Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahl der Einnahme-Überschussrechnung erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres
Leitsatz (amtlich)
Das Recht zur Wahl einer Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung entfällt erst mit der Erstellung eines Abschlusses und nicht bereits mit der Einrichtung einer Buchführung oder der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR. Sie erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 23. Oktober 1997 das bebaute Grundstück A in H. Die Anschaffungskosten einschließlich der Anschaffungsnebenkosten betrugen 17 556 188 DM.
Die Klägerin vermietete das Grundstück in den Jahren 1998 (Streitjahr) bis 2001 an die A-GmbH. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Dezember 2001 verkaufte sie das Grundstück an den Geschäftsführer der Mieterin. Besitz, Nutzungen und Gefahr gingen zum Beginn des 31. Dezember 2001 auf den Käufer über. Der Kaufpreis betrug 21 500 000 DM. Er wurde in einem Nachtrag zum Kaufvertrag vom 25. April 2002 auf 10 722 775 € herabgesetzt.
Die Klägerin ging ursprünglich davon aus, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Auffassung zunächst und stellte für das Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ‐843 489 DM gesondert und einheitlich fest. Der Feststellungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, die Klägerin habe keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, sondern einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Den für das Streitjahr anzusetzenden Gewinn schätzte das FA nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Den Einspruch der Klägerin, mit dem sie sich nur gegen die Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 EStG anstelle der von ihr begehrten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wandte, wies das FA als unbegründet zurück. Auch die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 783 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 vom 10. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 dahin zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -17 891 011 DM festgestellt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die vom FG festgestellten Tatsachen tragen nicht dessen Entscheidung, dass der Gewinn des Streitjahres nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu schätzen sei.
1. Der Senat kann nicht mehr nachprüfen, ob die Klägerin einen Gewerbebetrieb als gewerbliche Grundstückshändlerin unterhielt. Die Qualifizierung der Einkunftsart als gewerbliche Einkünfte stellt im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung eine verfahrensrechtlich selbständige Besteuerungsgrundlage dar (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. August 1992 VIII R 22/91, BFH/NV 1993, 225, m.w.N.), die mangels eines auch insoweit eingelegten Rechtsbehelfs bestandskräftig geworden ist.
2. Gewinn ist der um Entnahmen und Einlagen korrigierte Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein gewisser Personenkreis kann unter den in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen anstelle des durch Bestandsvergleich ermittelten Gewinns allerdings auch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (Einnahme-Überschussrechnung). Hiernach sind zur Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung Steuerpflichtige berechtigt, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen.
a) Aus Wortlaut und Systematik dieser gesetzlichen Regelung folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431; vom 30. September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301; vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714; vom 13. Oktober 1989 III R 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, und vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195) und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 550; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 32; Steinhauff in Bordewin/Brandt, § 4 EStG Rz 1224; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 4 Rz 15; Korn in Korn, § 4 EStG Rz 493; Mathiak, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1990, 255), dass die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Regel ist. Daran ist trotz der im Schrifttum teilweise erhobenen Einwände (z.B. HHR/Kanzler, Vor §§ 4 bis 7 EStG Rz 13; ders., Finanz-Rundschau --FR-- 1998, 233, 245; Drüen, DStR 1999, 1589, 1594) festzuhalten. Denn gemäß § 4 Abs. 1 EStG "ist" Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Demgegenüber "können" nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Es kommt hinzu, dass Steuerpflichtige die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht frei wählen können. Vielmehr ist die Einnahme-Überschussrechnung nur unter den im Gesetz im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dies spricht auch in systematischer Hinsicht für den Betriebsvermögensvergleich als Grundform der Gewinnermittlung.
Das zuvor Dargelegte bedeutet allerdings nicht, dass die Gewinnermittlungsarten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander stünden. Vielmehr sind Bestandsvergleich und Einnahme-Überschussrechnung zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden (HHR/ Bergkemper, § 4 EStG Rz 504; Weber-Grellet, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz D 3; Segebrecht, Die Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, 11. Aufl., Rz 3). Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat vielmehr nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 133). In einem solchen Fall bleibt es bei der Grundform des § 4 Abs. 1 EStG, also bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (BFH-Urteile in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301; in BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, und vom 12. Oktober 1994 X R 192/93, BFH/NV 1995, 587).
b) Nach dieser Rechtslage haben nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige, die auch freiwillig keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, das Recht, zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen.
