Klage stattgegeben.
Die Revision des FA rügt, das FG habe zu Unrecht das durch den Zuschuß der Klägerin geschaffene immaterielle Wirtschaftsgut "verbesserter Betriebszugang" nicht erfaßt. Der durch den Zuschuß bewirkte Vorteil stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit der Art des Gewerbebetriebs, den die Klägerin auf dem Grundstück unterhalte. Der besondere Vorteil der Klägerin durch die bauliche Gestaltung des Tunnels liege darin, daß ihr durch die Abzweigung aus dem Tunnel die Fußgänger unmittelbar und unbeeinflußt von Witterungseinflüssen bequem und gefahrlos zugeführt würden. Die Auffassung des FG, der Zuschuß stehe im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung, treffe nicht zu. Die Stadt hätte lediglich die Schaffung eines unmittelbaren Zugangs von dem Fußgängertunnel in das Untergeschoß des Gebäudes der Klägerin ablehnen können. Die Baugenehmigung hätte die Klägerin dagegen auch ohne Bezuschussung der Fußgängerunterführung durchsetzen können.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern auch alle übrigen immateriellen Werte, soweit sie selbständig bewertbar sind. Dies gilt auch für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens (vgl. Entscheidung des BFH vom 17. Januar 1975 III R 69/73, BFHE 114, 543, BStBl II 1975, 324).
a) Die Klägerin hat mit dem Zuschuß zum Bau eines Fußgängertunnels und dem Anschluß des Untergeschosses ihres Kaufhauses an diesen Tunnel kein körperliches Wirtschaftsgut erworben, das selbständig bewertungsfähig wäre. Denn der Fußgängertunnel steht im Eigentum der Gemeinde, die den Bau aus verkehrstechnischen Gründen ausführte; er kann deshalb der Klägerin nicht zugerechnet werden.
b) Der Zuschuß bewirkt auch nicht, daß bei der Klägerin ein selbständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut erfaßt werden könnte. Der Senat stimmt mit dem FA zwar darin überein, daß der immaterielle Wert, den die Klägerin durch den unmittelbaren Zugang von der Fußgängerunterführung zu ihrem Warenhaus erhalten hat, als "verbesserter Betriebszugang" bezeichnet werden könnte. Dieser immaterielle Wert wurde aber weder erworben noch sind abgrenzbare Aufwendungen auf ihn gemacht worden. Damit braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob dieser Wert von der Sache her als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut angesehen werden könnte.
2. Das FG hat festgestellt, für den Bau des Kaufhauses in der geplanten Gestaltung (Ausmaß der baulichen Nutzung des Grundstücks unter Sicht der Zahl der Geschosse und der Bebauungsgrenze im Hinblick auf die Breite des Gehsteiges) sei eine Ausnahmegenehmigung der Bezirksregierung erforderlich gewesen. Es hat weiter festgestellt, daß die Stadt nur bereit war, diese Ausnahmegenehmigung einzuholen und zu befürworten, wenn das durch den Bau des Kaufhauses vermehrte Fußgängeraufkommen die verkehrstechnischen Verhältnisse der Kreuzung nicht zusätzlich belasten würde; dies sei nur durch Schaffung des Fußgängertunnels möglich gewesen. Damit stehe fest, daß die Klägerin die Baugenehmigung für ihr Bauvorhaben jedenfalls nicht ohne den gleichzeitigen Bau der Fußgängerunterführung hätte erzwingen können. Der Bau dieser in öffentlichem Straßengrund liegenden Unterführung sei aber ausschließlich in der Entscheidung der Stadt gelegen gewesen.
An diese Feststellungen ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Revisionsangriffe des FA richten sich nicht gegen die Feststellungen des FG. Das FA wendet sich vielmehr gegen die Würdigung des festgestellten Sachverhalts. Die Auffassung des FG, die Klägerin habe den Zuschuß geleistet, um die Baugenehmigung für die von ihr gewählte Gestaltung des Kaufhauses möglichst schnell zu erhalten, steht aber weder im Widerspruch zu Erfahrungssätzen noch zu Denkgesetzen. Bei einem Bauaufwand für das Kaufhaus von rd. ... Mio. DM liegt es nicht außerhalb der Erfahrungssätze und der Denkgesetze, daß die Klägerin, um die von ihr betriebstechnisch für erforderlich gehaltene Gestaltung möglichst schnell genehmigt zu erhalten, bereit war, weitere Kosten von rd. 5 v. H. der Bausumme in Kauf zu nehmen.
