Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, inwieweit die FA an eine Bescheinigung des Bundesbeauftragten für den Steinkohlebergbau nach § 32 KohleG gebunden sind.
Normenkette
KohleG § 32
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1969 gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR); Gesellschafter sind A und seine beiden Söhne. Zweck der Gesellschaft ist laut Gesellschaftsvertrag die Errichtung und Vermietung eines Kaufhausgebäudes...
In 1969 errichtete die Klägerin auf einem Grundstück in X ein Kaufhausgebäude. Die Herstellungskosten betrugen etwas mehr als 2 Mio. DM. Die Klägerin hat das Gebäude langfristig an die Firma Z vermietet. Diese betreibt darin ein Kaufhaus mit ca. 50 Arbeitsplätzen. Im Streitjahr 1970 betrugen die Nettoerlöse aus der Vermietung des Kaufhausgebäudes 386 470 DM, die Erlöse aus ... 3 698 DM.
Im November 1969 beantragte die Klägerin beim Bundesbeauftragten für den Steinkohlebergbau eine Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 des Kohlegesetzes (KohleG), um eine Investitionsprämie in Höhe von 10 v. H. der Herstellungskosten des Kaufhausgebäudes zu erlangen. Mit Verfügung vom 7. Mai 1971 lehnte der Kohlebeauftragte ab, die beantragte Bescheinigung zu erteilen. Die Ablehnung war darauf gestützt, daß die Grundstücksgesellschaft mit der langfristigen Vermietung des Gebäudes keine gewerbliche Tätigkeit ausübe und das Gebäude deshalb nicht Betriebsvermögen sei; demgemäß unterlägen der Gewinn aus der Vermietung und das Vermögen nicht der Gewerbesteuer; selbst wenn jedoch ein gewerbliches Unternehmen gegeben wäre, sei das Gebäude keine Betriebstätte der Gesellschaft, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Verpächter in dem verpachteten Betriebsvermögen keine Betriebstätte habe.
Gegen diese Verfügung legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren erteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) der Klägerin auf deren Bitten hin am 29. Oktober 1971 eine Bescheinigung zur Vorlage beim Bundesbeauftragten für den Steinkohlebergbau. Darin heißt es, daß der Grundbesitz der Klägerin in X zum Betriebsvermögen gehöre und die Gewinne und Verluste der Klägerin nach den vorliegenden Abschlüssen aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden seien.
Daraufhin erteilte der Kohlebeauftragte am 19. November 1971 eine Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 KohleG. Diese lautet wörtlich:
"Der Firma A & Söhne, ..., wird hiermit zur Vorlage beim Finanzamt bescheinigt, daß das in ihrem obigen Antrag dargestellte Vorhaben, und zwar Errichtung ihrer Betriebstätte in ...,
- geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur des Steinkohlebergbaugebietes ... zu verbessern,
- volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist und
- nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung aus den Bundesförderungsgebieten oder Berlin steht.
Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 Kohlegesetz sind damit gegeben.
Auflagen werden nicht erteilt.
Inwieweit die im Zusammenhang mit dem vorerwähnten Vorhaben angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter nach § 32 Abs. 1 und 3 Kohlegesetz berücksichtigungsfähig sind, bleibt der Entscheidung des zuständigen Finanzamts vorbehalten."
In ihrer Gewinnfeststellungserklärung für 1970 wies die Klägerin einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 57 187 DM aus und beantragte eine Investitionsprämie nach § 32 KohleG in Höhe von 204 966 DM (10 v. H. von 2 049 668 DM).
Das FA lehnte es im Rahmen der vorläufigen Gewinnfeststellung für 1970 unter Hinweis auf die Verfügung des Steinkohlebeauftragten vom 7. Mai 1971 ab, Investitionsprämie zu gewähren. Die fraglichen Investitionen hätten nicht zu einer Betriebstätte der Klägerin geführt.
