Wahl der Gewinnermittlungsart

Der Steuerpflichtige bleibt für den betreffenden Gewinnermittlungszeitraum an die einmal getroffene Wahl gebunden, es sei denn, er legt eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den Wechsel dar.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

  • Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Davon abweichend können Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG).
  • Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind gemäß § 177 Abs. 1 AO, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.

Rechtsfrage

Ist es einem Steuerpflichtigen rechtlich möglich, auch nach Bestandskraft der Ursprungsveranlagung im Rahmen der gegen die Änderungsbescheide gerichteten Einsprüche sein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart neu auszuüben, um Mehrergebnisse aus einer Betriebsprüfung zu glätten?

Sachverhalt: Kläger änderte Gewinnermittlungsart

  • Der Kläger ermittelte bis zum Jahr 2011 er seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Im Jahr 2012 stellte er die Gewinnermittlung auf den Betriebsvermögensvergleich um.
  • Für das Streitjahr 2016 reichte er beim Finanzamt (FA) eine auf den 31.12.2016 erstellte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ein. Der danach ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb betrug 20.828 EUR. Das FA stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß gesondert fest und ermittelte den Gewerbesteuermessbetrag mit 0 EUR. Beide Bescheide standen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Einsprüche gegen die Bescheide legte der Kläger nicht ein.
  • Im Januar 2019 fand eine Außenprüfung bei dem Kläger statt, die auch das Streitjahr umfasste. Infolgedessen änderte das FA den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und stellte einen Gewinn für das Streitjahr i. H. v. 33.472 EUR fest. Den Gewerbesteuermessbescheid änderte das FA nach § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag i. H. v. 311 EUR fest.
  • Der Kläger reichte dagegen Einspruch ein und legte zur Begründung eine geänderte Gewinnermittlung in Form einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG für 2016 nebst Übergangsgewinnermittlung auf den 1.1.2016 vor. Aus dieser ergab sich ein Gewinn aus Gewerbebetrieb i. H. v. 21.809 EUR.
  • Das FA wies die Einsprüche mit der Begründung zurück, der Kläger habe sein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Gewinnermittlung mit Einrichtung der entsprechenden Buchführung ausgeübt und sei nach Eintritt der Bestandskraft der Bescheide nicht mehr berechtigt gewesen, die Wahl zu ändern.

FG gab Klage statt

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, dass der Kläger auch nach Bestandskraft der angefochtenen Bescheide zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG habe zurückkehren dürfen. Der Kläger müsse nach dem Rechtsgedanken des § 177 AO das Recht haben, die Mehrergebnisse durch Änderung der Gewinnermittlungsart zu kompensieren. Dies diene zum einen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, deren Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, zum anderen der Waffengleichheit mit dem FA, das auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zurückgreifen könne. Mit der geänderten Wahlrechtsausübung seien die Bescheide materiell rechtswidrig geworden, so dass § 177 AO Anwendung finde.

Entscheidung: BFH hebt Vorentscheidung auf und weist Klage ab

Der BFH entscheidet, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger seine Gewinnermittlungsart für das Streitjahr ändern konnte.

Kläger hatte sein Wahlrecht bereits ausgeübt

  • Der Kläger erfüllte im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte.
  • § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG fordert zusätzlich zur fehlenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht, dass der Steuerpflichtige tatsächlich keine Bücher führt und keine Abschlüsse macht. Führt er hingegen ohne gesetzliche Verpflichtung freiwillig Bücher und macht er Abschlüsse, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht mehr erfüllt. Aufgrund der größeren Genauigkeit der Buchführung ist in diesem Fall der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln.
  • Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
  • Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich sind in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das FA in den Rechtsverkehr begibt.
  • Gemessen daran hat der Kläger sein Wahlrecht, den Gewinn für das Streitjahr durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, ausgeübt und erfüllt deshalb die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht mehr.

Kläger ist an ausgeübtes Wahlrecht gebunden

Die Ausübung des Wahlrechts wird in formeller Hinsicht durch die Bestandskraft der betreffenden Bescheide und in materieller Hinsicht durch die jeweiligen Voraussetzungen des Gewinnermittlungswahlrechts begrenzt, im Falle des Wechsels zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung durch § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG. Hat der Steuerpflichtige einmal die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gewählt, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht mehr vor. Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist deshalb grundsätzlich nachträglich nicht mehr abänderbar.

Der Steuerpflichtige bleibt – aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – nach einem Wechsel der Gewinnermittlungsart grundsätzlich für 3 Wirtschaftsjahre an diese Wahl gebunden; nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes kann er vor Ablauf dieser Frist wieder zurückwechseln. Legt der Steuerpflichtige die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den erneuten Wechsel der Gewinnermittlungsart dar, so kann sogar ein mehrfacher Wechsel der Gewinnermittlungsart auf den gleichen Zeitpunkt zuzulassen sein.

Nach diesen Maßstäben war dem Kläger die Änderung der Wahlrechtsausübung nicht mehr möglich. Zwar hat das FG zu Recht nicht in Frage gestellt, dass der Kläger grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, für das Streitjahr vom Betriebsvermögensvergleich der Vorjahre zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung überzugehen. Er hatte seinen Gewinn für einen angemessenen Zeitraum nach der zuvor selbst gewählten Gewinnermittlungsmethode – hier seit 2012 und damit für 4 Jahre – ermittelt, so dass der Wechsel der Gewinnermittlungsart für das Streitjahr nicht als beliebiges Hin- und Herwechseln anzusehen gewesen wäre.

Der Kläger hat allerdings keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die einmal gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern. Allein der Umstand, dass der Kläger durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Damit haben sich nämlich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert.

Hinweis: § 177 AO lässt kein anderes Ergebnis zu

Rechtsfehlerhaft im Sinne von § 177 AO ist ein Bescheid nicht nur, wenn geltendes Recht unrichtig angewendet wurde, sondern auch dann, wenn der Steuerfestsetzung ein Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, der sich als unrichtig erweist. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag sind hinsichtlich der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich nicht fehlerhaft. Sie basieren auf den Steuererklärungen des Klägers, in denen er in zulässiger Weise von seinem Recht zur Wahl der Gewinnermittlung Gebrauch gemacht hat, und setzen diese zutreffend und damit fehlerfrei um. Eine selbständige Rechtfertigung, die getroffene Wahl zu ändern, enthält § 177 Abs. 1 AO nicht.

BFH, Urteil v. 27.11.2024, X R 1/23; veröffentlicht am 6.2.2025

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