Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfachgehilfen als Beratungsstellenleiter
Leitsatz (NV)
1. Steuerfachgehilfen erfüllen regelmäßig die für den Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins vorgeschriebene Qualifikation einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens, wenn sie nach Ablegung ihrer Gehilfenprüfung mindestens drei Jahre ihren Beruf ausgeübt haben. Die Lehrzeit kann aber auf die mindestens dreijährige praktische Tätigkeit nicht angerechnet werden.
2. Als hauptberufliche Tätigkeit i.S. des § 23 Abs. 3 StBerG ist auch eine Halbtagstätigkeit anzusehen.
Normenkette
StBerG § 23 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein anerkannter Lohnsteuerhilfeverein, zeigte der Beklagten und Revisionsbeklagten (Oberfinanzdirektion - OFD -) nach § 23 Abs. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die Eröffnung zweier Beratungsstellen an und benannte Frau K als Beratungsstellenleiterin. Zum Nachweis der Qualifikation der vorgesehenen Beratungsstellenleiterin legte der Kläger Unterlagen vor, aus denen sich folgendes ergibt:
Frau K wurde vom Oktober 1968 bis zum Oktober 1971 in der Praxis eines Steuerbevollmächtigten als Gehilfin in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen ausgebildet. Im Januar 1972 legte sie die Fachgehilfenprüfung ab und war im Anschluß an die Lehre noch bis zum 30. März 1973 als Fachgehilfin bei dem Steuerbevollmächtigten tätig. Vom Oktober 1973 bis Ende Juni 1974 war Frau K Angestellte eines anderen Steuerbevollmächtigten. Aus den Zeugnissen dieser Arbeitgeber geht hervor, daß sie insbesondere Mandantenbuchführungen über EDV selbständig bearbeitete und auch bei der Erstellung von Abschlüssen, Steuererklärungen und Anträgen auf LohnsteuerJahresausgleich mitwirkte. Vom März 1981 bis zum Juni 1985 arbeitete Frau K als Halbtagskraft bei den Steuerberatern D und bearbeitete dort die Finanzbuchhaltung gewerblicher Klein- und Mittelbetriebe sowie von Freiberuflern. Diese Aufgaben einschließlich der erforderlichen Vor- und Nacharbeiten, nämlich Kontenpflege, Abstimmung von Kontokorrentkonten u.ä., wurden von ihr unter Beachtung der steuerlichen Vorschriften erledigt; außerdem war sie im Falle von Engpässen bei der Eingabe am Datenerfassungsgerät tätig.
Die OFD vertritt die Auffassung, die vorgesehene Beratungsstellenleiterin erfülle nicht die in § 23 Abs. 3 StBerG vorgeschriebene Qualifikationsvoraussetzung einer mindestens dreijährigen hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens. Sie forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, eine andere Person zum Beratungsstellenleiter zu bestellen oder die Schließung der Beratungsstelle anzuzeigen. Die Beschwerde und die Klage des Klägers gegen die Verfügung der OFD blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Die angefochtenen Verfügungen seien nicht zu beanstanden. Die OFD habe zu Recht die Eintragung von Frau K als Beratungsstellenleiterin in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine abgelehnt. Diese erfülle nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG, für die ein anderer Qualifikationsnachweis als der der dreijährigen hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens ausgeschlossen sei. Aus den vorgelegten Zeugnissen ergebe sich nicht, daß Frau K in irgendeiner Weise wesentlich mit Lohnsteuern beschäftigt gewesen sei. Lediglich bei dem Steuerbevollmächtigten B sei sie rd. 14 Monate neben zahlreichen anderen Aufgaben auch mit Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beschäftigt gewesen. Ansonsten komme nur eine Berührung ihrer Aufgaben mit Lohnsteuerrecht bei der Mitwirkung bei der Erstellung von Steuererklärungen im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Steuerbevollmächtigten R vom Oktober 1973 bis Juni 1974 in Betracht. Dieser lose und auch zeitlich begrenzte Bezug zum Lohnsteuerrecht reiche für die vorgeschriebene Qualifikation des Beratungsstellenleiters nicht aus.