aa) Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich --wie in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich angesprochen-- erst dann wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (BFH-Urteile vom 19. Oktober 2005 XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509; vom 9. November 2000 IV R 18/00, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102; in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, und vom 2. März 2006 IV R 32/04, BFH/NV 2006, 1457; BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 2003 IV B 68/02, BFH/NV 2004, 633, und vom 8. September 2005 IV B 107/04, BFH/NV 2006, 276). Maßgeblich ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung (BFH-Urteil in BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102, unter 2.a der Gründe).
bb) Hat der Steuerpflichtige demgegenüber nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er aufgrund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt (BFH-Urteile in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, und in BFH/NV 1999, 1195). An die Dokumentation der Wahl zugunsten der Einnahme-Überschussrechnung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Schon das Erstellen und Sammeln der Einnahmen- und Ausgabenbelege reicht aus; denn diese Belege können bei Erfüllung nur geringer zusätzlicher Voraussetzungen (insbesondere bei vollständiger und zeitlich fortlaufender Ablage, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung) die Funktion von Grundaufzeichnungen übernehmen. Fehlt es allerdings auch daran, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige eine Wahl zugunsten der Überschussrechnung getroffen hat (BFH-Urteile in BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, und in BFH/NV 1995, 587). Zwar macht § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG die Ausübung des Wahlrechts nicht von irgendwelchen Dokumentationen abhängig (BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Die Frage nach der Wahl der Gewinnermittlungsart darf auch nicht mit der nach der Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung verwechselt werden. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordert aber, dass die zur Wahl berechtigten Steuerpflichtigen als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben "ansetzen". Soll dieses "Ansetzen" nicht nur ein "Schätzen" sein, müssen die Steuerpflichtigen für die Wahl der Einnahme-Überschussrechnung folglich jedenfalls gewisse Mindestanforderungen wie das Sammeln bzw. Erstellen von Einnahmen- und Ausgabenbelegen erfüllen. Vor allem aber sind gewerblich tätige Steuerpflichtige --wie auch die Klägerin im Streitfall-- nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) regelmäßig verpflichtet, bestimmte Aufzeichnungen über (vereinbarte bzw. vereinnahmte) Entgelte für ausgeführte (bzw. noch nicht ausgeführte) Leistungen und über Entgelte für (steuerpflichtige) Leistungen, die an sie für ihr Unternehmen ausgeführt worden sind, zu führen. § 22 UStG wirkt auch für die Einkommensteuer (BFH-Urteile in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, und vom 11. August 1992 VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346, m.w.N.).
3. Im Streitfall war die Klägerin auf der Grundlage der nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) gesetzlich (§§ 140, 141 der Abgabenordnung --AO--) nicht verpflichtet, Bücher zu führen; sie hat auch freiwillig weder Bücher geführt noch Abschlüsse gemacht. Ihr stand deshalb grundsätzlich das Wahlrecht zu, den Gewinn durch Vermögensvergleich oder durch Einnahme-Überschussrechnung zu ermitteln.
Nach den oben dargelegten Maßstäben hat die Klägerin ihr Wahlrecht im Streitfall nicht zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG ausgeübt. Denn sie hat keine Eröffnungsbilanz aufgestellt, keine kaufmännische Buchführung eingerichtet und keinen Abschluss gemacht.
Ob die Klägerin wirksam die Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung gewählt hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen.
a) Die Klägerin hat für das Streitjahr in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Sie hat dementsprechend mit der Feststellungserklärung auch keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, sondern eine Einnahme-Überschussrechnung zur Ermittlung der Einkünfte gemäß § 21 EStG vorgelegt. Selbst wenn die Klägerin --was das FG von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht festgestellt hat-- zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einnahmen (§ 8 EStG) und die Werbungskosten (§ 9 EStG) aufgezeichnet oder zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege erstellt bzw. gesammelt hätte, reichte dies allein zur Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht aus.
Zwar gehört zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts weder die Kenntnis aller steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl noch das Bewusstsein, überhaupt eine Wahl zu treffen (BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158). Derjenige, der keinen Gewinn ermitteln will, hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH aber auch (durch schlüssiges Verhalten) keine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen (BFH-Urteile in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301; in BFHE 156, 443, 445, BStBl II 1989, 714, 715; in BFH/NV 1986, 158; vom 11. Dezember 1987 III R 204/84, BFH/NV 1988, 296; vom 20. Mai 1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17, 18; in BFH/NV 1993, 346, 348; vom 1. Oktober 1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403, und in BFH/NV 1999, 1195). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn fehlt es am Willen, Gewinn zu ermitteln, ist eine Wahl zwischen verschiedenen Gewinnermittlungsarten nicht denkbar (BFH-Urteil in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).
