Leitsatz (amtlich)
1. Die allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG, bis zu deren Ablauf die Anträge auf Sparprämie bei den Kreditinstituten eingereicht werden müssen, ist die Frist, die gemäß § 167 Abs. 3 Satz 1 AO, § 56 EStDV von den obersten Finanzbehörden bestimmt ist.
2. Soweit der Senat in den Entscheidungen VI 193/59 U vom 10. Februar 1961 (BFH 72, 479, BStBl III 1961, 175) und VI 290/61 vom 29. Mai 1963 (HFR 1963, 422) die entsprechende Frist in § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG anders bestimmt hat, hält er daran nicht fest.
2. Zur Gewährung von Nachsicht bei Versäumung der Antragsfrist.
Normenkette
SparPG § 3 Abs. 2; WoPG § 4 Abs. 2 S. 1; AO a.F. §§ 86-87, 167 Abs. 3
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte hatte im Dezember 1959 einen Sparratenvertrag geschlossen. Am 2. Juni 1965 beantragte sie bei dem Kreditinstitut eine Sparprämie für die im Kalenderjahr 1964 geleisteten Beiträge von 550 DM. Das FA lehnte den Antrag als verspätet ab; die Antragsfrist sei am 31. Mai 1965 abgelaufen. Nachsichtgründe habe die Revisionsbeklagte nicht geltend gemacht. Das FG hob den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA auf und verpflichtete das FA, der Revisionsbeklagten für das Kalenderjahr 1964 eine Sparprämie von 110 DM zu gewähren. Nach Ansicht des FG lief die Antragsfrist des § 3 Abs. 2 des Spar-Prämiengesetzes (SparPG) erst ab, nachdem der Großteil der Einkommensteuererklärungen für 1964 beim FA eingereicht worden war. Das sei, als am 2. Juni 1965 der Prämienantrag bei der Sparkasse einging, noch nicht der Fall gewesen.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Rechtsanwendung und macht geltend, die allgemeine Steuererklärungsfrist für 1964 sei am 31. Mai 1965 abgelaufen. Das FG berufe sich zu Unrecht auf die Urteile des BFH VI 193/59 U vom 10. Februar 1961 (BFH 72, 479, BStBl III 1961, 175) und VI 290/61 vom 29. Mai 1963 (StRK, Wohnungsbau-Prämiengesetz, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 2; HFR 1963, 422; Der Betrieb 1963 S. 1072), die zum Wohnungsbau-Prämiengesetz (WoPG) ergangen seien und auf das SparPG nicht übertragen werden könnten; denn nach dem WoPG könne der Steuerpflichtige wählen, ob er für Bausparbeiträge die Wohnungsbauprämie oder den Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen wolle. Ein solches Wahlrecht gebe es nach dem SparPG nicht.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist nicht begründet.
1. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG ist der Antrag auf die Sparprämie spätestens zu dem Zeitpunkt zu stellen, an dem die allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung für das betreffende Kalenderjahr endet. Diese Frist lief für das Streitjahr 1964 mit dem 31. Mai 1965 ab; denn bis zu diesem Tag waren nach den von den obersten Finanzbehörden getroffenen Anordnungen allgemein die Einkommensteuererklärungen für das Jahr 1964 bei den Finanzämtern einzureichen (vgl. die Ländererlasse vom März/April 1965, BStBl II 1965, 44).
Allerdings endet nach den Urteilen des Senats VI 193/59 U und VI 290/61 (a. a. O.) die Frist für die Anträge auf Wohnungsbauprämien nach § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Großteil der Einkommensteuererklärungen des betreffenden Jahres beim FA eingegangen ist. Da der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG und des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG insoweit übereinstimmt, lag es in der Tat nahe, daß das FG die Grundsätze der Rechtsprechung des Senats auf das SparPG übertrug. Nach nochmaliger Prüfung hält aber der Senat an seiner bisherigen Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG nicht fest. Der Wortlaut der §§ 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG und 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG ist klar und zwingend. Die dort genannte allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung ist die Frist, die die obersten Finanzbehörden gemäß § 167 Abs. 3 Satz 1 AO, § 56 EStDV bestimmen. Weil diese Frist und ihr Ablauf eindeutig zu bestimmen sind, dient es der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, auf ihrer Maßgeblichkeit zu bestehen. Der Zeitpunkt, an dem der Großteil der Einkommensteuererklärungen beim FA eingegangen ist, ist vorher nicht festzulegen und vor allem auch für den Staatsbürger nicht erkennbar, zumal dieser Zeitpunkt regional verschieden sein kann. Die Anträge auf Prämien müssen zudem bei den Kreditinstituten eingereicht werden, die im Interesse betrieblicher Disposition darauf angewiesen sind, daß zu einem festliegenden Tag möglichst alle Anträge eingegangen sind. Mögliche Härten, die durch die starre Fristsetzung entstehen können, beseitigt der Gesetzgeber selbst dadurch, daß er in § 3 Abs. 2 Satz 3 SparPG und § 4 Abs. 2 Satz 3 WoPG die Möglichkeit der Nachsicht vorsieht.
In den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger das Wahlrecht zwischen der Wohnungsbauprämie und dem Sonderausgabenabzug hat, läuft ohnehin die Frist für den Prämienantrag nicht vor der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung ab. Ist diese Frist dem Steuerpflichtigen im Einzellfall verlängert worden, so gilt das ohne weiteres auch für den Prämienantrag. Eine andere Auslegung würde das gesetzliche Wahlrecht entwerten, weil der Steuerpflichtige sich normalerweise erst nach der Fertigstellung seiner Einkommensteuererklärung darüber klar ist, ob es für ihn günstiger ist, die Wohnungsbauprämie oder den Sonderausgabenabzug zu wählen.
2. Wenn das FG somit auch zu Unrecht angenommen hat, die Revisionsbeklagte habe ihren Prämienantrag noch rechtzeitig innerhalb der allgemeinen Einkommensteuererklärungsfrist für das Jahr 1964 gestellt, so ist die Vorentscheidung doch im Ergebnis rechtlich zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FA hätte der Revisionsbeklagten von Amts wegen nach § 3 Abs. 2 Satz 3 SparPG in Verbindung mit §§ 86 und 87 Abs. 4 AO a. F. Nachsicht gewähren müssen; denn auf Grund der bisherigen Rechtssprechung des BFH zur Antragsfrist nach dem WoPG konnte die Revisionsbeklagte ohne Verschulden annehmen, daß ihr Antrag nach dem SparPG noch rechtzeitig sei, wenn er am 2. Juni gestellt wurde, zumal das FA den Prämienanträgen der Revisionsbeklagten für die Jahre 1961 und 1962 stattgegeben hatte, obwohl auch diese Anträge erst nach dem Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist eingegangen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 67979 |
BStBl II 1968, 397 |
BFHE 1968, 391 |