Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) sind vereinnahmte und verausgabte Umsatz-(Mehrwert-)Steuerbeträge keine bei der Gewinnermittlung auszuscheidende durchlaufende Posten i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG.
2. Im Falle der Versteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 UStG 1967) müssen die von Kunden vereinnahmten Mehrwertsteuerbeträge mit den als Betriebseinnahmen in die Einnahmeüberschußrechnung aufzunehmenden Mehrwertsteuerbeträgen übereinstimmen. Als Betriebsausgaben sind nur die im Gewinnermittlungszeitraum tatsächlich gezahlten Vorsteuerbeträge in der Einnahmeüberschußrechnung anzusetzen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Handelsvertreter. Im. Streitjahr 1969 ermittelte er den Gewinn durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Streitig ist, ob die vom Kläger für das Streitjahr abzuführenden Umsatz-(Mehrwert-)Steuerbeträge bei dieser Gewinnermittlungsart zu berücksichtigen sind.
Der Kläger versteuert seine Umsätze gemäß § 19 Abs. 4 UStG 1967 nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes. Mit dem Hinweis, der Kläger habe im Jahre 1969 keine Umsatzsteuer entrichtet, erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) den vom Kläger ermittelten Gewinn um die sogenannte Umsatzsteuerzahllast (Differenz zwischen der geschuldeten Umsatzsteuer und der abziehbaren Vorsteuer = 3 697 DM) sowie um die Umsatzsteuer für den Eigenverbrauch (für private Autonutzung = 88 DM). Von dem um diese Beträge erhöhten Gewinn ging das FA bei der Einkommensteuerveranlagung und bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für das Streitjahr aus.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Sprungklage, in welcher er die Auffassung vertrat, daß er bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen brauche. Die Klage hatte keinen Erfolg.
In seiner Revision vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Mehrwertsteuer sei in die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht einzubeziehen. Diese Gewinnermittlung solle zwar auf lange Sicht gesehen zu dem gleichen Ergebnis führen wie eine Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). Bei der zuletzt genannten Gewinnermittlungsart sei die Mehrwertsteuer aber nicht ergebnisrelevant. Verausgabte oder vereinnahmte Mehrwertsteuerbeträge würden in keinem Fall die Einkünfte eines Steuerpflichtigen im Bereich der Ertragsbesteuerung beeinflussen.
Das FA ist der Auffassung, die in 1969 vereinnahmte Mehrwertsteuer sei Betriebseinnahme und erhöhe - vermindert um die abzugsfähigen Vorsteuern - den Gewinn des Jahres 1969. Die im Kalenderjahr 1971 gezahlte Umsatzsteuerzahllast 1969 mindere erst den Gewinn des Klägers für 1971.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der erkennende Senat stimmt der Auffassung des FG zu, daß vereinnahmte und verausgabte Umsatz-(Mehrwert-) Steuerbeträge bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind.
Das Wesen dieser Gewinnermittlungsart besteht darin, daß die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenübergestellt werden. Der Begriff der Betriebsausgaben ist in § 4 Abs. 4 EStG dahin bestimmt, daß darunter die Aufwendungen zu verstehen sind, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Hinsichtlich der Betriebseinnahmen fehlt eine gesetzliche Begriffsbestimmung. In Anlehnung an die gesetzliche Begriffsbestimmung der Betriebsausgaben sind unter Betriebseinnahmen alle betrieblich veranlaßten Wertzugänge zum Betriebsvermögen zu verstehen, die nicht Einlagen i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sind (Urteil des BFH vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG im wesentlichen eine reine Geldrechnung ist, bei der Betriebseinnahmen und -ausgaben in erster Linie die betrieblich veranlaßten Geldeingänge und Geldabgänge sind. Bei den nach § 4 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben muß es sich jedoch wirtschaftlich um endgültige Geldzugänge und Geldabgänge handeln. Das fehlt, worauf das FG zu Recht hinweist, z. B. bei betrieblich veranlaßten Darlehnsaufnahmen und Darlehnsrückzahlungen (BFH-Urteil vom 8. Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44); es fehlt ferner bei reinen Vermögensumschichtungen, wie z. B. bei Aufwendungen für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72, BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293). Die Umsatzsteuerbeträge, die der Unternehmer einem Dritten in Rechnung stellt und von diesem erhält, sind ihm hingegen mit endgültiger Wirkung zugeflossen. Sie zählen nach vorstehender Begriffsbestimmung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu den Betriebseinnahmen. Umsatzsteuerbeträge, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen seines Gewerbebetriebs von Dritten in Rechnung gestellt werden und die er an Dritte zahlt (Vorsteuerbeträge), sowie Umsatzsteuerbeträge, die er - nach Abzug der Vorsteuer - an das FA abführt, sind dementsprechend Betriebsausgaben.
