Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatztantiemen oder Reisekostenerstattungen als vGA
Leitsatz (amtlich)
1. Die an einen Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Umsatztantieme ist im Regelfall eine vGA und eine andere Ausschüttung, wenn in der Tantiemevereinbarung eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung der Tantieme fehlt (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124). Dies gilt auch, wenn der durch die Umsatztantieme begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer Minderheitsgesellschafter ist.
2. Erstattet eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer anläßlich von Dienstreisen entstandene Übernachtungs- und Verpflegungsaufwendungen, so kann darin eine vGA liegen. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG ist auf diesen Sachverhalt jedoch nicht anwendbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6; KStG §§ 27, 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine 1982 mit einem Stammkapital von 50 000 DM gegründete GmbH, unterhielt in den Streitjahren 1985 bis 1988 Betriebsstätten in unterschiedlichen Städten. Gesellschafter waren bis 11. Mai 1987 mit jeweils 44 % F und S und mit 12 % D. Am 11. Mai 1987 veräußerte S seinen Gesellschaftsanteil an die Ehefrau des F.
Geschäftsführer der Klägerin waren F und ―bis zu seinem Ausscheiden― S. Die Klägerin, vertreten durch S, schloß am 30. September 1982 mit F einen Anstellungsvertrag, wonach dieser neben einer monatlichen Vergütung in Höhe von 6 000 DM (ab September 1987 8 000 DM) eine Umsatztantieme in Höhe von 4 % des jährlichen Umsatzes erhalten sollte, "soweit die Firma dadurch nicht einen Verlust ausweist". Nach § 3 des Anstellungsvertrages hatte die Klägerin ferner F die im Rahmen seiner Tätigkeit anfallenden Reisekosten zu erstatten, und zwar u.a. "die Verpflegungs- und Übernachtungskosten in Höhe der steuerlichen Pauschsätze". Neben dem Festgehalt und der am 1. Dezember 1986 zugesagten Altersversorgung erhielt F in den Streitjahren folgende Tantiemen bzw. Kostenerstattungen:
@a@
1985198619871988
DM DM DM DM
Tantiemezahlungen93 377141 776203 85461 000
Verpflegungsmehraufwand/
Übernachtungskosten14 001 21 714 20 63021 000
@e@
S erhielt in den Streitjahren (bis zu seinem Ausscheiden als Gesellschafter und Geschäftsführer) ein Gehalt in Höhe von 25 000 DM (1985), 11 700 DM (1986) und 2 822 DM (1987).
Umsatz und Gewinn der Klägerin entwickelten sich in den Streitjahren wie folgt:
@a@
JahrUmsatzGewinn
19852 384 TDM97 540 DM
19863 544 TDM 8 213 DM
19875 096 TDM 144 388 DM
19884 649 TDM 7 688 DM
@e@
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, daß die in den Streitjahren rückgestellten Umsatztantiemen, die jeweils in den Folgejahren zur Auszahlung kamen, sowie die Kostenerstattungen für Verpflegungs- und Übernachtungskosten verdeckte und andere Gewinnausschüttungen seien. Einsprüche und Klagen hatten keinen Erfolg.
Mit ihren Revisionen rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt, die Urteile des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 1985 bis 1988, die Bescheide über die gesonderte Feststellung nach § 47 KStG zum 31. Dezember 1985 bis 31. Dezember 1988 und die Gewerbesteuermeßbescheide 1985 bis 1988 dahingehend zu ändern, daß die Umsatztantiemen und die Reisekostenerstattung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt werden.
Das FA beantragt, die Revisionen hinsichtlich der Frage der Umsatztantieme als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat verbindet die Verfahren gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung.
Die Revisionen der Klägerin gegen die angefochtenen Urteile des FG sind hinsichtlich der Reisekostenerstattung begründet. Die Vorentscheidungen sind insoweit aufzuheben. Im übrigen sind die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
A. Umsatztantieme:
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (so ständige Rechtsprechung).
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist im Zusammenhang mit der Frage nach der steuerlichen Anerkennung von Erfolgsbeteiligungen für einen Gesellschafter-Geschäftsführer davon auszugehen, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Regelfall eine Erfolgsvergütung in Form einer Gewinn- und nicht in Form einer Umsatztantieme gewährt, da eine Umsatzbeteiligung unter Vernachlässigung des eigenen Gewinnstrebens der Kapitalgesellschaft die Gefahr einer Gewinnabsaugung in sich birgt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die einschlägigen Entscheidungen des erkennenden Senats Bezug genommen (Urteile vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234; vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124, und vom 20. September 1995 I R 130/94, BFH/NV 1996, 508; Beschlüsse vom 30. August 1995 I B 114/94, BFH/NV 1996, 265, und vom 28. September 1995 I B 201/94, BFH/NV 1996, 365).
