Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht der Altgesellschafter einer GmbH auf die Beteiligung an einer Kapitalerhöhung als Veräußerung eines Anteils i.S. von § 17 EStG; rückwirkende Änderung des ESt-Bescheids bei Bedingungseintritt in einem späteren Jahr
Leitsatz (amtlich)
1. Den Tatbestand einer "Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" i.S. von § 17 EStG erfüllt auch, wer den durch eine Kapitalerhöhung entstehenden neuen Geschäftsanteil anderen gegen Entgelt zur Übernahme überlässt.
2. Tritt die Bedingung für die Zahlung des Entgelts für das Übernahmerecht erst in einem dem Jahr der Veräußerung folgenden Jahr ein, ist der das Jahr der Veräußerung betreffende Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 rückwirkend zu ändern.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1998 mit 32,5 v.H. des Stammkapitals an der T-GmbH beteiligt. Am 19. Februar 1998 übertrug er 2 v.H. seiner Beteiligung (nominal 16 000 DM) zu einem Kaufpreis von 100 000 DM auf D. Dementsprechend setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 einen Veräußerungsgewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 84 000 DM fest. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1999 ergab sich folgender Sachverhalt:
Durch notariellen Beitrittsvertrag vom 6. August 1998 zwischen dem Kläger und den übrigen Gesellschaftern der T-GmbH (Altgesellschafter) einerseits und der S-GmbH andererseits verpflichteten sich die Altgesellschafter, das Stammkapital der T-GmbH um 268 100 DM auf 1 068 100 DM zu erhöhen. Die S-GmbH übernahm den neuen Geschäftsanteil gegen Zahlung der Stammeinlage von 268 100 DM und leistete darüber hinaus ein Agio in Höhe von 1 131 900 DM in die Kapitalrücklage der T-GmbH. An dem erhöhten Stammkapital war der Kläger wie bisher mit 244 000 DM beteiligt. Die T-GmbH verpflichtete sich, die ihr zugeflossenen Mittel nicht zur Tilgung von Bankkrediten oder Gesellschafterdarlehen zu verwenden; sie sollte zum 30. September 1999 in eine AG umgewandelt werden.
Ebenfalls am 6. August 1998 beteiligte sich die S-GmbH an der T-GmbH mit einer stillen Einlage in Höhe von 1 600 000 DM. Bei einem entsprechenden Geschäftsergebnis sollte die stille Beteiligung zeitlich gestaffelt in eine Kapitalrücklage bei der T-GmbH umgewandelt werden.
Im Zusammenhang mit der Vereinbarung der stillen Gesellschaft räumte der Beitrittsvertrag den Altgesellschaftern eine sog. Call-Option mit dem Recht ein, die Anteile der S-GmbH an der T-GmbH beginnend mit dem 31. Dezember 2001 in drei Tranchen zu erwerben. Die S-GmbH hatte das Recht, den Altgesellschaftern ihre Anteile an der T-GmbH zu den jeweiligen Stichtagen anzubieten (sog. Put-Option). Sollten die Altgesellschafter diese Option nicht bedienen können, sollte die S-GmbH über alle Anteile an der T-GmbH verfügen können. Die Preise für den jeweiligen Erwerb wurden ―unter der Voraussetzung der Umwandlung der stillen Einlage in eine Kapitalrücklage― bereits im Beitrittsvertrag festgelegt.
Im Falle eines Börsenganges der T-GmbH sollten die Optionen nicht ausgeübt werden können. Sollte der Börsengang basierend auf dem Emissionskurs der S-GmbH eine Investitionsrendite bezogen auf die Anschaffungskosten der Beteiligung (Stammeinlage plus Kapitalrücklage) von mehr als 25 v.H. erbringen (sog. Übergewinn) sollte der übersteigende Betrag je zur Hälfte auf die S-GmbH und die Altgesellschafter aufgeteilt werden.
In der Folgezeit kam es lediglich zu einem mittelbaren Börsengang der T-GmbH:
- Am 22. Dezember 1998 gründete der Kläger die T-AG und übertrug am 29. April 1999 alle Aktien zum Nennwert von 100 000 DM auf die T-GmbH.
