Leitsatz (amtlich)
Die Ehefrau eines unbeschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen, die zum zivilen Gefolge der US-Streitkräfte gehört, ist ihrerseits unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie mit ihrem Ehemann eine gemeinsame Familienwohnung innehat und ihre Anwesenheit in der BRD nicht mehr allein auf dem Umstand beruht, daß sie bei den Streitkräften beschäftigt ist.
Normenkette
EStG §§ 1, 3, 26; StAnpG § 13; DBA USA 1954 Art. 11 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. b S. 2, Abs. 2; NATO-Truppenstatut Art. I Abs. 1; NATO-Truppenstatut Art. X Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und bezieht vom Amt für Verteidigungslasten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die dem Steuerabzug unterliegen. Er heiratete im Jahre 1956 eine amerikanische Staatsbürgerin, welche in den Streitjahren 1963 und 1964 als Lehrerin in H. für Schulen der US-Streitkräfte tätig war. Die Eheleute bewohnten mit ihren Kindern eine ihnen je zur Hälfte gehörende Eigentumswohnung in H.
Der Revisionskläger (FA) hielt den Steuerpflichtigen zunächst für beschränkt steuerpflichtig und veranlagte ihn unter Berufung auf § 50 Abs. 2 und Abs. 4 EStG überhaupt nicht. Auf die Einsprüche des Steuerpflichtigen führte das FA in der Einspruchsentscheidung Einzelveranlagungen für den Steuerpflichtigen durch, lehnte jedoch die von beiden Ehegatten beantragte Zusammenveranlagung mit der Begründung ab, die Ehefrau des Steuerpflichtigen halte sich nur als Mitglied des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf und sei deshalb nicht unbeschränkt steuerpflichtig.
Die Klage des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre jeweils auf den Betrag herab, der sich bei Zusammenveranlagung ergab.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung. Es rügt die Verletzung von Art. I Abs. 1b und Art. X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut, BGBl II 1961, 1190).
Das FG habe außerdem seine Auffassung nicht folgerichtig zu Ende geführt. Wenn die Ehefrau unbeschränkt steuerpflichtig sei, wäre nicht § 3 Nr. 36 EStG, sondern § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit Art. XI Abs. 1 und Art. XV Abs. 1b (Progressionsvorbehalt) DBA-USA 1954 (BStBl I 1955, 70) anzuwenden.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Eine Zusammenveranlagung von Ehegatten findet nur statt, wenn beide Ehegatten unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 26 Abs. 1 EStG). Unbeschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Für die Beurteilung der Frage, ob die Ehefrau des Steuerpflichtigen in den Streitjahren diese Voraussetzung erfüllte, galten als Sonderregelungen gegenüber § 13 und § 14 StAnpG bis zum Ablauf des 30. Juni 1963 die Vorschriften des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Mai 1952 - Truppenvertrag - (BGBl II 1955, 321) und des Abkommens über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder vom 26. Mai 1952 - Steuerabkommen - (BGBl II 1955, 469); ab 1. Juli 1963 ist das NATO-Truppenstatut anzuwenden (Art. 1 des Abkommens über das Außerkrafttreten des Truppenvertrags, des Finanzvertrags und des Steuerabkommens vom 3. August 1959, BGBl II 1961, 1352, und Art. 26 Abs. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom 18. August 1961, BGBl II 1961, 1183, in Verbindung mit der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des NATO-Truppenstatuts und der Zusatzvereinbarungen zu diesem Abkommen vom 16. Juni 1963, BGBl II 1963, 745).
Zu den bis zum 30. Juni 1963 geltenden Vorschriften hat der erkennende Senat im Urteil I R 2/69 vom 16. September 1970 (BFH 100, 102, BStBl II 1970, 869) entschieden, daß die Ehefrau eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, die die Staatsangehörigkeit der USA und die Mitgliedschaft der Streitkräfte im Sinne von Art. 1 Nr. 7b des Truppenvertrags besitzt, trotz der Vorschrift des Art. 2 Abs. 3a des Steuerabkommens unbeschränkt steuerpflichtig ist, wenn sie sich vornehmlich infolge ihrer Eheschließung mit einem in der BRD wohnhaften Ehepartner und nicht vornehmlich infolge ihres Dienstverhältnisses bei den Streitkräften in der BRD aufhält. Könne, so führte der Senat aus, auf der einen Seite die dienstliche Tätigkeit eines Mitglieds der Streitkräfte außerhalb seines Heimatstaates nicht über den Begriff des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts seine unbeschränkte Steuerpflicht im Aufenthaltsstaat begründen, so könne auf der anderen Seite ein Mitglied der Streitkräfte nicht als gehindert angesehen werden, auf Grund anderer Tatsachen einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Aufenthaltsstaat, hier in der BRD, zu begründen.