Wenngleich nach diesen Grundsätzen im Regelfall eine Umsatztantieme als vGA zu beurteilen sein wird, so muß gleichwohl nicht jede in Form einer Umsatztantieme gewährte Erfolgsbeteiligung eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sein. Auch dem (gedachten) ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft ist ein gewisser Gestaltungsspielraum bei seinen Entscheidungen einzuräumen, in dessen Rahmen er den betrieblichen Notwendigkeiten und Interessen der Kapitalgesellschaft Rechnung tragen kann und ggf. muß (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. Januar 1973 I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322; vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; vom 18. Dezember 1996 I R 26/95, BFHE 182, 190, BFH/NV 1997, 232; vom 6. April 1977 I R 86/75, BFHE 122, 98, BStBl II 1977, 569).
In diesem Sinne hat der erkennende Senat zwar eine Umsatztantieme dann nicht als gesellschaftlich veranlaßt beurteilt, wenn überzeugende betriebliche und/oder unternehmerische Gründe für die Gewährung einer Umsatztantieme an den Gesellschafter-Geschäftsführer vorlagen. Als ein solcher Grund wurde z.B. die Aufbau- und/oder Umbauphase eines Unternehmens anerkannt. Auch eine ausschließliche Vertriebszuständigkeit erschien dem Senat im Einzelfall als besonderer wirtschaftlicher Rechtfertigungsgrund (vgl. BFH in BFH/NV 1994, 124). Selbst wenn die Klägerin aber, was sie vorgetragen hat, sich in den Streitjahren noch in der Aufbauphase befunden haben sollte und F vorrangig mit Akquisitionstätigkeiten befaßt gewesen sein sollte, scheitert die Anerkennung der Umsatztantieme im Streitfall an ihrer fehlenden vertraglichen zeitlichen und höhenmäßigen Begrenzung. Derartige Begrenzungen sind zur Vermeidung einer künftigen Gewinnabsaugung und einer die Rendite vernachlässigenden Umsatzsteigerung notwendig (vgl. z.B. BFH in BFH/NV 1996, 508, m.w.N.; in BFH/NV 1994, 124, m.w.N.).
Zwar hat der Senat die Notwendigkeit einer Begrenzung der Umsatztantieme bisher nur bei beherrschenden Gesellschaftsverhältnissen bejaht. Sie gilt aber gleichermaßen für einen Gesellschafter-Geschäftsführer, der Minderheitsgesellschafter ist. Das Vorliegen einer vGA kann nicht von der vagen Annahme abhängen, daß die übrigen Gesellschafter mit zeitnahem Erfolg auf eine ggf. notwendige Begrenzung der Umsatztantieme reagieren und einer die Ertragssituation vernachlässigenden Umsatzsteigerung Einhalt gebieten könnten. Ebensowenig reicht die vage Absicht im Zeitpunkt der Tantiemezusage aus, "zu gegebener Zeit" die Umsatztantieme zu begrenzen oder durch eine andere Form der Vergütung zu ersetzen. Nicht ausreichend ist, vertraglich die Umsatztantieme nur für den Verlustfall zu begrenzen. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft muß das Ziel einer Gewinnsteigerung, nicht nur der Verlustvermeidung im Auge haben. Wenn der Senat in BFH/NV 1994, 124 auf eine Begrenzung verzichtet hat, so lag dies an der Besonderheit des dort zu entscheidenden Sachverhalts.
B. Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten:
In diesem Streitpunkt kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben.
Der Senat läßt offen, ob und ggf. in welchem Umfang Übernachtungs- und/oder Verpflegungsmehraufwand ―wie das FG meint― von § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG erfaßt wird. § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG bieten jedenfalls keine Rechtsgrundlage dafür, einer Kapitalgesellschaft den Abzug der betrieblich veranlaßten Reisekosten ihres Gesellschafter-Geschäftsführers zu versagen. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG dürfen Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten nicht den Gewinn mindern, soweit sie die sich in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 und Abs. 2 EStG ergebenden Beträge übersteigen. Eine Kapitalgesellschaft, um deren Steuerpflicht es im anhängigen Verfahren geht, kann ihrer Natur nach keine Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und auch keinen Verpflegungsmehraufwand haben. Dementsprechend nimmt auch Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1985 (ebenso Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 1 KStR 1995) § 4 Abs. 5 Nrn. 5 und 6 EStG ausdrücklich von den für Körperschaften entsprechend anwendbaren Normen des EStG aus.
Erstattet eine Körperschaft ihrem Geschäftsführer vereinbarungsgemäß die diesem anläßlich von betrieblichen Reisen entstandenen Reisekosten, so sind daher diese Kosten grundsätzlich gewinnmindernd anzusetzen. Ist der Geschäftsführer ―wie im Streitfall― zugleich Gesellschafter, so kann sich allenfalls die Frage stellen, ob die Erstattung eine verdeckte oder andere Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 bzw. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG ist. Hierfür liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor.
Fundstellen
Haufe-Index 171124 |
BFH/NV 1999, 1037 |
BStBl II 1999, 321 |
BFHE 188, 61 |
BB 1999, 885 |
DB 1999, 882 |
DStR 1999, 667 |
DStRE 1999, 397 |
HFR 1999, 559 |
StE 1999, 244 |