Die Klägerin erhob Klage mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß den Gesellschaftern der Klägerin gemäß § 32 KohleG Steuerermäßigungen im Veranlagungsverfahren bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer 1970 in Höhe von insgesamt 55 677 DM zu gewähren sind. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FG entschied, daß FA und FG nicht an die Bescheinigung des Kohlebeauftragten vom 19. November 1971 gebunden seien, soweit die Beurteilung der Betriebstätteneigenschaft in Frage stehe. Diese gehöre nicht zu den Kompetenzen des Kohlebeauftragten. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämien nach § 32 KohleG seien nicht erfüllt, weil das Kaufhausgebäude keine Betriebstätte der Klägerin darstelle und diese demnach keine Betriebstätte errichtet oder erweitert habe. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 399 (EFG 1977, 399) veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, "daß in dem Feststellungsbescheid 1970 die Prämien gemäß § 32 Kohlegesetz für die Gesellschafter der GdbR bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anzuführen und damit die entsprechenden Verrechnungen mit Steuerschulden zu gewähren waren" , hilfsweise festzustellen, daß das FA nach Treu und Glauben verpflichtet ist, "die Prämien gemäß § 32 Kohlegesetz für 1970 und Folgejahre anzusetzen bzw. entsprechend die Steuerbeträge zu erlassen, § 131 AO bzw. § 227 AO 1977'', hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KohleG können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlebergbaugebiet "eine Betriebstätte errichten oder erweitern", auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bis zur Höhe von 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Diese Vorschrift ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 KohleG nur anzuwenden, wenn der Bundesbeauftragte für den Steinkohlebergbau "bescheinigt hat", daß die Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur der Steinkohlebergbaugebiete zu verbessern, volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist und nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung aus den Bundesförderungsgebieten oder Berlin steht.
2. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Klägerin im Streitfall keine eigene Betriebstätte errichtet hat und demgemäß die Wirtschaftsgüter, für die die Klägerin Investitionsprämie beansprucht, keine "im Zusammenhang mit der Errichtung ... der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" sind.
a) Dem Senat erscheint zweifelhaft, ob das von der Klägerin errichtete Kaufhausgebäude Betriebsvermögen eines gewerblichen Unternehmens ist; denkbar wäre z. B., daß in Wahrheit zivilrechtlich und einkommensteuerrechtlich zwei Gesellschaften bestehen, von denen die eine nur vermögensverwaltend tätig ist (Vermietung des Gebäudes) und die andere nur gewerblich (Automatenaufstellung). Die Frage kann jedoch im Streitfall auf sich beruhen; für diesen unterstellt der Senat, daß das Kaufhausgebäude Betriebsvermögen eines gewerblichen Unternehmens ist.
b) § 32 Abs. 1 Satz 1 KohleG setzt voraus, daß eine Betriebstätte i. S. von § 16 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§ l2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) errichtet wird und daß dies durch den oder diejenigen Steuerpflichtigen geschieht, die den Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vornehmen wollen. Es genügt nicht, daß ein Steuerpflichtiger Investitionen für eine Betriebstätte macht, die dem Gewerbebetrieb eines anderen Steuerpflichtigen dient (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 28. April 1978 7 C 53/56, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Kohlegesetz, § 32, Rechtsspruch 10). Entgegen der Annahme der Revision kommt dies im Wortlaut des § 32 Abs. 1 KohleG klar zum Ausdruck.
Wie der BFH mehrfach entschieden hat, sind Grundstücke oder Gebäude, die zu einem Betriebsvermögen des Eigentümers gehören, nur dann als Betriebstätte des Eigentümers zu werten,
aa) wenn dieser darin selbst als Einzelunternehmer eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet oder
bb) wenn darin eine Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, an der der Grundstücks- oder Gebäudeeigentümer als Mitunternehmer beteiligt ist; denn in diesem Falle ist die Betriebstätte der Mitunternehmerschaft zugleich als Betriebstätte jedes Mitunternehmers anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516/521, BStBl II 1979, 750).
Hingegen begründet ein Grundstück oder Gebäude keine Betriebstätte des Eigentümers, wenn dieser das Grundstück oder das Gebäude lediglich durch Vermietung oder Verpachtung an einen Fremden nutzt (z. B. BFH-Urteile vom 6. Juli 1978 IV R 24/73, BFHE 126, 102/106, BStBl II 1979, 18, mit weiteren Nachweisen; vom 12. April 1978 I R 136/77, BFHE 125, 157/161, BStBl II 1978, 494; vom 28. Oktober 1977 III R 77/75, BFHE 123, 542, BStBl II 1978, 116; vgl. auch BVerwG-Entscheidung in StRK, Kohlegesetz, § 32, Rechtsspruch 10).
