Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendung von Mieteinnahmen zu Optionsgeschäften löst den Zusammenhang zur Einkunftsart Vermietung und Verpachtung; keine Aussetzung des Verfahrens bei vorläufiger Steuerfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Wer seine Mieteinnahmen dazu verwendet, um Optionsgeschäfte durchzuführen, kann daraus entstehende Verluste auch dann nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen, wenn er beabsichtigte, die angelegten Beträge wiederum für Zwecke der Vermietung zu verwenden.
2. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ist verfassungsgemäß.
3. Der BFH muss den Rechtsstreit nicht nach § 74 FGO wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens aussetzen, das die Verfassungsmäßigkeit einer auch für den Rechtsstreit einschlägigen Norm betrifft, wenn das FA die Steuer deshalb im Einvernehmen mit dem Kläger gemäß § 165 AO vorläufig festsetzt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 S. 1, § 22 Nr. 3, § 23 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 4, Abs. 2, 3 S. 8; AO § 165; FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Immobilienmakler. Neben einem aus dieser gewerblichen Tätigkeit erwirtschafteten Verlust erzielte er im Streitjahr (2000) positive Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger vermietet mehr als vierzig Objekte. Daraus entstanden ihm im Streitjahr Überschüsse in Höhe von 776 416 DM. Überdies unternahm er diverse Devisenoptionsgeschäfte. Er vereinnahmte Prämien aus eingeräumten Optionen und veräußerte erworbene Optionen. Die Geschäfte wurden z.T. glattgestellt. Insgesamt ergab sich daraus ein erheblicher Verlust, um dessen steuerrechtliche Abziehbarkeit die Beteiligten streiten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als solche aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG) und lehnte den Ausgleich der Verluste mit den anderen Einkünften des Klägers ab.
Der Kläger trug dazu u.a. vor, die Ergebnisse der Devisenoptionsgeschäfte seien bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Die Mittel, mit denen er diese Geschäfte unternommen habe, stammten aus den Vermietungseinnahmen. Bei der Landesbank angelegte Finanzmittel seien grundsätzlich dazu bestimmt gewesen, die mit den Vermietungseinkünften zusammenhängenden laufenden Kosten zu decken sowie die Anschaffung weiterer Vermietungsobjekte zu ermöglichen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ordnete in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 486, veröffentlichten Urteil die Verluste aus den Devisenoptionsgeschäften den sonstigen Einkünften zu. Die Tätigkeit des Klägers sei --selbst wenn dessen Vortrag zur Mittelherkunft und ‐verwendung als wahr unterstellt werde-- darauf gerichtet gewesen, das Kapital außerhalb der Einkunftsart des § 21 EStG im Wege von Termingeschäften zu vermehren. Darum seien die Verluste nicht mit Einkünften einer anderen Einkunftsart auszugleichen. Der Verlust aus Gewerbebetrieb könne überdies nur nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 EStG abgezogen werden.
Hiergegen wendet sich die Revision, die der Kläger auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Die Vorschriften der § 22 Nr. 3, § 23 EStG seien gegenüber § 21 EStG subsidiär. Im Streitfall seien die Verluste aus den Optionsgeschäften als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Es existiere ein Einkünfteerzielungsvermögen, denen die aus der Vermietung herrührenden Mittel und damit auch die damit unternommenen Devisenoptionsgeschäfte zuzuordnen seien. Zudem seien die Verlustausgleichsbeschränkungen verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 2000 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA auf Anregung des Senats im Einverständnis mit dem Kläger am 18. April 2007 den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr geändert und in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG gemäß § 165 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärt (vgl. den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. September 2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167).
Entscheidungsgründe
II. 1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Es kann keinen Bestand haben; denn das FG hat über den Einkommensteuerbescheid vom 9. Dezember 2002 und damit über einen nicht mehr wirksamen Bescheid entschieden (vgl. dazu BFH-Urteile vom 27. Juli 2004 IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188, und vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
2. Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf der Grundlage der bestehen bleibenden Feststellungen in der Sache und weist die Klage ab.
Zutreffend hat das FG die Verluste des Klägers aus den Devisenoptionsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 3 Satz 8, § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht mit Einkünften des Klägers anderer Einkunftsart ausgeglichen.
a) Die Einkünfte des Klägers aus den Devisenoptionsgeschäften sind als sonstige Einkünfte steuerbar, und zwar soweit sie eingeräumte Optionen betreffen nach § 22 Nr. 3 EStG und soweit sie sich auf erworbene Optionen beziehen nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 EStG (vgl. zu den Optionsgeschäften eingehend die BFH-Urteile vom 17. April 2007 IX R 23/06, BStBl II 2007, 606, und IX R 40/06, BStBl II 2007, 608).
Die Einkünfte gehören nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Zwar ist diese Einkunftsart gegenüber sonstigen Einkünften vorrangig, was sich für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus § 23 Abs. 2 EStG und für Einkünfte aus Leistungen aus § 22 Nr. 3 EStG ergibt. Indes erfüllen die Devisenoptionsgeschäfte, um die es im Streitfall geht, nicht den Tatbestand der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 EStG und stehen mit dieser Einkunftsart auch nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang (vgl. zum Konkurrenzverhältnis BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 IX R 57/89, BFH/NV 1995, 106, m.w.N.).