Diese Qualifikation wäre nur dann erfüllt, wenn der wesentliche, d.h. überwiegende Teil der beruflichen Tätigkeit auf lohnsteuerrechtlichem Gebiet gelegen hätte, z. B. als Lohnbuchhalter. Daß dies bei Frau K der Fall gewesen sei, werde vom Kläger nicht einmal behauptet.
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die vom FG vorgenommene Auslegung des § 23 Abs. 3 StBerG nach dem Wortlaut der Vorschrift verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Gesetzgeber habe für den Beratungsstellenleiter nur eine Mindestqualifikation sicherstellen wollen. Personen, die die Qualifikation eines Steuerfachgehilfen erworben hätten, erfüllten aber stets die Voraussetzungen für die Bestellung zum Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins. Ihre berufliche Qualifikation sei wesentlich höher als diejenige solcher Personen, die lediglich - wie etwa ein Lohnbuchhalter - eine dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens nachweisen könnten. Der gegenüber einem Lohnbuchhalter höher qualifizierte Steuerfachgehilfe müsse auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) zum Beratungsstellenleiter bestellt werden können. Eine restriktive Auslegung des § 23 Abs. 3 StBerG führe zur Aushöhlung des Instituts der Lohnsteuerhilfevereine und damit zu einer Beeinträchtigung sozial schwacher Bevölkerungsschichten. Die in dieser Vorschrift enthaltene Ausnahmeregelung für die in § 3 StBerG bezeichneten Personen (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte etc.) mache deutlich, daß der Gesetzgeber der höheren beruflichen Qualifikation den Vorrang einräume vor formalen (zeitlichen) Kriterien: Die verfassungskonforme Auslegung des § 23 Abs. 3 StBerG führe danach zu dem Ergebnis, daß die dort genannten Qualifikationsanforderungen nur als Mindestvoraussetzung verstanden und ein höher Qualifizierter - wie Frau K - als Steuerfachgehilfin - erst recht zum Beratungsstellenleiter zugelassen werden müsse.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Verfügungen der OFD und die Beschwerdeentscheidungen des Landesfinanzministers aufzuheben und die OFD zu verpflichten, Frau K als Leiterin ihrer beiden Beratungsstellen in das bei ihr geführte Verzeichnis der Beratungsstellen einzutragen.
Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG und die OFD sind zu Unrecht davon ausgegangen, daß Frau K die Voraussetzungen für die Bestellung zur Leiterin der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins nicht erfülle.
1. Nach § 23 Abs. 3 StBerG darf der Lohnsteuerhilfeverein zum Leiter einer Beratungsstelle nur Personen bestellen, die mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens hauptberuflich tätig gewesen sind; dies gilt nicht für die in § 3 bezeichneten Personen. Der Nachweis der Erfüllung dieser Qualifikationsvoraussetzungen ist der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung über die Bestellung des Leiters der Beratungsstelle an die OFD beizufügen (§ 23 Abs. 4 und 5 StBerG). Wie der Senat im Urteil vom 9. Januar 1979 VII R 22/78 (BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306) entschieden hat, ist die Bestimmung des § 23 Abs. 3 StBerG nicht gegen ihren Wortlaut auszulegen. Die dort vorgeschriebene Qualifikation kann nicht auf andere Weise (z. B. durch eine besondere Prüfung) als durch die genannte praktische Tätigkeit nachgewiesen werden.