Im Streitfall hat die Klägerin in dem ihr gehörigen Kaufhausgebäude keine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet; sie hat das Gebäude lediglich durch Vermietung an die Firma Z genutzt. Demgemäß dient das Gebäude einer Betriebstätte der Firma Z, gehört jedoch nicht zu einer Betriebstätte der Klägerin. Da die Klägerin oder ihre Gesellschafter nicht Mitunternehmer des von der Firma Z betriebenen gewerblichen Unternehmens sind, ist es auch nicht möglich, der Klägerin die Betriebstätte der Firma Z nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750 als eigene Betriebstätte zuzurechnen.
c) Zu § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1969 hat der III. Senat des BFH allerdings ausgesprochen, daß ein Steuerpflichtiger einen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage auch dann hat, wenn er eine Betriebstätte nicht "selbst betreibt" , sondern errichtet und unmittelbar nach ihrer Fertigstellung verpachtet (z. B. Urteil in BFHE 123, 542/545, BStBl II 1978, 116, mit weiteren Nachweisen). Der Senat kann offen lassen, ob diese Rechtsgrundsätze sinngemäß für § 32 Abs. 1 KohleG gelten müssen. Ihre Anwendung setzt in jedem Falle voraus, daß der Steuerpflichtige selbst eine "Betriebstätte errichtet" und als solche verpachtet hat; Gegenstand der Verpachtung muß danach ein Grundstück mit Gebäude sein, das bereits so eingerichtet ist, daß darin die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Pächters uneingeschränkt möglich ist und zwar ohne daß es einer zusätzlichen Ausstattung durch den Pächter mit sachlichen Mitteln in nicht nur geringem Umfange bedarf. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat, kein eingerichtetes Kaufhaus verpachtet, sondern lediglich ein Gebäude mit bestimmten Betriebsvorrichtungen wie Klimaanlage usw.
3. Der Vorentscheidung ist auch darin zu folgen, daß die Bescheinigung des Kohlebeauftragten nach § 32 Abs. 2 KohleG vom 19. November 1971 für sich allein nicht rechtfertigen kann, der Klägerin für die Herstellungskosten des Gebäudes mit Betriebsvorrichtungen eine Investitionsprämie zu gewähren obgleich, wie zu 2. dargelegt, die Klägerin keine eigene Betriebstätte errichtet hat und das Kaufhausgebäude demgemäß nicht zu einer von der Klägerin errichteten Betriebstätte gehört. In der Bescheinigung vom 19 November 1971 heißt es, daß "das in ihrem obigen Antrage dargestellte Vorhaben, und zwar Errichtung einer Betriebstätte in ..." volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig sei. Es spricht viel dafür, die Bescheinigung dahin zu verstehen, daß mit der Formulierung "Errichtung einer Betriebstätte" lediglich das in Frage stehende Objekt bezeichnet, dieses Objekt aber nicht zugleich rechtlich als eine eigene Betriebstätte der Klägerin qualifiziert wird. Danach läge eine Bescheinigung des Kohlebeauftragten, in der bestätigt wird, daß die Klägerin eine eigene Betriebstätte errichtet hat, nicht vor, so daß sich die Frage einer Bindung des FA an die Bescheinigung des Kohlebeauftragten gar nicht stellt. Selbst wenn man jedoch mit der Revision davon ausgeht, daß der objektive Erklärungswert der Bescheinigung des Kohlebeauftragten auch auf eine bestimmte rechtliche Qualifikation des Vorhabens der Klägerin gerichtet ist, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die Bescheinigung des Kohlebeauftragten bindet FÄ und FG nicht, soweit darin die rechtliche Schlußfolgerung enthalten ist, daß der Antragsteller eine eigene Betriebstätte errichtet oder erweitert habe.
Die Bescheinigung des Kohlebeauftragten nach § 32 Abs. 2 KohleG ist für die Finanzbehörden und FG nur insoweit verbindlich, als sie außersteuerrechtliche Werturteile enthält (z. B. Aussagen über die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und über die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit eines Investitionsvorhabens), nicht hingegen, soweit darin spezifisch steuerrechtliche Fragen beurteilt werden oder eine bestimmte Beurteilung solcher Fragen vorausgesetzt wird. Zu diesen spezifisch steuerrechtlichen Fragen gehört auch, ob das in der Bescheinigung erwähnte Investitionsvorhaben als Errichtung einer eigenen Betriebstätte des Antragstellers zu werten ist. In diesem Sinne versteht der Senat auch das BFH-Urteil vom 21. August 1974 I R 94/73 (BFHE 114, 142/145).
a) Dem Gesetz ist zwar eindeutig zu entnehmen, daß die Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 KohleG insofern materiell rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Investitionsprämie ist, als ohne sie der Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer nach § 32 Abs. 1 KohleG nicht vorgenommen werden kann, gleichgültig, aus welchen Gründen der Steinkohlebeauftragte es abgelehnt hat, die erbetene Bescheinigung zu erteilen (BFH-Beschluß vom 25. Mai 1976 IV B 119/75, BFHE 119, 108/110, BStBl II 1976, 564). Das Gesetz regelt aber nicht ausdrücklich, ob und ggf. inwieweit die Bescheinigung die Finanzbehörden und FG bindet. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl. dazu Bundestags-Drucksachen V/2078 und V/2797) bietet hierfür keine zwingenden Anhaltspunkte. Unter diesen Umständen läßt sich eine sachgerechte Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen des Steinkohlebeauftragten einerseits und der Finanzbehörden andererseits - um diese Abgrenzung geht es letztlich bei der Frage, ob und inwieweit die Bescheinigung des Steinkohlebeauftragten bindet - nur aus der jeweiligen besonderen Aufgabenstellung des Steinkohlebeauftragten und der Finanzbehörden und der mit dieser Aufgabenstellung verbundenen besonderen Sachkunde gewinnen.
