Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
über das Verhältnis von § 33 a zu § 33 EStG.
übernimmt jemand Krankheitskosten einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so ist die Frage, ob wegen dieser übernommenen Kosten eine Steuerermäßigung zu gewähren ist, nach § 33, nicht nach § 33 a EStG zu beurteilen.
Die Grenzen des § 33 a Abs. 1 EStG für die eigenen Einkünfte des Unterstützten sind nicht maßgebend, wenn es darum geht, ob die erkrankte Person die Krankheitskosten aus ihren eigenen Einkünften decken konnte.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a/1; LStDV §§ 25, 25a/1
Tatbestand
Die im Jahre 1939 geborene Tochter der Bfin. hatte im Jahre 1961 ein Gehalt von brutto 5.198 DM und netto 3.979 DM. Sie erkrankte im Juni 1961 schwer. Die Krankheitskosten betrugen in diesem Jahr 2.676 DM. Davon erstattete die Krankenkasse 807 DM. Den verbleibenden Betrag von 1.869 DM bezahlte die Bfin. Nach Angabe der Bfin. sind im Jahre 1962 weitere 1.600 DM an Krankheitskosten entstanden, die sie ebenfalls getragen hat. Die Bfin. beantragte, von ihrem zu versteuernden Einkommensbetrag von 14.496 DM den Betrag von (1.869 DM ./. 664 DM zumutbarer Eigenbelastung =) 1.205 DM gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abzusetzen. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag nicht.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hält die übernahme von Krankheitskosten durch Dritte für zwangsläufig nur, soweit die eigenen Bezüge der erkrankten Person nicht ausreichen, um die Krankheitskosten und die Kosten eines bescheidenen Lebensunterhalts zu decken. Als Kosten eines bescheidenen Lebensunterhalts setzte das Finanzamt die in § 33 a Abs. 1 EStG aufgeführten Beträge an. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß die der Tochter zum Lebensunterhalt verbleibenden Lohnbezüge höher gewesen seien als die im § 33 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG 1961 festgesetzte Grenze der eigenen Einkünfte des Unterstützten von 1.800 DM zuzüglich der Krankheitskosten von 1.869 DM. Selbst wenn die Werbungskosten der Tochter den Pauschbetrag von 564 DM erreichten, ergäbe sich keine anrechenbare überbelastung. Würden nämlich von den Nettobezügen der Tochter von 3.979 DM die Beträge von 564 DM und 1.800 DM abgerechnet, so verbliebe noch ein Betrag von 1.615 DM, der die steuerlich berücksichtigungsfähigen Krankheitskosten von 1.589 DM decke (1.869 DM ./. der von der Tochter zu tragenden Eigenbelastung von 280 DM).
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Krankheitskosten, die eine gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Person - im Streitfall der Mutter - für einen gesetzlich Unterhaltsberechtigten - im Streitfall die Tochter - trägt, können Teil der gesetzlichen Unterhaltslast sein, vor allem, wenn die eigenen Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person nicht ausreichen, um daraus die Krankheitskosten zu tragen. Unterhaltskosten, die ein gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteter trägt, werden zwar grundsätzlich steuerlich nicht nach § 33 EStG, sondern nach § 33 a EStG berücksichtigt. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl. 1954 I S. 373, BStBl 1954 I S. 575) in das EStG eingefügt. Sie enthält für einige oft vorkommende Fälle von außergewöhnlichen Belastungen zur Vereinfachung für alle Beteiligten eine typisierende Sonderregelung. Soweit die Sonderregelung eingreift, entfällt die Anwendbarkeit des § 33 EStG, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, z. B. in den Urteilen VI 144/55 U vom 9. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 407, Slg. Bd. 67 S. 346); VI 314/63 U vom 28. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 270, Slg. Bd. 79 S. 104). Die Sonderregelung des § 33 a EStG gilt aber nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur soweit es sich um typische Unterhaltskosten handelt. Außergewöhnliche Kosten, die in nicht typischen Fällen entstehen, hat der Gesetzgeber in die typisierende Vereinfachungsregelung des § 33 a nicht einbeziehen wollen. Darauf hat der Senat bereits in der Entscheidung VI 182/60 U vom 10. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 160, Slg. Bd. 72 S. 436) hingewiesen. Auch die Bundesregierung beurteilt in Abschn. 190 Abs. 1 EStR 1961 das Verhältnis von § 33 a zu § 33 EStG rechtlich zutreffend ebenso. Ob die übernahme von Krankheitskosten für die gesetzlich unterhaltsverpflichtete Person eine außergewöhnliche Belastung begründet, ist also nach § 33 EStG zu beurteilen. § 33 a EStG gilt insoweit nicht.
Es ist davon auszugehen, daß die Nettoeinkünfte der Tochter von 3.979 DM im Jahre 1961 ausreichten, um den Lebensunterhalt einer alleinstehenden, erwerbstätigen, gesunden Frau in einer Großstadt zu bestreiten. Von diesem Betrag aber noch Krankheitskosten von 1.869 DM zu bezahlen, war nicht möglich. Es bestehen keine Bedenken, anzunehmen, daß die Mutter sich sittlich verpflichtet fühlte, unter diesen Umständen ihrer schwer kranken Tochter geldlich beizuspringen. Die übernahme der Krankheitskosten durch die Mutter war darum zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG. Die Zuwendungen überschritten auch nicht die Grenzen eines angemessenen Betrags, zumal, wenn man berücksichtigt, daß im nächsten Jahr erhebliche weitere Krankheitskosten erwachsen sind. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Unterhaltsgrenzen des § 33 a EStG für die Bestimmung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Unterhaltsleistung maßgebend seien, trifft schon deshalb nicht zu, weil § 33 a EStG für Fälle der vorliegenden Art nicht eingreift.
Die Vorentscheidungen waren wegen unrichtiger Anwendungen von § 33 und § 33 a EStG aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das bei der Berechnung der außergewöhnlichen Belastung der Mutter Krankheitskosten von 1.869 DM anzusetzen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411558 |
BStBl III 1965, 284 |
BFHE 1965, 102 |
BFHE 82, 102 |