Auch wenn man --wie die Klägerin im Anschluss an eine im Schrifttum vertretene Auffassung (z.B. Drüen, DStR 1999, 1589, 1593)-- das "Wahlrecht" zur Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als ein auf der Tatbestandsebene angesiedeltes Gestaltungsrecht ansieht, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Soweit hiernach allein die Art der Aufzeichnungen die Art der Gewinnermittlung bestimmt, fehlt es an der Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben bei Steuerpflichtigen, die keinen Gewinn, sondern Überschusseinkünfte ermitteln (wollen). Denn solche Steuerpflichtigen zeichnen --wenn überhaupt-- Einnahmen (§ 8 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) auf. Sollen Aufzeichnungen (oder Belegsammlungen) über Einnahmen und Werbungskosten die Wahl einer Gewinnermittlungsart dokumentieren, bedarf es daher insoweit ebenfalls einer entsprechenden (auch konkludenten) Willensäußerung des Steuerpflichtigen. Andernfalls würde durch die bei der Ermittlung der Überschusseinkünfte allein in Betracht kommende Aufzeichnung der Einnahmen und Werbungskosten die Wahl der Einnahme-Überschussrechnung --ggf. auch zu Lasten des Steuerpflichtigen-- unterstellt. Dem Steuerpflichtigen kann es aber durchaus gelegen sein, wenn sein Gewinn nicht gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, sondern nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 EStG geschätzt wird.
b) Hat die Klägerin hiernach (zunächst) weder die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich noch durch Einnahme-Überschussrechnung gewählt, steht damit indessen noch nicht fest, dass sie ihr Wahlrecht nicht auch noch nachträglich wirksam ausüben konnte.
Der BFH hat in seiner neueren Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen prinzipiell unbefristet zusteht (BFH-Urteil in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509). Formal wird das Wahlrecht hiernach allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt. Dies entspricht im Ergebnis auch der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (z.B. HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 552; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 134 ff.; Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 4 Rz 19; Korn in Korn, § 4 EStG Rz 500; Kanzler, FR 1998, 233, 245; Drüen, DStR 1999, 1589; Drüen/Krumm, FR 2004, 685; Hofer, DStR 2000, 1635; Schoor, Steuern und Bilanzen --StuB-- 2005, 341; ders., Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2006, 683; Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs, 1997, S. 24 ff.).
Der erkennende Senat tritt der in dem BFH-Urteil in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 vom XI. Senat vertretenen Ansicht bei. Das Gesetz bestimmt an keiner Stelle eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts (HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 549, 552; Offerhaus, Betriebs-Berater --BB-- 1977, 1493, 1495). Auch der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG spricht für die hier vertretene Auffassung. Denn danach entfällt für nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erst mit der Erstellung des Abschlusses, nicht hingegen bereits mit der Einrichtung der Buchführung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431; in BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102; in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509, und in BFH/NV 2006, 1457). Den Abschluss erstellt der Steuerpflichtige jedoch erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums. Daraus folgt, dass die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten auch erst durch den Abschluss und folglich nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres ausgeübt wird (Drüen, DStR 1999, 1589, 1592; Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs, 1997, S. 25).
Dem mit der Einnahme-Überschussrechnung verfolgten Vereinfachungszweck (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. November 1959 I 47/58 U, BFHE 70, 499, BStBl III 1960, 188; Segebrecht, Die Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, 11. Aufl., Rz 1) wird diese Auffassung ebenfalls gerecht. Denn der Steuerpflichtige kann durch die Wahl der Einnahme-Überschussrechnung auf die Erstellung des Abschlusses verzichten, selbst wenn er zuvor schon eine Buchführung eingerichtet hat (HHR/ Bergkemper, § 4 EStG Rz 552). Für das Finanzamt ist insoweit nur von Bedeutung, dass es nach der Wahl der Einnahme-Überschussrechnung durch den Steuerpflichtigen diese auch erhält. Es kommt hinzu, dass die Verwendung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) eine Angleichung der Buchführung bei den beiden Gewinnermittlungsarten bewirkt hat. Vielfach kann durch entsprechende Schlüsselung bei Abschluss der Buchführung sowohl ein Bestandsvergleich als auch eine Überschussrechnung entwickelt werden.