Zu Recht hat das FG aus § 1 KohleG den Schluß gezogen, daß die Aufgaben des Steinkohlebeauftragten primär wirtschaftspolitischer Natur sind. So heißt es z. B. im Bericht über die 311. Sitzung des Bundesrats vom 30. Juni 1967 S. 122, die Aufgabe des Steinkohlebeauftragten solle es sein, "auf eine Neuordnung im Steinkohlebergbaugebiet hinzuwirken mit dem Ziele einer Anpassung der Produktionskapazität an die Absatzmöglichkeiten". Diese Aufgabenstellung erfordert es, daß dem Steinkohlebeauftragten die verbindliche Entscheidung über Fragen vorbehalten ist, die wirtschafts- oder sozialpolitischer Art sind. Der Aufgabenstellung des Steinkohlebeauftragten entspricht es aber nicht, seiner verbindlichen Beurteilung auch spezifisch steuerrechtliche Fragen anheimzugeben, deren zutreffende Würdigung den Finanzbehörden im Hinblick auf deren besondere steuerrechtliche Fachkenntnis jedenfalls weit leichter fällt. Das kommt im letzten Satz der Bescheinigung des Kohlebeauftragten deutlich zum Ausdruck. Zu diesen spezifisch steuerrechtlichen Fragen müssen alle diejenigen gerechnet werden, die sich nicht nur im Zusammenhang mit bestimmten Subventionsgesetzen, sondern allgemein im Rahmen der Anwendung von Steuergesetzen stellen. Eine solche Frage ist aber nicht nur, ob ein Steuerpflichtiger den Gewinn nach § 5 EStG ermittelt und abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angeschafft oder hergestellt hat, sondern auch, ob der Steuerpflichtige überhaupt eine eigene Betriebstätte errichtet hat, zu der abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gehören; denn die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine eigene Betriebstätte gegeben ist, stellt sich allgemein im Rahmen der Anwendung von Steuergesetzen, wie die zu 2. zitierte BFH-Rechtsprechung belegt. Auch der Umstand, daß z. B. die Betriebstätte einer Mitunternehmerschaft zugleich als Betriebstätte jedes Mitunternehmers anzusehen ist, unterstreicht den spezifisch steuerrechtlichen Charakter der Frage, ob der Steuerpflichtige eine eigene Betriebstätte errichtet und im Zusammenhang mit dieser Betriebstätte abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angeschafft oder hergestellt hat.
Zwar ist es, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, dem Kohlebeauftragten nicht verwehrt, eine Bescheinigung ohne Prüfung wirtschaftspolitischer Gesichtspunkte bereits aus der Erwägung heraus abzulehnen, daß ein Anspruch auf Kohleprämie schon deshalb nicht in Betracht komme, weil der Antragsteller keine eigene Betriebstätte errichten wolle oder errichtet habe. Die Frage, ob der Steuerpflichtige eine eigene Betriebstätte errichtet hat, kann aber als spezifisch steuerrechtliche Frage durch eine Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 KohleG nicht präjudiziert werden.
b) Die Einwände der Revision gegen die Vorentscheidung können nicht durchgreifen.
aa) Aus § 32 Abs. 2 letzter Satz KohleG läßt sich nicht entnehmen, daß den Finanzbehörden verwehrt ist, darüber zu befinden, ob der Steuerpflichtige eine eigene Betriebstätte errichtet hat, sofern die Bescheinigung des Kohlebeauftragten hiervon ausgeht. Zwar ist für die wirtschaftspolitische Würdigung eines Investitionsvorhabens naturgemäß wesentlich, daß dieses Vorhaben "nach Lage, Art und Umfang" hinreichend bestimmt ist. Diese wirtschaftspolitische Würdigung muß jedoch keine verbindliche Entscheidung darüber umfassen, ob und wer durch die Investition eine eigene Betriebstätte begründet hat und welche Wirtschaftsgüter der Betriebstätte zuzurechnen sind. Demgemäß ist auch die Verfahrensrüge der Revision unbegründet, das FG habe es unterlassen, den Kohlebeauftragten darüber zu hören, warum er die Bescheinigung erteilt habe.