Der Senat vermag deshalb der Revision nicht zu folgen, soweit diese die Auffassung vertritt, Personen, die die Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen erfolgreich abgeschlossen haben, erfüllten stets die Voraussetzungen für die Bestellung zum Leiter einer Beratungsstelle. Da das Gesetz - ohne Verfassungsverstoß (vgl. Senat in BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306) - auf eine für eine bestimmte Zeitdauer ausgeübte berufliche Tätigkeit abstellt, kommt es auf die durch die Ablegung der Prüfung zum Steuerfachgehilfen nachgewiesene berufliche Qualifikation nicht an, selbst wenn diese hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Wertigkeit über die Anforderungen des § 23 Abs. 3 StBerG hinausgeht. Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt aus der in § 23 Abs. 3 2. Halbsatz i.V.m. § 3 StBerG enthaltenen Ausnahmeregelung. Danach können im Hinblick auf ihre umfassende rechtliche Vorbildung ohne weitere Voraussetzungen Steuerberater, Steuerbevollmächtigte Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, nicht aber die Gehilfen in den wirtschafts- und steuerberatenden Berufen zum Beratungsstellenleiter bestellt werden. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Steuerfachgehilfen hinsichtlich der Befugnis zur Leitung einer Beratungsstelle den zur selbständigen unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen gleichzustellen.
2. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ferner, daß die regelmäßig dreijährige praktische Ausbildungszeit (Lehre) der Steuerfachgehilfen nicht auf die in § 23 Abs. 3 StBerG genannte Mindestzeit der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens angerechnet werden kann. Denn anderenfalls müßte tatsächlich jedem Steuerfachgehilfen die Qualifikation zum Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins zuerkannt werden. Der Senat hat zu der Frage der Zulassung von Fachhochschulabsolventen zur Steuerberaterprüfung wiederholt entschieden, daß die Lehrzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StBerG, die der Bewerber vor dem Abschluß des Fachhochschulstudiums mit der Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossen hat, nicht auf die in § 36 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StBerG vorgeschriebene zehnjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens angerechnet werden kann (Urteile vom 17. Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, und vom 21. Februar 1984 VII R 124/83, BFHE 140, 352, BStBl II 1984, 339). Er hat dies u.a. damit begründet, daß die dreijährige Lehrzeit der Steuerfachgehilfen der Ausbildung dient und sie zu den Vorbildungsvoraussetzungen gehört, deren Erfüllung erforderlich ist, um mit einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens beginnen zu können. Diese Betrachtungsweise muß auch für die in § 23 Abs. 3 StBerG vorgeschriebene praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens Platz greifen. Da auch diese Tätigkeit ,,hauptberuflich" ausgeübt werden muß, können Ausbildungszeiten auf sie nicht angerechnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Auszubildende im Rahmen der Ausbildung bereits mit praktischen Aufgaben betraut war (BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, 708; Wilhelm, Der Beratungsstellenleiter als Lohnsteuerberater, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1986, 178, 179; Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 23 Rdnr. B 257.2; Charlier/ Peter, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 23 Rdnr. 13; Völzke, Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein, Der Betrieb - DB - 1975, 2389, 2391).
Der Senat hat zwar im Urteil vom 16. November 1965 VII 17/65 U (BFHE 83, 660, BStBl III 1965, 739), das die Frage der Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung betrifft, die Tätigkeit eines Finanzanwärters während seiner praktischen Ausbildung in der Finanzverwaltung als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG a.F. angesehen. Eine entsprechende Regelung enthält nunmehr § 36 Abs. 1 Satz 2 StBerG. Danach ist ein Fachhochschulstudium einschließlich Berufspraktikum als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anzurechnen. Insoweit handelt es sich aber, wie in BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, 708 ausgeführt, um eine Ausnahmevorschrift, die auf einer besonderen Interessenlage (herausgehobene Qualifikation und Zeitdauer der Vorbildung) beruht. Die in Zusammenhang mit der Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung gemachten Ausführungen des Senats zur Anrechnung der praktischen Ausbildungszeit eines Finanzanwärters lassen sich deshalb auf die Frage der Anrechnung der Lehrzeit eines Steuerfachgehilfen auf die praktische Berufstätigkeit, die zur Bestellung eines Beratungsstellenleiters erforderlich ist, nicht übertragen. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die späteren Entscheidungen des Senats in BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, und in BFHE 140, 352, BStBl II 1984, 339, die sich - wenn auch in anderem Zusammenhang (Zulassung zur Steuerberaterprüfung) - mit der Anrechnung von Lehrzeiten auf die gesetzlich vorgeschriebene hauptberufliche Tätigkeit befassen.