Der erkennende Senat teilt auch die Auffassung des FG, daß die vereinnahmten und verausgabten Umsatzsteuerbeträge steuerrechtlich nicht zu den durchlaufenden Posten gehören, die bei der Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG unberücksichtigt bleiben müssen. Das gilt ohne Rücksicht darauf, daß man betriebswirtschaftlich die Auffassung vertreten kann, Mehrwertsteuerbeträge hätten wegen ihrer Wettbewerbsneutralität den Charakter durchlaufender Posten. Die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise ist einkommensteuerlich aber nicht ausschlaggebend. Im Schrifttum geht die herrschende Meinung dahin, die vereinnahmten Mehrwertsteuerbeträge als Betriebseinnahmen, die verausgabten Vorsteuerbeträge als Betriebsausgaben zu behandeln und ihnen die Eigenschaft als durchlaufende Posten abzusprechen (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 Tz. 948; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 4 EStG, Anm. 91 [7] S. 505; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. § 9 b, Anm. 5 c; Eßer, DB 1968, 990; Wenzel, DB 1968, 993; Voigt, BB 1968, 584; Kormann/Henssler, BB 1969, 303 [306]; Baumann, Buchhaltungsbriefe, Fach 8 S. 161; Falterbaum, Steuer-Warte 1970 S. 39; Stuhrmann, UStR 1971, 129; zweifelnd Schwarze, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 7 S. 1889 [1899]; anderer Ansicht Bockholt, UStR 1968, 233). Die Finanzverwaltung steht ebenfalls auf diesem Standpunkt (vgl. Abschn. 86 Abs. 4 EStR 1969; Bescheid des BdF vom 27. Mai 1969, BB 1969, 748; Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 1969, BB 1970, 23). Gleicher Ansicht sind das FG Berlin (rechtskräftiges Urteil vom 2. Dezember 1970 VI 109/70, EFG 1971, 325) und das FG Münster (rechtskräftiges Urteil vom 30. September 1971 VI 829/70 F, EFG 1972, 11). Der herrschenden Meinung ist schon deshalb zu folgen, weil es hinsichtlich der geschuldeten Umsatzsteuerbeträge an unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Empfänger der umsatzsteuerpflichtigen Leistung und dem Steuergläubiger fehlt. Der Unternehmer vereinnahmt und verausgabt die Umsatzsteuer im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Er ist nach § 13 Abs. 2 UStG 1967 der Steuerschuldner. Die Argumente, die Umsatzsteuer könne überwälzt werden, sie brauche bei der Kostenrechnung nicht berücksichtigt zu werden oder der Unternehmer ziehe die Umsatzsteuer für den Steuergläubiger nur ein, können zur Begründung, die Umsatzsteuer sei ein ertragsteuerlich irrelevanter Posten, nicht herangezogen werden. Die Begriffsbestimmung, wie sie in § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG für nicht zu berücksichtigende durchlaufende Posten gegeben wird, ist verhältnismäßig eng: Auszuscheiden haben Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden.
Gleichwohl ist die vom FA vorgenommene und vom FG gebilligte Errechnung des Gewinnerhöhungsbetrags in einigen Punkten nicht richtig.
Mit dem FG ist davon auszugehen, daß der Kläger seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 UStG 1967) versteuert. Im Falle der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten müssen die von Kunden vereinnahmten Mehrwertsteuerbeträge It. Umsatzsteuererklärung mit den als Betriebseinnahmen in der Einnahmeüberschußrechnung aufzunehmenden Mehrwertsteuerbeträgen übereinstimmen. Im vorliegenden Fall kommen demnach als Betriebseinnahmen des Gewinnermittlungszeitraums 1969 die von den Kunden vereinnahmten Mehrwertsteuerbeträge von 5 839,02 DM (Umsatzsteuer It. Erklärung: 5 927,02 DM abzüglich Umsatzsteuer für Eigenverbrauch von 88 DM) in Betracht.
Die auf den Eigenverbrauch - hier auf die Verwendung von Gegenständen (private Autonutzung) - zu zahlende Umsatzsteuer in Höhe von 88 DM darf nach § 12 Nr. 3 EStG den steuerpflichtigen Gewinn nicht mindern. Dieser Betrag ist dem Gewinn des Streitjahres hinzuzurechnen, wie es hinsichtlich des Nettobetrags für die private Autonutzung (800 DM) in der vom Kläger eingereichten Gewinnermittlung schon geschehen ist. In dem vom FA hinzugesetzten Gewinnerhöhungsbetrag sind die genannten 88 DM unrichtigerweise aber zweimal erfaßt. Dieser Betrag ist einmal in der aus der Umsatzsteuererklärung übernommenen und dem Gewinn hinzugerechneten Umsatzsteuerzahllast von 3 697 DM enthalten (Differenz zwischen der gesamten Umsatzsteuer - einschließlich der Steuer auf den Eigenverbrauch zuzüglich der Selbstverbrauchsteuer - von 6 740,42 DM und der abziehbaren Vorsteuer von 3 043,33 DM). Außerdem hat das FA den auf den Eigenverbrauch entfallenden Betrag von 88 DM dem Gewinn noch einmal hinzugesetzt. Der Betrag von 88 DM durfte aber nur einmal dem Gewinn hinzugerechnet werden.