Der Senat stimmt dem FA allerdings darin zu, daß die Klägerin durch die Leistung des Zuschusses nicht nur erreichte, daß sie die Baugenehmigung möglichst schnell erhielt, sondern daß sie damit auch einen unmittelbaren Zugang von dem Tunnel zu ihrem Kaufhaus bewilligt erhielt. Da die Höhe des von der Klägerin geforderten Zuschusses aber nach den (anteiligen) Baukosten des Tunnels und den Nebenkosten für die Verlegung der Versorgungsleitungen bemessen wurde, ergeben sich, selbst wenn man diesen Vorteil als bewertungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut ansehen könnte, keine geeigneten Anhaltspunkte, um den Zuschuß in Aufwendungen für die Baugenehmigung und in Aufwendungen für die Bewilligung des Zugangs aus dem Fußgängertunnel zum Gebäude aufteilen zu können. Das FG hat damit ohne Rechtsirrtum angenommen, daß der Zuschuß in unmittelbarem Zusammenhang mit der Baugenehmigung gesehen werden müsse und deshalb zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehöre. Durch Herstellungskosten für ein Gebäude kann aber bei demjenigen, dem das Gebäude zuzurechnen ist, entsprechend der zutreffenden Rechtserkenntnis des FG nicht ein immaterielles Wirtschaftsgut konkretisiert werden.
3. Der rechtlichen Würdigung des FG, der Zuschuß der Klägerin zum Bau der Fußgängerunterführung gehöre zu den Herstellungskosten des Kaufhausgebäudes, steht auch nicht der Umstand entgegen, daß dieser Zuschuß bei der Einheitsbewertung des Betriebsgrundstücks nicht berücksichtigt wurde. Es ist zwar richtig, daß über die Abgrenzung der wirtschaftlichen Untereinheit des Betriebsgrundstücks zum übrigen Betriebsvermögen im Rahmen der Einheitsbewertung des Grundstücks entschieden wird (vgl. Entscheidung des RFH vom 22. Februar 1934 III A 357/33, RStBl 1934, 261 und 269). Es trifft ferner zu, daß dem Feststellungsbescheid über den Einheitswert eines Grundstücks auch eine negative Feststellungswirkung zukommt, d. h. daß auch die Feststellungen darüber verbindlich sind, was nicht zu der wirtschaftlichen Einheit gehört, für die der Einheitswert festgestellt worden ist (vgl. Entscheidung des BFH vom 17. Mai 1963 III 406/58 S, BFHE 77, 571, BStBl III 1963, 530). Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 218 Abs. 2 und 3 AO. Danach sind die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen den Steuerbescheiden zugrunde zu legen; außerdem ist der Einheitswertbescheid, der für ein Betriebsgrundstück ergangen ist, dem Feststellungsbescheid zugrunde zu legen, durch den der Einheitswert für den gewerblichen Betrieb festgestellt wird. Der Umfang der Feststellungen eines Feststellungsbescheids ergibt sich mittelbar aus § 216 AO. Zwar erwähnt diese Vorschrift nicht, daß in einem Feststellungsbescheid auch Feststellungen darüber zu treffen sind, wie der Bewertungsgegenstand abgegrenzt wurde. Dies ergibt sich jedoch daraus, daß die Vorbedingung jeder Bewertung die zutreffende Abgrenzung der Bewertungseinheit ist. Aus diesem Grund muß der Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsgrundstücks auch die getroffene Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit erkennen lassen.
Die negative Feststellungswirkung des Feststellungsbescheids über den Einheitswert des Grundstücks erstreckt sich jedoch nicht auf Kostenarten, die beim Bau eines Gebäudes angefallen sind, weil diese weder Bestandteil noch Zubehör des Grundstücks sein können. Der Senat hat überdies Bedenken, ohne diese Frage entscheiden zu können, ob im Hinblick auf die Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren auf der Grundlage der Normalherstellungskosten (vgl. für das neue Recht § 85 BewG 1965 und für das alte Recht die Bewertung nach dem sogenannten Weil'schen Verfahren, dargestellt bei Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 52 BewG Anmerkungen 40 und 44) besondere Aufwendungen für die Erteilung einer Baugenehmigung sich auf die Höhe des festzustellenden Einheitswerts auswirken dürfen.
Fundstellen
Haufe-Index 71564 |
BStBl II 1975, 874 |
BFHE 1976, 560 |