3. Die im Streitfall vom Lohnsteuerhilfeverein benannte Leiterin seiner Beratungsstellen erfüllt aber die Qualifikationsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG, weil sie nach Abschluß ihrer Lehrzeit länger als drei Jahre auf dem Gebiet des (Lohn-)Steuerwesens hauptberuflich tätig war. Nach den für Frau K vorgelegten Zeugnissen ihrer früheren Arbeitgeber (Steuerbevollmächtigte und Steuerberater) war diese seit Ablegung ihrer Prüfung zur Steuerfachgehilfin 6 Jahre und 2‹ Monate - nämlich 14 Monate bei dem Steuerbevollmächtigten B, 8‹ Monate bei dem Steuerbevollmächtigten R und (halbtags) 4 Jahre und 4 Monate bei den Steuerberatern D - auf dem Gebiet der Steuerberatung tätig. Ihr Aufgabengebiet umfaßte im wesentlichen die Buchführung, aber auch zeitweise die Erstellung von Jahresabschlüssen und die Anfertigung von Steuererklärungen und Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich.
Der Senat kann seiner Beurteilung die vorgelegten Zeugnisse zugrunde legen, da deren Echtheit und Richtigkeit zwischen den Beteiligten nicht umstritten und vom FG nicht in Zweifel gezogen worden ist (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Frau K hat demnach über die vom Gesetz geforderte Mindestzeit hinaus ihren Beruf als Steuerfachgehilfin hauptberuflich ausgeübt; ihre Tätigkeit umfaßte auch das in § 23 Abs. 3 StBerG vorausgesetzte Gebiet des Lohnsteuerwesens.
Der Begriff ,,Lohnsteuerwesen" ist ebenso wie der des ,,Steuerwesens", auf dessen Gebiet die für die Zulassung zur Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtenprüfung erforderliche hauptberufliche Tätigkeit erbracht sein muß (§§ 36 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG), im Gesetz nicht näher umschrieben. Der Senat hat den Begriff des ,,Steuerwesens" im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl stets weit ausgelegt. Er hat darunter alles verstanden, was mit den Steuern zusammenhängt, insbesondere auch Randgebiete des Steuerrechts und Tätigkeiten, die nur mittelbar das Steuerrecht betreffen. Eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ist danach auch dann gegeben, wenn das hauptberufliche Aufgabengebiet des Bewerbers zwar außerhalb des Steuerrechts liegt, jedoch mit diesem zusammenhängt und daher auch die Befassung mit Steuerfragen erfordert (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1978 VII R 86/77, BFHE 124, 474, BStBl II 1978, 393; vom 17. Oktober 1978 VII R 30/78, BFHE 126, 107, BStBl II 1979, 27, m.w.N.). Entsprechend weit ist auch der Begriff des ,,Lohnsteuerwesens" im Sinne des § 23 Abs. 3 StBerG zu verstehen. Er geht über das Lohnsteuerrecht und die Bearbeitung von Lohnsteuersachen im engeren Sinne hinaus und umfaßt die Behandlung aller mit der Anwendung des Lohnsteuerrechts zusammenhängenden Fragen einschließlich des einschlägigen Verfahrensrechts. Im Schrifttum wird folglich die Mitwirkung bei der Ermittlung der Lohnsteuerabzugsbeträge bzw. eine im Rahmen der Betriebs- oder Finanzbuchhaltung ausgeübte Tätigkeit (z. B. Lohnbuchhalter oder Leiter der Buchhaltung) als für die Bestellung des Beratungsstellenleiters ausreichend angesehen (vgl. Völzke, Drittes Gesetz zur Änderung des StBerG, DB 1975, 1287, und DB 1975, 2389, 2390, 2391; Charlier/Peter, a.a.O., § 23 Rdnr. 10; Späth, a.a.O., § 23 Rdnr. B 257.2; a.A. Wilhelm, DStR 1986, 178, 179).
