Leitsatz (amtlich)
Steht ein Grundstück, das dem gewerblichen Unternehmen einer offenen Handelsgesellschaft dient, im bürgerlich-rechtlichen Eigentum ihrer Gesellschafter, so bewirkt die Überbauung eines Teiles dieses Grundstücks mit einem zu privaten Wohnzwecken der Gesellschafter errichteten Gebäudes dessen Entnahme. Unterbleibt die Entnahme und geht auch das Gebäude in die Bilanz der Gesellschaft ein, so ist im Falle einer späteren Auflösung der Gesellschaft das Gebäude (und der mit ihm überbaute Grundstücksteil) mit dem Buchwert auszubuchen und nicht in den Veräußerungsgewinn einzubeziehen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist die steuerrechtlich zutreffende Behandlung eines auf einem Betriebsgrundstück errichteten Wohngebäudes, das den privaten Wohnzwecken der Gesellschafter dient.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war - gemeinsam mit seinem Bruder - Gesellschafter einer OHG, aus der er zum 31. Dezember 1967 ausgeschieden ist. Das in der Bilanz geführte Betriebsgrundstück, das nach § 8 des Gesellschaftsvertrages je zur Hälfte im bürgerlich-rechtlichen Eigentum der Gesellschafter steht, dient mit 247 qm einem zu privaten Wohnzwecken der Gesellschafter errichteten Gebäude und mit 1 203 qm betrieblichen Zwecken.
Bei der vorläufigen einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr (1967) hat der Beklagte und Revisionskläger (das FA) den halben Wert des Wohngebäudes in den auf den Kläger entfallenden Veräußerungsgewinn einbezogen. Der Kläger vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß das Wohngebäude als notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter nicht in die Bilanz hätte aufgenommen werden dürfen.
Die nach insoweit erfolglosem Einspruch zum FG erhobene Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1971, 530 veröffentlicht. Gegen sie richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA führt zur Begründung aus:
Das Grundstück sei bereits vor Errichtung des Wohn gebäudes in den Jahren 1950 und 1951 als Betriebsvermögen der OHG ausgewiesen gewesen. Es sei schon vom Vater der Gesellschafter einschließlich der aufstehenden, betrieblichen und Wohnzwecken dienenden Gebäude als Betriebsvermögen behandelt worden. Auch das nach kriegsbedingter Zerstörung neu errichtete Wohngebäude sei nach seiner Errichtung in die Bilanz der OHG eingegangen. Da der betrieblich genutzte Teil des Grundstücks nicht nur flächenmäßig, sondern auch wertmäßig überwiege, hätte die OHG das Grundstück und alle aufstehenden Gebäude als eine Einheit behandeln können (Urteil des BFH vom 22. November 1960 I 103/60 S, BFHE 72, 259, BStBl III 1961, 97).
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beigeladene, der den Ausführungen des Klägers beigetreten ist, hat eigene Anträge nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG ist zutreffend vom Grundsatz der Einzelbewertung von Grundstück und Gebäude ausgegangen. Wie der BFH im Beschluß vom 16. Juli 1968 Gr. S. 7/67 (BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108) dargelegt hat, ist bei der Ermittlung des Teilwerts bebauter Grundstücke nicht davon auszugehen, daß Grund und Boden und aufstehende Gebäude eine Einheit bildeten. Das gilt sowohl für das einzelne Gebäude und den mit ihm überbauten Grundstücksteil als auch für den ganzen Komplex eines in einzelnen Teilstücken mit Gebäuden überbauten Grundstücks. Nichts anderes kann aber gelten, wenn es um die Frage der Zuordnung eines Grundstücks (Grundstücksteiles) und des auf ihm errichteten Gebäudes zum Betriebs- oder zum Privatvermögen geht. Daß - wie im Streitfalle - bestimmte Versorgungseinrichtungen (wie neben den Leitungen für elektrischen Strom, Gas und Wasser die Heizungsanlage) dem Wohngebäude und den Betriebsgebäuden gemeinsam sind, ändert hieran nichts. Dasselbe gilt hinsichtlich bestimmter baulicher Verbindungen zwischen Wohngebäude und Betriebsgebäuden, wie sie die Brücke als Zugang zu der Dachterrasse darstellt.
2. Anders als im BFH-Urteil vom 8. Oktober 1965 VI 185/64 U (BFHE 83, 574, BStBl III 1965, 708) ist hier der Fall gegeben, daß sowohl der Grund und Boden als auch das Gebäude im Privateigentum der Gesellschafter stehen und deshalb - trotz anderweiter Bilanzierung - nicht dem Betriebsvermögen der OHG, sondern dem (notwendigen oder gewillkürten) Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter zuzurechnen wären (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1966 VI 43/65, BFHE 86, 80, BStBl III 1966, 352, und vom 5. Juli 1972 I R 230/70, BFHE 107, 108, BStBl II 1972, 928), wenn sie nicht zum notwendigen Privatvermögen der Gesellschafter gehörten.
3. Was die Beurteilung des Wohngebäudes und des mit ihm überbauten Grundstücksteils betrifft, so hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, daß bei rechtlich zutreffender Behandlung der überbaute Grundstücksteil zum 31. Dezember 1951 - als unter Auflösung der anteiligen stillen Reserven in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt - aus der Bilanz auszuscheiden und das Gebäude von vornherein nicht in die Bilanz der OHG aufzunehmen gewesen wären. Zwar mußte nach damaliger Rechtsauffassung das Grundstück zunächst in der Steuerbilanz der OHG ausgewiesen werden. Es konnte aber auch nach der damaligen Rechtsauffassung weder als notwendiges noch als gewillkürtes Betriebsvermögen insoweit in der Bilanz verbleiben, als es mit dem Wohngebäude für die Gesellschafter überbaut worden war (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46, und vom 25. März 1966 VI 232/64, BFHE 85, 422, BStBl III 1966, 453).
4. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 21. Juni 1972 I R 189/69 (BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874) entschieden hat, ist ein Wirtschaftsgut des notwendigen Privatvermögens, das zu Unrecht als Betriebsvermögen bilanziert worden ist, mit dem Buchwert auszubuchen. Aufwendungen und Erträge, die im Zusammenhang mit diesem Wirtschaftsgut stehen, dürfen den Gewinn des Jahres der Ausbuchung nicht beeinflussen. Im Streitfalle ist das Wohngebäude nach seiner Errichtung ohne rechtliche Grundlage in die Bilanz der OHG eingegangen. Da das Gebäude nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens ist, fällt es mit seiner Errichtung in das Eigentum desjenigen, der Eigentümer des Grund und Bodens ist (§§ 93, 946 BGB). Da - wie das FG zu Recht ausgeführt hat - das im Betriebsvermögen der Gesellschaft geführte Grundstück zu seinem mit dem Wohngebäude überbauten Teil angesichts der Zweckbestimmung des Gebäudes zu Wohnzwecken der Gesellschafter notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter geworden und das Gebäude - trotz seiner Aufnahme in die Bilanz der OHG - von Anfang an notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter gewesen ist, war das Gebäude (spätestens) am 31. Dezember 1967 mit seinem Buchwert auszubuchen.
Da der Senat nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen kann, der Kläger aber nur die Festsetzung seines Veräußerungsgewinns auf 51 819 DM beantragt hat, war die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70530 |
BStBl II 1973, 706 |
BFHE 1973, 529 |