Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuer-Pauschalierung und Zukunftssicherungsfreibetrag bei Direktversicherung von Arbeitnehmern
Leitsatz (NV)
1. Der Arbeitgeber kann Beiträge für Direktversicherungen seiner Arbeitnehmer mit Einmalbetrag auf zwei Kalenderjahre so verteilen, daß der Grenzbetrag gemäß § 40 b Abs. 2 S. 1 EStG nicht überschritten wird.
2. Die Gewährung des Zukunftssicherungsfreibetrages hängt dem Grunde und der Höhe nach von der tatsächlichen Zahlung des Versicherungsbeitrags ab.
3. Zu den Voraussetzungen des Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Normenkette
EStG § 40b; LStDV § 2 Abs. 3 Nr. 2 S. 3; StAnpG § 6; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hatte ihren Arbeitnehmern im Jahre 1972 eine Versorgungszusage erteilt. Im Hinblick hierauf schloß sie in den Streitjahren 1975 bis 1978 Lebensversicherungsverträge (Gruppenlebensversicherungsverträge) für diejenigen Arbeitnehmer ab, die am 1. Dezember des jeweiligen Jahres das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und eine bestimmte Zeit bei ihr beschäftigt waren. Die Versicherungssumme für männliche Arbeitnehmer betrug 13 000 DM und für weibliche Arbeitnehmer 12 000 DM. Der Beginn der Versicherungen war jeweils auf den 1. Dezember festgelegt. Die Versicherungsbeiträge wurden durch Darlehensgewährung seitens der Versicherungsgesellschaft in Höhe von 90 v. H. der Beiträge und durch Zahlung der restlichen 10 v. H. erbracht. Die Klägerin verteilte die Zahlungen an die Versicherungsgesellschaft buch- und zahlungsmäßig auf zwei Jahre; und zwar sollen im Dezember des Jahres des Vertragsabschlusses 50 v. H. und im Januar des Folgejahres die restlichen 50 v. H. gezahlt bzw. mit dem Darlehen verrechnet worden sein. Hierdurch wurde erreicht, daß der jeweilige auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Teil des Betrages im Jahr der Zahlung nicht 3 600 DM überstieg und daß auch der auf die versicherten Arbeitnehmer entfallende durchschnittliche Versicherungsbeitrag unter Berücksichtigung des Zukunftssicherungsbetrages des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - (312 DM) unterhalb der Betragsgrenze des § 40 b Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 2 400 DM verblieb.
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Zukunftssicherungsbetrag könne gemäß Abschn. 11 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) nicht berücksichtigt werden, weil Einmalbeiträge zur Lebensversicherung nicht als Sonderausgaben abzugsfähig seien. Eine zahlenmäßige Verlegung der Beiträge zur Gruppenlebensversicherung auf Dezember des Jahres des Vertragsabschlusses und auf Januar des Folgejahres ändere nichts daran, daß die Arbeitnehmer den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag schon mit Beginn des Vertrages (1. Dezember) erlangt hätten. Die Zahlung der Beiträge in verschiedenen Veranlagungszeiträumen ändere nichts an dem Zufluß bei den Arbeitnehmern am 1. Dezember des Jahres des Vertragsabschlusses.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren gegen den Haftungsbescheid vom 21. Juli 1980 erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Der Pauschalierung stehe nicht entgegen, daß die Versicherungsprämien in Teilbeträgen in zwei Kalenderjahren geleistet und dadurch die Pauschalierungsvoraussetzungen für den Versicherungsvertrag zugunsten jedes einzelnen Arbeitnehmers geschaffen worden seien. Die Versicherungsverträge seien so gestaltet gewesen, daß die Versicherungsgesellschaft mit der Zahlung im Dezember des Abschlußjahres zunächst eine Teilleistung erhalten habe, während die begünstigten Arbeitnehmer den vollen Versicherungsschutz erst nach Zahlung der zweiten Prämienhälfte im Januar des Folgejahres hätten beanspruchen können. Diese Vertragsgestaltung stehe mit den Intentionen der Vorschrift des § 40 b EStG im Einklang, eine Steuervergünstigung zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren.