Zu beachten ist ferner, daß es sich bei dem Qualifikationserfordernis des § 23 Abs. 3 StBerG um eine Mindestanforderung handelt und daß das dort genannte Gebiet des Lohnsteuerwesens lediglich einen Ausschnitt aus dem Bereich des Einkommensteuerrechts umschreibt (Völzke, DB 1975, 2389, 2391). Soweit demnach Personen auf dem Gebiet der Einkommensteuer beruflich tätig werden und dabei insbesondere - wie Frau K - auch Einkommensteuererklärungen erstellen, erfüllen sie damit regelmäßig auch die Voraussetzungen einer praktischen beruflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens. Denn die Einkommensteuer schließt die Lohnsteuer, die nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer darstellt und deshalb überwiegend im Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt ist, mit ein. Selbst in Fällen, in denen es nicht um die Einkommensteuer der Arbeitnehmer geht, die durch Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) erhoben wird, sind bei der Einkommensteuer zahlreiche Vorschriften und steuerrechtliche Tatbestände zu beachten, die auch bei den Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder der Einkommensteuerveranlagung von Arbeitnehmern Anwendung finden (z. B. Einnahmen, Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Kinderfreibeträge, Einkommen etc.). Ferner ist von Bedeutung, daß sich die Beratungsbefugnis der Lohnsteuerhilfevereine, deren ordnungsgemäßer Erfüllung die Qualifikationsanforderungen an den Beratungsstellenleiter dienen, nach § 4 Nr. 11 StBerG nicht nur auf solche Fälle beschränkt, in denen das Einkommen des Vereinsmitglieds (Arbeitnehmer) ausschließlich aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht (vgl. Urteil des Senats vom 17. November 1987 VII R 124/84, BFHE 151, 289, BStBl II 1988, 147). Wie sich aus § 4 Nr. 11 Satz 2 Buchst. b StBerG ergibt, müssen in den Begriff des ,,Lohnsteuerwesens" im Sinne des § 23 Abs. 3 StBerG jedenfalls auch solche Steuer-Rechtsgebiete einbezogen werden, die die Ermittlung der Einkünfte aus der Wohnung im selbstgenutzten Einfamilienhaus und aus der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß Steuerfachgehilfen, die für die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzeit ihren erlernten Beruf ausgeübt haben, die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG regelmäßig erfüllen, d.h. also (auch) auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens hauptberuflich tätig waren.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sie während ihrer Berufstätigkeit mit Fragen des Lohnsteuerrechts in engerem Sinne (etwa Erstellung von Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder Einkommensteuererklärungen von Arbeitnehmern) befaßt waren. Denn die berufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuerberatung im allgemeinen - insbesondere im Bereich der Einkommensteuer - schließt den Teilbereich des Lohnsteuerwesens, der im übrigen - wie ausgeführt - weit gespannt ist, mit ein (vgl. Völzke, DB 1975, 2389, 2391; einschränkend wohl Wilhelm, DStR 1986, 179). Bei dieser Auslegung ist auch zu berücksichtigen, daß Steuerfachgehilfen schon aufgrund ihrer steuerrechtlich umfassenden Berufsausbildung - wenn auch diese allein für die Bestellung zum Beratungsstellenleiter nach der Fassung des Gesetzes nicht ausreicht - eine Gewähr dafür bieten, daß sie die minderen Qualifikationsanforderungen, von denen der Gesetzgeber für Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins ausgegangen ist, erfüllen werden. Bei ihnen kann deshalb hinsichtlich der vom Gesetz geforderten praktischen Berufstätigkeit auf eine weitere Spezialisierung verzichtet werden.