- Ebenfalls am 29. April 1999 wurde die stille Einlage vorzeitig zum 31. Dezember 1998 in eine Kapitalrücklage umgewandelt. Anschließend wurde das Stammkapital der T-GmbH von 1 068 100 DM auf 3 800 000 DM erhöht. Der Erhöhungsbetrag setzte sich zusammen aus dem von der S-GmbH gezahlten Agio von 1 131 900 DM und der umgewandelten stillen Einlage in Höhe von 1 600 000 DM. Sodann übertrug die T-GmbH im Wege der Verschmelzung ihr Vermögen zum 1. Januar 1999 auf die T-AG.
- Im Zuge der Börseneinführung der T-AG erwirtschaftete die S-GmbH einen Übergewinn von 11 576 870 DM, den sie ―nach dem vereinbarten Rückbehalte eines der stillen Einlage in Höhe von 1 600 000 DM entsprechenden Betrages― in Höhe von 9 976 870 DM im Juli 1999 an die Altgesellschafter auszahlte. Auf den Kläger entfielen dabei 3 042 945 DM. Hinsichtlich des von der S-GmbH einbehaltenen Betrages von 1 600 000 DM hatten sich die Altgesellschafter verpflichtet, bis zur Börseneinführung 12 v.H. der Zinsen zu zahlen und sich den Betrag auf die Übergewinnzahlungen anrechnen zu lassen. Die S-GmbH wiederum hatte sich für den Fall, dass die im Gesellschaftsvertrag zur stillen Gesellschaft angenommenen Zielergebnisse erreicht werden, verpflichtet, den Betrag in Teilbeträgen von 400 000 DM und 2 x 600 000 DM wieder freizugeben und unabhängig davon, ob sie noch Aktien an der T-AG hielten, an die Altgesellschafter entsprechend ihrer Beteiligung auszubezahlen.
Das FA ging aufgrund dieses Sachverhalts davon aus, dass der Kläger den auf ihn entfallenden Anteil am Übergewinn in Höhe von 3 042 945 DM als Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 1 EStG zu versteuern habe. Er habe wie die übrigen Altgesellschafter darauf verzichtet, die Anteile der S-GmbH an der T-GmbH durch Ausübung der Call-Option zu erwerben; dadurch habe er seine Anwartschaft auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft veräußert. Die im Jahre 1999 geleistete Zahlung sei als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) im Jahr 1998 zu erfassen. Der in diesem Jahr anzusetzende Veräußerungsgewinn betrage somit (84 000 DM + 3 042 945 DM =) 3 126 945 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es ging wie das FA davon aus, der Kläger und die übrigen Altgesellschafter hätten ihr Bezugsrecht auf die GmbH-Geschäftsanteile an die S-GmbH veräußert.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977).
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 15. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2002 die Einkommensteuer um 408 438,87 € und den Solidaritätszuschlag um 22 464,14 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FA hat bei der Ermittlung der für das Streitjahr 1998 festzusetzenden Einkommensteuer zu Recht weitere Einnahmen des Klägers aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 1 EStG in Höhe von 3 042 945 DM erfasst.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger war sowohl zum Zeitpunkt der Übernahme des durch die Kapitalerhöhung am 6. August 1998 entstandenen Geschäftsanteils von nominell 268 100 DM durch die S-GmbH als auch in den letzten fünf Jahren davor jeweils zu mehr als einem Viertel am Stammkapital der T-GmbH beteiligt. Den Tatbestand der "Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" hat er dadurch erfüllt, dass er im Zusammenwirken mit den anderen Altgesellschaftern der T-GmbH deren Stammkapital erhöht und den durch die Kapitalerhöhung entstandenen neuen Geschäftsanteil der S-GmbH zur Übernahme überlassen hat.
a) Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind u.a. auch Geschäftsanteile an einer GmbH und Anwartschaften auf eine solche Beteiligung (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Zu diesen Anwartschaften gehören auch Bezugsrechte auf GmbH-Geschäftsanteile (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505; vom 8. April 1992 I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761; vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477). Ein solches Bezugsrecht steht nach überwiegender Ansicht im Schrifttum auch den Altgesellschaftern einer GmbH zu (vgl. u.a. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 17. Aufl., § 55 Rz. 13; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 55 Rn. 7 f., jeweils mit Streitstand). Die Frage kann im Streitfall jedoch offen bleiben. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG gehört zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft jede Anwartschaft auf einen neuen Geschäftsanteil; das gilt auch für die Begründung eines Rechts auf die Beteiligung an der Kapitalerhöhung über den gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter (zum Streitstand vgl. etwa BFH-Urteil vom 16. April 1991 VIII R 63/87, BFHE 164, 513, BStBl II 1991, 832, unter 4. der Gründe; Zöllner in Baumbach/ Hueck, a.a.O.). Dementsprechend gehen sowohl der BFH als auch das steuerrechtliche Schrifttum davon aus, dass eine Anwartschaft auch dann vorliegt, wenn das Bezugsrecht der Altgesellschafter in dem für die Kapitalerhöhung notwendigen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen wurde mit der Folge, dass gesellschaftsrechtlich kein Bezugsrecht entstanden ist (BFH-Urteil in BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761, unter II.2.a) der Gründe; Ebling in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 17 Rz. 78; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 17 EStG Rz. 49; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 17 Rz. 27). Dem ausdrücklichen gesellschaftlichen Ausschluss des Bezugsrechts oder einer vergleichbaren Rechtsposition steht es gleich, wenn sich die Altgesellschafter an der Kapitalerhöhung nicht beteiligten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761, unter II.2.a) der Gründe, und in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477).
b) Der Kläger hat seine Anwartschaft auf einen neuen Geschäftsanteil an der T-GmbH auch auf die S-GmbH übertragen.
Nach dem Beitrittsvertrag vom 6. August 1998 und dem entsprechenden Gesellschafterbeschluss zur Kapitalerhöhung beteiligten sich die Altgesellschafter der T-GmbH an der Kapitalerhöhung nicht. Den neu entstandenen Geschäftsanteil übernahm die S-GmbH gegen Zahlung der Stammeinlage in Höhe von 268 100 DM und eines in die Kapitalrücklage gestellten Agios in Höhe von 1 131 900 DM. Damit haben die Altgesellschafter über ihr Recht zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung zugunsten der S-GmbH verfügt. Eine Verfügung liegt auch dann vor, wenn ein Gesellschafterbeschluss bestimmt, dass das Bezugsrecht nicht in der Person der Altgesellschafter, sondern originär in der Person des in die Gesellschaft eintretenden Dritten entstehen soll (BFH-Urteil in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477, m.w.N.).
c) Die Übertragung war als entgeltliche eine Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG.
aa) Die Zahlungsverpflichtung der S-GmbH wurde im Beitrittsvertrag mit (268 100 DM + 1 131 900 DM =) 1 400 000 DM festgelegt. Die Gesellschafter gingen also davon aus, dass zu ihren Lasten stille Reserven in Höhe des Agios auf die S-GmbH übergingen. Insoweit lag infolge der gesellschaftsrechtlichen Bindung dieses Betrages allerdings noch keine Leistung an die Altgesellschafter vor (BFH-Urteile in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638); die Zahlung eines Agios an die Gesellschaft wird vielmehr erst dann und insoweit zu einem Entgelt an die Altgesellschafter für die Einräumung des Bezugsrechts, als es in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung an diese ausgezahlt wird (BFH-Urteil in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 17 Rz. 104) oder ihnen auf andere Weise zufließt. Zu einer Auszahlung durch die T-GmbH kam es wegen der Verschmelzung mit der T-AG nicht mehr. Die Altgesellschafter haben die Gegenleistung für den Verzicht auf ihre Anwartschaft zur Beteiligung an der Kapitalerhöhung aber anlässlich des Börsengangs der T-AG erhalten. Die in diesem Zusammenhang von der S-GmbH geleisteten Zahlungen sind sachlich und zeitlich diesem Verzicht zuzuordnen (s. nachfolgend).