Das FA beantragt mit seiner Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Zur Begründung trägt es vor, der Tatbestand der Vorentscheidung weiche von dem tatsächlich zu entscheidenden Sachverhalt ab. Es wäre zu ermitteln gewesen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe die Versicherungsgesellschaft die Policendarlehen gewährt habe. Es sei möglich, daß das Darlehen jeweils am 1. Dezember in voller Höhe (90 v.H. des Versicherungsbeitrages) gewährt worden sei und die Klägerin nur die verbliebenen 10 v. H. in zwei Raten gezahlt habe. Unzutreffend sei das FG davon ausgegangen, die Vertragsgestaltung sei so gewählt worden, daß die Versicherungsgesellschaft mit der Zahlung im Dezember des Abschlußjahres zunächst eine Teilleistung erhalte, während der begünstigte Arbeitnehmer die volle Versicherungsleistung erst nach Zahlung des weiteren Versicherungsbeitrages im Januar des Folgejahres beanspruchen könne. Das FG habe sich dabei auf ein Vertragsmuster der Versicherungsgesellschaft bezogen, das Gegenstand eines Auskunftsverfahrens gewesen sei. Aus den Steuerakten ergebe sich eindeutig, daß diese Form der Verträge erstmals ab 1979 habe praktiziert werden sollen. In den Streitjahren habe die Klägerin Lebensversicherungen gegen Einmalbetrag abgeschlossen. Diese Direktversicherungen hätten durch eine Teilung der Zahlung nicht den Charakter einer Versicherung gegen mehrfachen Beitrag bekommen. Auch die Versicherungsgesellschaft habe die Auffassung vertreten, daß es sich um Versicherungen mit Einmalbeiträgen gehandelt habe, die lediglich in zwei Raten gezahlt worden seien. Trotz einer (unterstellten) Trennung in zwei Zahlungen habe für die Arbeitnehmer der Klägerin bereits nach Entrichtung der Dezemberrate ein voller Versicherungsschutz bestanden. Hiervon sei die Klägerin im bisherigen Verfahren selbst ausgegangen. Den Arbeitnehmern sei damit der geldwerte Vorteil bereits im Dezember des Abschlußjahres zugeflossen; daher habe die Pauschalierung im Rahmen der betragsmäßigen Begrenzung des § 40 b Abs. 2 EStG auch jeweils nur im Abschlußjahr durchgeführt werden dürfen. Diese Konsequenz folge auch aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Mai 1975 VI R 165/72 (BFHE 115, 569, BStBl II 1975, 642), und vom 15. Juli 1977 VI R 109/74 (BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761), in denen entschieden worden sei, daß es für den Zufluß von Ausgaben für die Direktversicherung eines Arbeitnehmers darauf ankomme, wann er durch die Ausgabe des Arbeitgebers einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung erworben habe. Im vorliegenden Streitfall hätten die Arbeitnehmer der Klägerin einen Rechtsanspruch auf die ganze Versicherungssumme bereits mit der Zahlung der ersten Rate im Dezember des Abschlußjahres erhalten. - Schließlich habe bei der Ermittlung der zu versteuernden Beträge der Zukunftssicherungsfreibetrag des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV nicht abgezogen werden dürfen. Dieser Abzug sei nur möglich, wenn die Beträge zur Direktversicherung auch die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs erfüllten. Dies sei bei Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag nicht der Fall.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 40 b Abs. 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 10 v.H. der Beiträge erheben, soweit diese nicht steuerfrei sind. Dies gilt nach § 40 b Abs. 2 Satz 1 EStG nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge für den Arbeitnehmer 2 400 DM im Kalenderjahr übersteigen. Im Streitfall ist die entscheidende Rechtsfrage, ob ein Beitrag auf eine Direktversicherung mit Einmalbeitrag dergestalt auf zwei Kalenderjahre verteilt werden kann, daß dadurch der Grenzbetrag von 2 400 DM in jedem Kalenderjahr nicht überschritten wird, und ob in einem solchen Fall auf jeden dieser Teilbeträge die Pauschalierung nach § 40 b EStG vorgenommen werden kann. Diese Rechtsfrage ist mit dem FG zu bejahen.