Der Kläger hat in seiner Umsatzsteuererklärung 1969 für die Anschaffung eines betrieblich genutzten PKW eine Selbstverbrauchsteuer von 813,40 DM ausgewiesen. Die Selbstverbrauchsteuer (§ 30 UStG 1967) gehört nach § 9 b Abs. 3 EStG ertragsteuerlich zu den Anschaffungskosten. Ihre Verrechnung erfolgt über die Absetzung für Abnutzung (AfA) für den angeschafften PKW. Der Kläger ist ausweislich der von ihm eingereichten Einnahme-Ausgabe-Rechnung 1969 in dieser Weise verfahren. FA und FG haben demgegenüber bei ihrer Berechnung - Erhöhung des Gewinns um die gesamte Umsatzsteuerzahllast - die Selbstverbrauchsteuer unrichtigerweise als eine voll den Erfolg des Streitjahres beeinflussende Betriebseinnahme behandelt. Der Betrag von 813,40 DM hätte vielmehr bei der Errechnung des Gewinnerhöhungsbetrags herausgenommen werden müssen.
Die bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigenden Vorsteuerbeträge sind von FA und FG ebenfalls nicht in der richtigen Höhe angesetzt worden. Geleistete Vorsteuerbeträge sind Betriebsausgaben, soweit sie durch den Gewerbebetrieb des Unternehmers veranlaßt worden sind. Da es bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auch hier auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der einzelnen Vorsteuerbeträge ankommt, können nicht ohne weiteres die in der Umsatzsteuererklärung ausgewiesenen abziehbaren Vorsteuerbeträge als Betriebsausgabe angesetzt werden. Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 UStG 1967 in der Weise geregelt, daß der Unternehmer die ihm von einem anderen Unternehmer gesondert in Rechnung gestellte Steuer von der zu zahlenden Umsatzsteuer abziehen kann. Der Vorsteuerabzug erfolgt somit nach dem Sollprinzip. Beim Vorsteuerabzug kommt es daher nicht darauf an, ob der Unternehmer die ihm von einem Vorunternehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer schon bezahlt hat oder nicht. Hat, wie im vorliegenden Fall der Kläger, der Unternehmer die Besteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gewählt, bleibt es hinsichtlich des Vorsteuerabzugs dabei, daß er alle ihm lediglich in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge von der im Veranlagungs- oder Voranmeldungszeitraum zu zahlenden Umsatzsteuer absetzen kann. Obwohl also ein solcher Unternehmer seine eigenen Lieferungen oder sonstigen Leistungen erst zu versteuern braucht, wenn er das Entgelt vereinnahmt hat (Ist-Versteuerung), kann er die Vorsteuer nach ihrem Soll berücksichtigen (Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 10. Aufl., § 20 Tz. 62).
Für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergibt sich daraus, daß Vorsteuerbeträge, die auf betriebliche Verbindlichkeiten entfallen, die am Ende des Gewinnermittlungszeitraums noch bestehen, nicht als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Demgegenüber sind alle Vorsteuerbeträge, die im Laufe des Gewinnermittlungszeitraums auf die zu seinem Beginn noch bestehenden oder danach entstehenden Verbindlichkeiten gezahlt worden sind, den Betriebsausgaben hinzuzurechnen. Nur auf diese Weise ist zu erreichen, daß bei der Einnahmeüberschußrechnung die tatsächlich gezahlten Vorsteuerbeträge als Betriebsausgaben richtig erfaßt werden. Diese Grundsätze sind von FA und FG bei der Errechnung des Betrags, um den der Gewinn des Streitjahres zu erhöhen ist, nicht beachtet worden.
Die Vorentscheidung war nach alledem wegen der in mehreren Punkten unrichtigen Errechnung des Gewinnerhöhungsbetrags aufzuheben. Da der erkennende Senat die vom Kläger im Gewinnermittlungszeitraum 1969 tatsächlich gezahlten Vorsteuerbeträge nicht selbst feststellen kann, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71352 |
BStBl II 1975, 441 |
BFHE 1975, 129 |