bb) Es ist bereits im Beitrittsvertrag vom 6. August 1998 bestimmt worden, dass die Altgesellschafter an dem Übergewinn zu beteiligen sind, den die S-GmbH anlässlich des Börsengangs erzielen wird. Diese Beteiligung sollte an die Stelle der Call-Option der Altgesellschafter treten, die im Falle des Börsengangs entfiel. Der Übergewinn ist dort definiert als Differenz zwischen dem Emissionskurs und den Anschaffungskosten der S-GmbH für den Geschäftsanteil an der T-GmbH (Stammeinlage plus Kapitalrücklage), soweit diese Investitionsrendite größer ist als 25 v.H. gemäß Baldwin-Berechnung. In diesem Fall soll der Übergewinn zur Hälfte den Altgesellschaftern zustehen und soll der Betrag der stillen Einlage an die Altgesellschafter ausgezahlt werden, wenn auch die im Vertrag über die stille Gesellschaft enthaltenen Zielergebnisse erreicht werden. Da die S-GmbH als eine der T-GmbH nicht nahe stehende Person nichts zu verschenken hatte, gilt für sie die Vermutung, dass Vermögensübertragungen zwischen Fremden entgeltlich sind (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 I R 49/69, BFHE 106, 71, BStBl II 1972, 696, ständige Rechtsprechung). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die aus dem Übergewinn an die Altgesellschafter ausgezahlten Beträge als Gegenleistung für den Verzicht auf die Beteiligung an der Kapitalerhöhung zu zahlen waren, wenn die im Beitrittsvertrag und im Vertrag über die stille Gesellschaft vereinbarten Bedingungen eingetreten sind. Damit steht diese Leistung in einem unmittelbaren, über eine aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) oder zumindest kausal begründeten sachlichen Zusammenhang zu diesem Verzicht. Das reicht für die Annahme eines Veräußerungsgeschäfts i.S. von § 17 Abs. 1 EStG aus (vgl. ―zum aufschiebend bedingten Kauf einer wesentlichen Beteiligung― BFH-Urteil vom 17. Februar 2004 VIII R 28/02, BFHE 205, 426, BStBl II 2005, 46, und ―zum kausalen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung― BFH-Urteil vom 7. März 1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693, unter II.2.a) der Gründe, m.w.N.; Reiß und Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 4. Aufl., § 16 Rdnr. 85, 86 und § 17 Rdnr. 178).
2. Das Entgelt war auch bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 zu erfassen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 173 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.
a) Der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 1998 war nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern. Die Altgesellschafter haben am 6. August 1998 über ihr Anwartschaftsrecht zugunsten der S-GmbH verfügt. Das wurde dem FA erst im Zuge der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 und damit nachträglich i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bekannt.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass das FA den Änderungsbescheid nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, sondern ausschließlich auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist nicht die zur Begründung herangezogene Vorschrift maßgebend; es kommt allein darauf an, ob der angefochtene Bescheid zum Zeitpunkt seines Ergehens durch eine entsprechende Ermächtigungsnorm gedeckt ist (vgl. u.a. Senatsurteil vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, ständige Rechtsprechung).
b) Der Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 steht auch nicht entgegen, dass der Veräußerungstatbestand im Veranlagungszeitraum 1998 noch nicht abgeschlossen war. Der Kläger hat am 6. August 1998 zwar zugunsten der S-GmbH über sein Anwartschaftsrecht verfügt. Es war jedoch 1998 noch nicht erkennbar, ob und inwieweit es sich um ein entgeltliches Geschäft handelte; die Bedingung für die Zahlung der vereinbarten Gegenleistung trat erst 1999 ein. Trotzdem ist auch dieser Teil des Veräußerungstatbestandes bereits im Veranlagungszeitraum 1998 zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.
aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02 (BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, dort unter 1.a) der Gründe) ausgeführt hat, gilt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, der die Änderung bereits bestandskräftiger Bescheide regelt, sinngemäß für noch nicht bestandskräftige Bescheide. Ein Ereignis mit steuerrechtliche Rückwirkung kann auch vorliegen, wenn der Steuerbescheid, in dem der Vorgang zu berücksichtigen ist, noch nicht ergangen ist; in diesem Fall ist das rückwirkende Ereignis beim erstmaligen Erlass des Steuerbescheides zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465, unter 3.a) der Gründe). Entsprechendes gilt, wenn der Steuerbescheid zwar bereits ergangen, aber noch nicht bestandskräftig ist, sei es, dass er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand oder rechtzeitig angefochten wurde. Dem steht der Fall gleich, dass die Bestandskraft aufgrund einer Änderungsvorschrift durchbrochen ist und das rückwirkende Ereignis den zur Änderung führenden Sachverhalt (hier die neue Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) betrifft.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Möglichkeiten zur Änderung von Steuerbescheiden nach § 173 Abs. 1 AO 1977 und nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 einander grundsätzlich ausschließen (BFH-Urteil vom 21. April 1988 IV R 215/85, BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 175 Rz. 52, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 173 AO 1977 Tz. 26 und § 175 AO 1977 Tz. 23, jeweils m.w.N.). Ob ein Ereignis steuerrechtlich zurückwirkt, ist in erster Linie ein Problem des materiellen Rechts, hier also der Bestimmung des § 17 EStG (BFH-Urteil in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 175 AO 1977 Tz. 22, m.w.N.). Soweit dieses die einheitliche Beurteilung eines Sachverhalts fordert, ergänzt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 die jeweilige Änderungsvorschrift. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Steuertatbestand an ein einmaliges punktuelles Ereignis anknüpft, er aber zeitlich gestreckt verwirklicht wird (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 13. September 2000 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641, unter II.3.b) und d) der Gründe). Hier hat das spätere Ereignis nicht lediglich indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines schon früher verwirklichten Sachverhalts, sondern vervollständigt diesen (vgl. zur Abgrenzung u.a. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306, unter II.2. der Gründe).
bb) Die Voraussetzungen des § 175 AO 1977 sind im Streitfall erfüllt.
aaa) Der Große Senat des BFH hat sich in seinem Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) eingehend mit der Frage auseinander gesetzt, wann ein "rückwirkendes Ereignis" bei der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Einzelunternehmens gemäß § 16 Abs. 1 und 2 EStG vorliegt. Er hat entschieden, der Ausfall einer gestundeten Kaufpreisforderung für die Veräußerung eines Gewerbebetriebes in einem späteren Veranlagungszeitraum sei ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt. Der erkennende Senat hat darüber hinaus im Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88 (BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; zuletzt im Urteil in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107) entschieden und im Einzelnen begründet, dass die Grundsätze, die der Große Senat zu § 16 EStG aufgestellt hat, auch für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG gelten. Nachträgliche Änderungen des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung wirken danach auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück. Das gilt für die nachträgliche Uneinbringlichkeit oder die nachträgliche Minderung des Kaufpreises ebenso wie für die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises und insbesondere auch für den Fall, dass die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung noch keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben oder die Höhe des Kaufpreises von der künftigen Entwicklung des Unternehmens abhängen soll (BFH-Beschluss vom 27. September 1994 VIII B 21/94, BFHE 175, 516).
bbb) Nach diesen Grundsätzen ist auch der Fall zu beurteilen, dass die Vertragsparteien wegen der von ihnen angenommenen oder objektiv vorliegenden Unwirksamkeit eines Kaufvertrages den Kaufpreis später neu festsetzen (vgl. ―zu § 6b EStG― BFH-Urteil in BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641, und ―für eine unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stehende Abtretung einer wesentlichen Beteiligung― BFH-Urteil in BFHE 205, 426, BStBl II 2005, 46, und in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, zur auflösenden Bedingung). Entsprechendes gilt, wenn die Vertragsparteien in einem wirksamen Vertrag bestimmen, dass nur bei Eintritt einer bestimmten Bedingung für die erbrachte Leistung ein Entgelt zu entrichten ist und sich der Vertrag insoweit als schwebendes Veräußerungsgeschäft erweist. Tritt die Bedingung ein und erbringt der Erwerber die vereinbarte Gegenleistung, ist der Veräußerungsgewinn im Jahr der Übertragung der Beteiligung zu erfassen.