c) Die formale Beschränkung der Ausübung des Wahlrechts durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bedeutet indessen nicht, dass der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten stets solange treffen darf, wie sich ihr Ergebnis steuerlich auswirken kann. Denn das Wahlrecht wird in materiell-rechtlicher Hinsicht auch durch die in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen beschränkt. So kommt die Wahl der Überschussrechnung nach Erstellung des Abschlusses nicht mehr in Betracht (BFH-Urteile in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509, und in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431). Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet hat (BFH-Urteile in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509, und in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431; HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 552; Drüen, DStR 1999, 1589, 1592). Die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten kann außerdem durch die Bindung des Steuerpflichtigen an eine für ein vorangegangenes Wirtschaftsjahr bereits getroffene Wahl ausgeschlossen sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102).
d) Im Streitfall hat die Klägerin nach den Feststellungen des FG vor Bestandskraft des gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids jedenfalls im Einspruchsverfahren die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG begehrt. Die Klägerin konnte --wie oben dargelegt-- zu diesem Zeitpunkt ihr Wahlrecht zugunsten der Einnahme-Überschussrechnung formal noch ausüben. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben.
4. Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu untersuchen haben, ob die Klägerin zumindest die Minimalanforderungen für eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erfüllt hat. Hierfür kann im Streitfall die von der Klägerin mit der Feststellungserklärung eingereichte Überschussrechnung hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sprechen, wenn die Klägerin die Einnahmen und Ausgaben aufgezeichnet oder zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege erstellt bzw. gesammelt hat. Dabei stünde es der Wahl der Einnahme-Überschussrechnung nicht entgegen, wenn einzelne Aufzeichnungen oder Belege fehlen sollten. Denn dies beträfe nur die Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung, nicht aber die Wahl der Gewinnermittlungsart als solche. Da die Klägerin nur ein Grundstück gekauft und verkauft hat, ist im Streitfall auch nicht davon auszugehen, dass die Zusammenstellung der für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben wegen der Ausklammerung des Veräußerungsgewinns ungeeignet gewesen wäre, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ermittlung eines betrieblichen Gewinns zu schaffen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin offenbar, wie dem Betriebsprüfungsbericht entnommen werden kann, auch die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG erfüllt hat. Dies spricht ebenfalls für das Vorliegen der Minimalanforderungen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Allerdings kann der Senat trotz der hiernach vorliegenden Indizien diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung im Streitfall nicht selbst treffen, zumal das FA das Vorhandensein ausreichender Aufzeichnungen ausdrücklich bestritten hat.
Sofern das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Minimalanforderungen an eine Einnahme-Überschussrechnung erfüllt sind, ist der Gewinn der Klägerin nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln und --soweit Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben nicht nachgewiesen werden können-- erforderlichenfalls gemäß § 162 AO zu schätzen. Sind die Minimalanforderungen an eine Einnahme-Überschussrechnung hingegen nicht erfüllt, muss es bei der vom FA vorgenommenen Schätzung des Gewinns nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 EStG bleiben.
5. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung von den Urteilen des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 1997, 403 und in BFH/NV 1999, 1195 ab. Der VIII. Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er der Abweichung mit der Folge zustimmt, dass er ebenfalls von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Ausübung des Wahlrechts zwischen den Gewinnermittlungsarten nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeht. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des III. und des X. Senats des BFH liegt nicht vor. Insbesondere ist wegen der nicht vergleichbaren Sachverhalte keine Abweichung zu dem BFH-Urteil vom 31. August 1994 X R 110/90 (BFH/NV 1995, 390) gegeben. Auf (informatorische) Anfrage des erkennenden Senats haben aber auch der III. und der X. Senat mitgeteilt, dass sie der vorliegenden Entscheidung zustimmen.
Fundstellen
Haufe-Index 2175195 |
BFH/NV 2009, 1298 |
BFH/PR 2009, 322 |
BStBl II 2009, 659 |
BFHE 2009, 513 |
BFHE 224, 513 |
BB 2009, 1386 |
BB 2009, 2411 |
DB 2009, 1384 |
DStR 2009, 1252 |
DStRE 2009, 827 |
DStZ 2009, 534 |
HFR 2009, 760 |