Diese Rechtslage ist im wesentlichen auch nach Inkrafttreten des NATO-Truppenstatuts bestehen geblieben. Der ab 1. Juli 1963 geltende Art. X Abs. 1 Satz 1 des NATO-Truppenstatuts enthält folgende Regelung: Hängt in dem Aufenthaltsstaat die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer vom Aufenthalt oder vom Wohnsitz ab, so gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied eines zivilen Gefolges nur in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält, im Sinne dieser Steuerpflicht nicht als Zeiten des Aufenthalts in diesem Gebiet oder als Änderung des Aufenthaltsortes oder Wohnsitzes. Diese Vorschrift schließt durch eine dem Schutz des betroffenen Personenkreises dienende Fiktion u. a. aus, daß bei der Prüfung des in § 1 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals "unbeschränkt steuerpflichtig" die inländischen Begriffsbestimmungen für Wohnsitz (§ 13 StAnpG) und (gewöhnlichen) Aufenthalt (§ 14 StAnpG) zugrunde gelegt werden. Die Fiktion ist jedoch ihrem Wortlaut nach eindeutig auf die Zeitabschnitte begrenzt, in denen die Anwesenheit in der BRD allein auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge im Sinne von Art. I Abs. 1a und b des NATO-Truppenstatuts beruht. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, sind als Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht wieder die im deutschen Steuerrecht enthaltenen Begriffe maßgeblich.
Obwohl das FG auf die Streitjahre nur die Vorschriften des NATO-Truppenstatuts angewendet hat, kann die Entscheidung aufrechterhalten bleiben. Denn die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nach der alten und nach der neuen Rechtslage die Schlußfolgerung, daß die Ehefrau des Steuerpflichtigen in den Streitjahren in der BRD unbeschränkt steuerpflichtig war. Sie hatte mit einem in der BRD wohnhaften deutschen Ehepartner die Ehe geschlossen und lebte mit ihm in ehelicher Gemeinschaft. Die Ehegatten bewohnten mit den Kindern eine Eigentumswohnung in H., die ihnen je zur Hälfte gehörte. Dort hatten sie ihren gemeinsamen Hausstand. Nichts deutet darauf hin, daß der Steuerpflichtige und seine Familie in der BRD nur vorübergehend verweilen wollten. Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß in den Streitjahren die Ehefrau in H. eine Wohnung innehatte unter Umständen, die darauf schließen ließen, daß sie die Wohnung beibehalten und benutzen werde (§ 13 StAnpG), und sich nicht allein wegen ihrer Beschäftigung bei den Streitkräften in der BRD aufgehalten hat.
Da die Ehefrau selbst dann unbeschränkt steuerpflichtig ist, wenn man sie als Mitglied der Streitkräfte im Sinne des Truppenvertrags und des Steuerabkommens oder eines zivilen Gefolges im Sinne des NATO-Truppenstatuts betrachtet, kann die Feststellung dieser Eigenschaften dahinstehen. Sie ist auch nicht erforderlich für die einkommensteuerliche Beurteilung der Bezüge, die die Ehefrau als Lehrerin bei den Streitkräften erhielt. Diese Einkünfte sind in jedem Fall steuerfrei und führen im Gegensatz zur Auffassung des FA auch nicht zur Anwendung eines Progressionsvorbehalts. Gehört nämlich die Ehefrau zu den Mitgliedern der Streitkräfte oder eines zivilen Gefolges, so sind ihre Bezüge nach Art. 2 Abs. 4 des Steuerabkommens bzw. Art. X Abs. 1 Satz 2 des NATO-Truppenstatuts steuerfrei. Gehört sie dagegen nicht zu diesem Personenkreis, so besteht für die Bezüge Steuerfreiheit aufgrund von § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit Art. XI Abs. 1 DBA-USA 1954. In diesem Fall kann das Gehalt nicht nach Art. XV Abs. 1b Satz 2 DBA-USA 1954 bei der Festsetzung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anwendbaren Steuersatzes in Rechnung gestellt werden (Progressionsvorbehalt). Denn diese Vorschrift berührt gemäß Art. XV Abs. 2 DBA-USA 1954 nicht die nach Art. XI Abs. 1 DBA-USA 1954 gewährleisteten Befreiungen von den Steuern der BRD; d. h. die Einkünfte, die unter Art. XI Abs. 1 DBA-USA 1954 fallen, unterliegen kraft ausdrücklicher Regelung ausnahmsweise nicht dem Progressionsvorbehalt.
Fundstellen
Haufe-Index 69532 |
BStBl II 1971, 659 |
BFHE 1971, 499 |