aa) Zwar mag sein, dass der Kläger nur solche Mittel für seine Optionsgeschäfte einsetzte, die er aus der Vermietung seines Grundbesitzes einnahm. Diese Mittelherkunft kann einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung aber ebenso wenig begründen wie die beabsichtigte Verwendung der mittels der Optionsgeschäfte eingenommenen Beträge zur Reinvestition in Vermietungsobjekte (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2000 I R 69/99, BFHE 191, 382, BStBl II 2000, 355, m.w.N.). Denn zwischen die Vermietertätigkeit und die geltend gemachten Verluste tritt das jeweilige Optionsgeschäft als eigenständige Erwerbsquelle (vgl. zur Abgrenzung auch BFH-Urteil vom 5. April 2006 IX R 111/00, BFHE 213, 341, BStBl II 2006, 654, unter II. 2., m.w.N.). Aus Sicht der Vermietungstätigkeit stellt die Anlage der vereinnahmten Mieten zur Durchführung der Optionsgeschäfte Einkommensverwendung dar, die nur deshalb steuerrechtlich bedeutsam ist, weil dadurch wieder einer Einkunftsart zuzurechnende Einkünfte --hier solche aus sonstigen Einkünften-- bezogen werden (vgl. dazu auch Birkenfeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 25 Rz B 43).
bb) Entgegen der Revision kann ein Zusammenhang der Verluste aus den Optionsgeschäften mit den vom Kläger erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch nicht aus der Rechtsprechung hergeleitet werden. Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1995, 106, einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen vereinnahmten Zinsen und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bejaht, wenn Verzugszinsen für den Kaufpreis aus der Veräußerung eines Hauses anfallen, der zur Finanzierung eines anderen --zur Vermietung genutzten-- Hauses bestimmt ist. Der entscheidende Unterschied zum Streitfall liegt aber darin, dass dort der Verkäufer nicht frei über den Kaufpreis verfügen konnte. Vielmehr musste der Käufer aufgrund des Kaufvertrags den Kaufpreis an die kreditierende Bank im Treuhandauftrag überweisen. Demgegenüber hatte der Kläger seine Einnahmen aus der Vermietung zur freien Verfügung. Es stand in seinem Belieben, ob und --wenn ja-- welche Beträge er für Optionsgeschäfte verwendet. Allein der Entschluss, Erlöse daraus wiederum im Zusammenhang mit den Vermietungen zu verwenden, kann als bloßer Willensakt einen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht begründen. Überdies entschied ja erst der wirtschaftliche Erfolg der Optionsgeschäfte darüber, ob überhaupt Mittel zur Reinvestition in das Grundvermögen zur Verfügung standen. Dazu bedurfte es zudem --wie in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben-- weiterer wirtschaftlicher Dispositionen des Klägers, z.B. ob die Optionen glattgestellt oder das jeweilige Basisgeschäft durchgeführt werden sollte. Dies ist ein weiterer Beleg für die Eigenständigkeit der Erwerbsquelle der sonstigen Einkünfte.
Daran fehlt es in den Fällen, in denen die Rechtsprechung Guthabenzinsen aus Bausparverträgen und im Zusammenhang damit geleistete Schuldzinsen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuordnet. Weil die Zwischenfinanzierung nur eingesetzt wird, um (früher) ein Bauspardarlehen zugeteilt zu bekommen, führt sie nicht zu einer eigenständigen Erwerbsquelle (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil vom 9. November 1982 VIII R 188/79, BFHE 137, 300, BStBl II 1983, 172, m.w.N.).
Der Senat kann unerörtert lassen, ob es --wie die Revision meint-- ein Einkünfteerzielungsvermögen gibt (vgl. zum Diskussionsstand Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 496; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 178). Denn die Optionsgeschäfte fallen schon deshalb nicht in eine --wie immer geartete-- "Vermietungssphäre", weil sie --wie dargelegt-- nicht mit dieser Einkunftsart wirtschaftlich zusammenhängen.
b) Als sonstige Einkünfte dürfen die Verluste aus Devisenoptionsgeschäften nicht mit anderen Einkünften des Klägers ausgeglichen werden. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel. Dies hat der BFH für § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG explizit entschieden (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259). Das gilt aber auch für § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG. Der Senat hat in seinem Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26) die systematische und strukturelle Verknüpfung der Verlustausgleichsbeschränkungen in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG und in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG hervorgehoben. Überdies ist der Gesetzgeber nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88, unter B. II. 4. d) befugt, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend --wie de lege lata geschehen-- durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen (so auch das BFH-Urteil in BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26, unter II. 2. b).
c) Nach diesen Grundsätzen ist die Klage abzuweisen. Zwar kommt es --gleicht man, wie im Streitfall, die Verluste aus sonstigen Einkünften nicht mit den positiven Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung aus-- darauf an, in welcher Höhe die Verluste aus Gewerbebetrieb mit den positiven Einkünften anderer Einkunftsarten nach § 2 Abs. 3 EStG (a.F.) auszugleichen sind. Wegen der hinsichtlich dieser Vorschrift bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken (eingehend dazu BFH-Beschluss in BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167) braucht der Senat das Verfahren allerdings nicht nach § 74 FGO auszusetzen, bis im Verfahren vor dem BVerfG über die Vorlage des XI. Senats mit dem Aktenzeichen 2 BvL 59/06 eine Entscheidung ergeht. Denn das FA hat den Bescheid nach § 165 AO im Einvernehmen mit dem Kläger insoweit vorläufig erlassen. Deshalb kann der Senat ohne drohenden Rechtsverlust für den Kläger in der Streitsache entscheiden (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. Februar 1992 III R 61/91, BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592, und vom 13. April 2000 XI R 3, 4/99, BFH/NV 2001, 41).
Fundstellen
Haufe-Index 1816446 |
BFH/NV 2007, 2422 |
BStBl II 2008, 26 |
BFHE 2007, 81 |
BFHE 219, 81 |
BB 2007, 2491 |
DB 2007, 2460 |
DStR 2007, 2005 |
DStRE 2007, 1532 |
DStZ 2007, 759 |
HFR 2008, 37 |