bb) Aus den Vorschriften des Investitionszulagengesetzes in der Fassung vom 12. Oktober 1973 (BGBl I, 1493) und in der Fassung vom 24. Februar 1975 (BGBl I, 528) und den dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen läßt sich keine zwingende Schlußfolgerung für die Antwort auf die Frage gewinnen, in welchem Umfange die Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 KohleG die Finanzbehörden bindet.
cc) Auf die Rechtsprechung zu § 37 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) kann sich die Revision nicht mit Erfolg berufen. Der III. Senat des BFH hat wiederholt entschieden, daß eine materiell unrichtige Bescheinigung der Siedlungsbehörde nach § 37 Abs. 4 BVFG die Finanzbehörden nicht bindet (z. B. Urteil vom 13. Oktober 1972 III R 107/71, BFHE 107, 549/553, BStBl II 1973, 173).
dd) Ein Vergleich mit den Vorschriften des Niedersächsischen Grunderwerbsteuerstrukturgesetzes ist unergiebig, weil in diesem Gesetz - anders als im Kohlegesetz - ausdrücklich angeordnet ist, daß die vorgesehenen Bescheinigungen die Finanzbehörden binden; hiervon abgesehen ist auch die Bindungswirkung dieser Bescheinigungen auf wirtschaftspolitische Gesichtspunkte beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 II R 125/76, BFHE 123, 57/59, BStBl II 1977, 779).
4. Schließlich hat das FG auch zu Recht verneint, daß das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet sei, die Investitionsprämie zu gewähren.
Die FÄ sind im Steuerfestsetzungsverfahren an das Gesetz gebunden. Sie haben die nach dem Gesetz entstandenen Steueransprüche geltend zu machen (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -; §§ 204, 205 der Reichsabgabenordnung - AO -; § 85 AO 1977). Nur ausnahmsweise können die Grundsätze von Treu und Glauben das FA daran hindern, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen. Dies ist der Fall, wenn ein FA einem Steuerpflichtigen auf Anfrage zugesagt hat, einen Sachverhalt bei der Veranlagung in bestimmtem Sinne zu beurteilen (z. B. BFH-Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562).
Im Streitfall ist eine derartige Zusage des FA weder festgestellt noch behauptet. Das FG hat ausgeführt, Erklärungen von Angehörigen der Stadtverwaltung seien für das FA nicht bindend. Es sei deshalb unerheblich, ob Bedienstete der Stadt X der Klägerin zugesichert hätten, sie könne die Kohleprämie erhalten. Die Bescheinigung des FA vom 29. Oktober 1971 habe sich erkennbar nur auf einen Teilbereich der Voraussetzungen der Kohleprämie bezogen, nämlich das Vorhandensein von Betriebsvermögen und die Gewinnermittlung nach § 5 EStG, nicht hingegen auf das Vorliegen einer Betriebstätte.
Diese Ausführungen sind aus revisionsrichterlicher Sicht nicht zu beanstanden. Unbegründet ist insbesondere die Verfahrensrüge der Klägerin, das FG habe unterlassen, die zuständigen Beamten der Stadtverwaltung X anzuhören. Da Erklärungen von Angehörigen der Stadtverwaltung für die Finanzbehörden nicht bindend sind, bedurfte es keiner Aufklärung, welcher Art die von der Stadtverwaltung erteilte Auskunft war; diese Frage könnte allenfalls für einen Schadensersatzprozeß der Klägerin gegen die Stadtverwaltung X Bedeutung haben.
Die allgemeinen Erwägungen der Revision, die Fehler der Behörden (unrichtige Auskunft der Stadtverwaltung; unrichtige Bescheinigung des Kohlebeauftragten) seien nicht der Klägerin anzulasten, können keinen aus Treu und Glauben abgeleiteten Rechtsanspruch auf Gewährung der Kohleprämie begründen. Die Klägerin verkennt - unabhängig davon, ob die Bescheinigung überhaupt die von ihr angenommene Aussage enthält - nicht nur, daß das Verhalten des Kohlebeauftragten nicht der Finanzverwaltung zuzurechnen ist, sondern auch, daß die Bescheinigung vom 19. November 1971 erst lange nach Fertigstellung des Gebäudes erteilt wurde und deshalb nicht Grundlage von Dispositionen der Klägerin in bezug auf die Errichtung des Gebäudes gewesen sein und demgemäß auch keinen Vertrauensschutz begründen kann.
Fundstellen
BStBl II 1981, 538 |
BFHE 1981, 144 |