Der Rückwirkung steht nicht entgegen, dass der Eintritt der Bedingung zivilrechtlich nicht zurückwirkt (§ 159 BGB). Der Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 EStG entsteht nicht im Zeitpunkt des Zuflusses des Kaufpreises, sondern wird nach bilanzrechtlichen Grundsätzen in dem Zeitpunkt realisiert, in dem der Erwerber der Beteiligung das wirtschaftliche Eigentum erlangt und der Veräußerer es verliert (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu allgemein Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 17 Rz. 131, m.w.N., und BFH-Urteil vom 17. Februar 2004 VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651, unter II.2.a) der Gründe, m.w.N.).
3. Das FA hat danach den Veräußerungsgewinn zutreffend mit (84 000 DM + 3 042 945 DM =) 3 126 945 DM festgestellt. Anschaffungskosten waren vom Veräußerungspreis für das Anwartschaftsrecht auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung nicht abzuziehen.
a) Das anlässlich einer Kapitalerhöhung entstehende konkrete Bezugsrecht auf neue Aktien führt zu einer Abspaltung der im Geschäftsanteil verkörperten Substanz und damit auch zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten für die Altanteile. Dieser Teil ist dem Bezugsrecht zuzuordnen; die Anschaffungskosten für die Altanteile sind entsprechend zu kürzen (vgl. u.a. ―für Aktien― BFH-Urteile vom 22. Mai 2003 IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712, und vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638, jeweils m.w.N., sowie ―für GmbH-Anteile― BFH-Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505, und vom 21. September 2004 IX R 36/01, BFH/NV 2005, 285). Ob dies auch für den Fall eines Verzichts auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung gilt, bei dem ein Bezugsrecht nicht entsteht, kann im Streitfall aus den nachfolgenden Gründen offen bleiben (vgl. einerseits BFH-Urteil in BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761, unter II.2.a) der Gründe, und andererseits BFH-Urteil in BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477, a.E.).
b) Das FG hat angenommen, dass auch die stille Einlage der S-GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Zahlung an die Altgesellschafter der T-GmbH als Ausgleich für die auf den neuen Geschäftsanteil übergegangenen stillen Reserven darstelle. Es hat dies daraus geschlossen, dass die Beteiligten die Verpflichtung zur Rückzahlung der stillen Einlage nicht als solche der T-GmbH bzw. der T-AG, sondern als eine Verpflichtung der Altgesellschafter in Höhe ihrer jeweiligen Beteiligung an der T-GmbH behandelt haben. Entsprechend sei bei der Kürzung des Übergewinns verfahren worden; bei Eintritt bestimmter Bedingungen sollte ein Betrag in Höhe der stillen Einlage wieder freigegeben und an die Altgesellschafter ausgezahlt werden.
Diese Behandlung der stillen Einlage lässt sich schlüssig damit erklären, dass sie letztlich den Altgesellschaftern und nicht der T-GmbH bzw. T-AG zugute kommen sollte. Der Kläger hat dem auch nicht widersprochen. Der Senat ist deshalb an die Sachverhaltswürdigung des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie ist nur insoweit revisibel als sie gegen Verfahrensrecht, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 118 Rz. 24, 30). Solche Verstöße liegen hier nicht vor.
c) Von der stillen Einlage in Höhe von 1 600 000 DM entfielen 488 000 DM auf den Kläger. Der Nennbetrag seiner Geschäftsanteile betrug vor der Kapitalerhöhung 244 000 DM. Die auf das Anwartschaftsrecht zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung entfallenden abgespaltenen Anschaffungskosten können sich deshalb unabhängig von ihrer tatsächlichen Höhe im Ergebnis auf den vom FA festgestellten Veräußerungsgewinn nicht auswirken. Soweit dieser Gewinn vom FA zu niedrig angesetzt worden ist, bleibt es dabei. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides zu Lasten des Klägers ist nicht möglich (Verböserungsverbot, vgl. dazu u.a. Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz. 5, mit Rechtsprechungsnachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 1396115 |
BFH/NV 2005, 1660 |
BStBl II 2005, 762 |
BFHE 2005, 476 |
BFHE 209, 476 |
BB 2005, 1838 |
BB 2005, 1940 |
DStRE 2005, 1073 |
DStZ 2005, 582 |
HFR 2005, 978 |