§ 40 b EStG knüpft an die Zahlung von Beiträgen für eine Direktversicherung an, die in einem Kalenderjahr gezahlt worden sind. Denn nur die für eine Direktversicherung gezahlten Beiträge sind als zugeflossener Lohn steuerpflichtig. Unerheblich ist, ob durch die gezahlten Beiträge bereits der volle Versicherungsschutz oder erst ein Teilversicherungsschutz verschafft worden ist. Auch wenn durch die Zahlung des ersten Teilbetrags bereits die Arbeitnehmer den vollen Versicherungsschutz erlangt haben sollten, so ist zunächst als Lohn nur der erste Teilbetrag zugeflossen. Die Zahlung des zweiten Teilbetrages stellt einen weiteren Lohnzufluß dar. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird dadurch bestätigt, daß ohne die Zahlung des zweiten Teilbetrages ein endgültiger voller Versicherungsschutz nicht gewährleistet ist.
Zu Unrecht beruft sich das FA für seine abweichende Auffassung auf die Urteile in BFHE 115, 569, BStBl II 1975, 642 und in BFHE 123,37, BStBl II 1977, 761. In diesen Urteilen ging es lediglich um die Frage, ob Ausgaben für die Zukunftssicherung eines Arbeitnehmers bereits gegenwärtig zufließender Arbeitslohn waren oder ob lediglich eine Versorgungszusage des Arbeitgebers vorlag, bei der erst die späteren aufgrund der Zusage geleisteten Versorgungszahlungen der Lohnsteuer unterlagen. Keine Aussage enthalten die Urteile zu der im vorliegenden Streitfall bedeutsamen Frage, ob im Zeitpunkt der Zahlung eines Teilbetrages einer Einmalprämie bereits die volle Einmalprämie als Lohn zugeflossen ist.
Im Streitfall bestehen gegen die Aufspaltung der Zahlung der Einmalprämie auf zwei Kalenderjahre keine Bedenken im Hinblick auf § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Gestaltung rechtsmißbräuchlich, wenn sie, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, wenn sie der Steuerminderung dienen soll und wenn sie bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. z. B. Urteil vom 24. September 1985 IX R 2/80, BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284, unter 2 e der Entscheidungsgründe, m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie der BFH in dem vorbezeichneten Urteil erneut ausgesprochen hat, hat der Gesetzgeber in § 11 EStG in Kauf genommen, daß es durch die Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen kann, die ggf. zu einer erheblichen steuerlichen Be- oder Entlastung führen. Durch die Zuordnung der Einnahmen zum Kalenderjahr des Zuflusses in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen grundsätzlich im Zeitpunkt des Zuflusses - auch wenn sie ein anderes Kalenderjahr betreffen - als Lohn zu versteuern und entweder dem normalen Lohnsteuerabzug nach § 38 Abs. 2 Satz 2, § 39 b EStG oder der pauschalen Lohnsteuer nach § 40 b EStG zu unterwerfen. Es kann nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden, wenn ein Arbeitgeber zur Ausnutzung der Vorteile des § 40 b EStG den Beitrag zu einer Direktversicherung gegen Einmalprämie auf zwei Kalenderjahre verteilt.
2. Die Vorentscheidung war aber aufzuheben, da sie nicht darauf überprüft werden kann, in welcher Höhe die Beitragszahlung auf die einzelnen Kalenderjahre entfällt. Das FG hat im wesentlichen lediglich mitgeteilt, die Klägerin habe die Zahlungen an die Versicherungsgesellschaft buch- und zahlungsmäßig auf zwei Jahre verteilt. Diese Aussage des FG ist ohne Kenntnis der Darlehensbedingungen und der weiteren mit der Versicherungsgesellschaft getroffenen Vereinbarungen nicht nachvollziehbar. Hierzu wird das FG entsprechende Feststellungen nachzuholen haben.
3. Für den Ansatz des Zukunftssicherungsfreibetrages gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV gehören Ausgaben zur Zukunftssicherung nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM übersteigen. Bis zu einem Betrag von 312 DM je Kalenderjahr sind damit die Zukunftssicherungsleistungen steuerfreier Lohn. Ob und in welcher Höhe dieser Zukunftssicherungsfreibetrag für jeden Arbeitnehmer in den einzelnen Kalenderjahren zu gewähren ist, hängt von den tatsächlichen Zahlungen des Versicherungsbeitrages ab. Unerheblich ist, daß es sich bei den für die Arbeitnehmer der Klägerin abgeschlossenen Versicherungen um solche gegen Einmalbeitrag gehandelt hat. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein als Anlage beigefügtes Urteil vom 18. Dezember 1987 VI R 147/84.
Fundstellen
Haufe-Index 415533 |
BFH/NV 1988, 499 |