Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Reisetaschen

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Tarifierung von Reisetaschen aus kunststoffbeschichtetem Gewebe (Außenseite Kunststoffschicht).

2. Eine mit Kunststoff beschichtete Außenseite (1.) ist keine ,,Außenseite aus Kunststoffolien".

 

Normenkette

KN Unterpos. 4202 9990; KN Unterpos. 4202 9211; KN Unterpos. 4202 12; KN Anm. 10 zu Kap. 39

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA), in denen ,,Flugtaschen" aus einem (zell-)kunststoffbeschichteten Gewebe (Außenseite Kunststoffschicht) der Unterposition 4202 9211 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - Reisetaschen mit Außenseite aus Kunststoffolien - zugeordnet wurden. Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese - sinngemäß - die Einreihung in die Unterposition 4202 9291 (Reisetaschen mit Außenseite aus Spinnstoffen) erstrebte, hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 1990). Unter ,,Kunststoffolie" - so die OFD - sei nicht nur ein eigenständiges, nicht starres Flächenerzeugnis mit einer in sich geschlossenen Oberfläche zu verstehen, sondern auch ein Erzeugnis, das ein (vollständiges) Bestreichen oder Überziehen mit Kunststoff erfahren habe und das dadurch eine folienartige Lage aus Kunststoff aufweise (vgl. auch Anm. 2 a Nr. 5 zu Kap. 59 KN).

Die Klägerin macht demgegenüber geltend, es liege ein textiles Material (Spinnstoff) vor, das mit Kunststoff beschichtet worden sei. Diese Beschichtung sei keine Folie. Eine Kunststoffolie bestehe nur aus Kunststoff.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die ,,Flugtaschen" sind innerhalb der Position 4202 nicht in die Unterposition 4202 9211, sondern in die Unterposition 4202 9990 einzureihen. Ihre Außenseite besteht nicht aus Kunststoffolien (oder Spinnstoffen), sie sind vielmehr ,,andere" Reisetaschen.

Die Waren bestehen aus kunststoffbeschichtetem Gewebe (Spinnstoff). Sie fallen nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck unter die Position 4202 (vgl. Erläuterungen zu dieser Position, Harmonisiertes System - ErlHS - Rz. 04.0; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteil vom 19. Mai 1983 Rs 192/82, EuGHE 1983, 1769, 1779, Abs. 12 der Urteilsgründe). Ihre Außenseite bildet die Beschichtung mit Kunststoff. Bei dieser Beschaffenheit liegt, wovon nunmehr auch die Klägerin ausgeht (Klageantrag), eine Außenseite aus Spinnstoffen nicht vor. Die Außenseite besteht aber auch nicht aus Kunststoffolien. Der Auffassung der OFD, eine durch Bestreichen oder Überziehen mit Kunststoff entstandene ,,folienartige Lage" sei gleichfalls als Kunststoffolie anzusprechen, ist nicht zu folgen. Kunststoffolien sind eigenständige, als solche schnittfähige Flächenerzeugnisse aus Kunststoff in bestimmter Form (vgl. Anm. 10 zu Kap. 39; ErlHS zu Kap. 39 Rz. 49.0, 50,0). Diese Begriffsbestimmung ist auch hier zugrundezulegen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Begriff ,,Kunststoffolien" im Sinne von Unterposition 4202 92 in einem anderen - weiteren - Sinne zu verstehen ist. Ob das im Falle der Anm. 2 a Nr. 5 zu Kap. 59 KN, d. h. bei der u. a. für Zellkunststoffolien in Verbindung mit Geweben zu treffenden Abgrenzung zwischen Position 5903 und dem Kap. 39 in Betracht kommt, ist unerheblich. Selbst wenn das anzunehmen wäre, so ließe sich daraus nichts für die von der OFD auch zu Position 4202 vertretene Auslegung herleiten. Abgesehen davon, daß innerhalb des Zolltarifs Analogieschlüsse grundsätzlich nicht zulässig sind (Senat, Urteile vom 6. November 1990 VII R 38/87, BFHE 162, 524, vom 21. August 1990 VII K 16-26/89, BFH/NV 1991, 422, und vom 27. Juni 1989 VII K 10/88, BFH/NV 1990, 467), ergibt sich auch aus dem Aufbau der Position 4202, daß im Hinblick auf die Außenseite zwischen ,,Kunststoff" als Oberbegriff und ,,Kunststoffolien" als Unterbegriff zu unterscheiden ist (vgl. Unterposition 4202 12). Diese Unterscheidung muß bei der Auslegung der Unterposition 4202 92 beachtet werden. Kunststoff (in Form der äußeren Beschichtung eines die Innenseite bildenden Gewebes) ist auch in diesem Zusammenhang etwas anderes als eine Kunststofffolie. Dies gilt selbst dann, wenn die Beschichtung ,,folienartig" sein sollte. Auch ein derart beschichtetes Gewebe weist außen keine Folie auf.

Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses - Außenseite nicht aus Kunststoffolien - sprechen auch die Erläuterungen zum früheren Gemeinsamen Zolltarif. Nach ihnen (zu Tarifnr. 42.02 Teil II Rz. 3) waren Reiseartikel - z. B. Reisetaschen - aus kunststoffüberzogenen Geweben (Similileder) ,,andere", nämlich nicht aus Kunststoffolien bestehenden Erzeugnisse (Tarifst. 42.02 B). Auch wenn darin unmittelbar noch keine Aussage über die Beschaffenheit (damals noch nicht tarifierungserheblichen) Außenseite liegt, so deutet der Erläuterungswortlaut doch darauf hin, daß ein bloßer Kunststoffüberzug nicht als Verbindung des Gewebes mit Kunststoffolien gewertet wurde. Anderenfalls hätte es, da Reiseartikel aus Kunststoffolien in Tarifst. 42.02 A ausdrücklich aufgeführt waren, nahegelegen, Gewebe mit Kunststoffolien ,,einschließlich kunststoffüberzogener Gewebe" anzusprechen.

Da die Erzeugnisse hiernach als ,,andere" Reisetaschen einzureihen sind, ist die OFD unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß zu verpflichten.

An der Tarifierung bestehen, vor allem wegen der der Position 4202 selbst zu entnehmenden Unterscheidung zwischen Kunststoff und Kunststoffolien, keine Zweifel. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist somit nicht veranlaßt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430; Senat, Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266, 270).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417620

BFH/NV 1991, 853

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