Eine Auslegung des § 23 Abs. 3 StBerG im vorstehenden Sinne erscheint dem Senat auch deshalb geboten, weil sonst die Bestellung von Steuerfachgehilfen zu Beratungsstellenleitern eines Lohnsteuerhilfevereins davon abhängig gemacht werden müßte, mit welchen Arbeiten der jeweilige Gehilfe in der Praxis seines Arbeitgebers überwiegend befaßt war. Die Billigung des vorgesehenen Beratungsstellenleiters durch die OFD hinge damit weitgehend davon ab, welche Art von Tätigkeiten dem Steuerfachgehilfen in dem Zeugnis seines früheren Arbeitgebers, das als Qualifikationsnachweis gemäß § 23 Abs. 5 StBerG vorzulegen ist, bestätigt würden. Diese Angaben wären aber für die Aufsichtsbehörde und die FG kaum überprüfbar.
4. Die OFD war demnach im Streitfall verpflichtet, die von dem Lohnsteuerhilfeverein als Leiterin seiner Beratungsstellen bestellte Frau K in das bei ihr geführte Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine einzutragen (§ 30 StBerG i.V.m. § 5 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine vom 15. Juli 1975, BGBl I, S. 1906). Die vorgesehene Beratungsstellenleiterin erfüllt die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG, da sie mehr als sechs Jahre lang als Steuerfachgehilfin hauptberuflich steuerberatende Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis ausgeübt hat. Dem steht nach den obigen Ausführungen nicht entgegen, daß sie nach den vorgelegten Zeugnissen überwiegend mit Buchführungsarbeiten befaßt war. Auch diese Arbeiten gehören zum Steuerwesen, das das in § 23 Abs. 3 StBerG genannte Lohnsteuerwesen umfaßt. Im übrigen hat Frau K während ihrer Tätigkeit bei den Steuerbevollmächtigten B und R auch Einkommensteuererklärungen und Anträge auf Lohnsteuer- Jahresausgleich erstellt.
Als hauptberufliche Tätigkeit i.S. des § 23 Abs. 3 StBerG ist auch die in der Zeit vom 1. März 1981 bis 30. Juni 1985 bei den Steuerberatern D geleistete Halbtagstätigkeit anzusehen. Die Ausübung der qualifizierenden Aufgaben muß den in Aussicht genommenen Beratungsstellenleiter nicht voll in Anspruch genommen haben; es genügt, daß sie den zumindest überwiegenden Inhalt der beruflichen Tätigkeit dargestellt haben. Eine Vollzeitbeschäftigung auf dem Gebiet des (Lohn-)Steuerwesens wird demnach nicht vorausgesetzt (vgl. Völzke, DB 1975, 2389, 2391; Späth, a.a.O., § 23 Rdnr. B 257.2; Charlier/Peter, a.a.O., § 23 Rdnr. 12; ebenso: Urteil des Senats vom 18. Mai 1965 VII 18/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 492; Steuerrechtsprechung in Karteiform, Steuerberatungsgesetz 1961, Rechtsspruch 9, zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG a.F.).
Die Vorentscheidung und die angefochtenen Verfügungen der OFD (Aufforderung zur Bestellung eines anderen Beratungsstellenleiters oder Schließung der Beratungsstellen, Zwangsgeldandrohung) sowie die Beschwerdeentscheidung waren deshalb aufzuheben.
5. Der Senat sieht von einer ausdrücklichen Entscheidung über die neben der Anfechtungsklage nur zur Verstärkung des Klagebegehrens erhobenen Leistungsklage ab, mit der der Kläger sinngemäß begehrt, die OFD zu verpflichten, in das bei ihr geführte Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine Frau K als Leiterin seiner Beratungsstellen einzutragen. Zwar ergibt sich aus den obigen Ausführungen, daß die OFD zu dieser Rechtsfolge verpflichtet ist. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die zusätzliche Leistungsklage ist aber zweifelhaft, weil die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebundene Verwaltungsbehörde erfahrungsgemäß von sich aus die rechtlichen Konsequenzen zieht, die sich aus der Aufhebung ihres Verwaltungsakts ergeben (vgl. Urteil des Senats vom 16. Juli 1980 VII R 24/77, BFHE 131, 158, BStBl II 1980, 632).
Fundstellen
Haufe-Index 415739 |
BFH/NV 1989, 49 |