Leitsatz (amtlich)

1. Die Befreiung der Hochsee- und Küstenfischerei von der Gewerbesteuer ist eine rein sachliche Steuerbefreiung.

2. Die Steuerbefreiung der Hochsee- und Küstenfischerei geht nicht verloren, wenn der Unternehmer neben der Fischerei im Rahmen seines Gewerbebetriebs sog. Angelfahrten veranstaltet.

 

Normenkette

GewStG § 3 Nr. 7

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt von F aus die Hochsee- und Küstenfischerei. Sein (einziger) Kutter ist im Schiffahrtsregister eingetragen und in F beheimatet; er erbringt eine Leistung von 150 Pferdekräften. Der Kläger beschäftigte 1970 und 1971 (Streitjahre) einen bis zwei Arbeitnehmer.

Seit 1970 veranstaltet der Kläger zur vollen Ausnutzung des Schiffes zusätzlich an Wochenenden sogenannte Angelfahrten, die bis in die Gegend von Helgoland führen, 1970 an sieben Tagen, 1971 an 19 Tagen. Seine Einnahmen daraus hatten 1970 2 100 DM (Gesamteinnahmen: 64 200 DM), 1971 10 973 DM (Gesamteinnahmen: 79 100 DM), die - geschätzten - Gewinne daraus 1970 500 DM (Gesamtgewinn: 9 204 DM), 1971 2 600 DM (Gesamtgewinn: 10 207 DM) betragen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte nach einer Betriebsprüfung die Gewerbesteuerfreiheit für Hochsee- und Küstenfischerei versagt und für die Streitjahre einheitliche Gewerbesteuermeßbeträge festgesetzt.

Die gegen die Gewerbesteuermeßbescheide eingelegten Einsprüche des Klägers blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 575 abgedruckt. Das FG setzte die auf die Angelfahrten entfallenden einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge anteilig nach dem Verhältnis der jeweiligen Betriebseinnahmen auf 12 DM (1970) und 51 DM (1971) fest.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 3 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Es vertritt - wie auch schon zuvor - die Auffassung, die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 7 GewStG stelle auf den Betrieb, nicht auf die einzelne Tätigkeit ab. Daher erfasse die Steuerfreiheit entweder das gesamte Unternehmen oder sie sei ganz zu versagen. Jede andere Tätigkeit als Hochsee- oder Küstenfischerei führe zum Verlust der Gewerbesteuerfreiheit.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil ersatzlos aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die auf die Angelfahrten entfallenden Gewerbeerträge und Gewerbekapitalien der Gewerbesteuer unterworfen und die Gewerbeerträge und die Gewerbekapitalien im übrigen gemäß § 3 Nr. 7 GewStG als steuerfrei behandelt. Der Senat hält diese Auffassung für richtig und tritt ihr bei.

1. Nach § 3 Nr. 7 GewStG ist die Hochsee- und Küstenfischerei von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie mit weniger als sieben im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmern oder mit Schiffen betrieben wird, die eine eigene Antriebskraft von weniger als 100 Pferdekräften haben. Das FG und die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß der Kläger in den Streitjahren weniger als sieben Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt beschäftigt hat und es deshalb für die Gewerbesteuerfreiheit nicht auf die Antriebskraft seines Kutters ankommt. Ebenfalls zutreffend und übereinstimmend werten die Beteiligten die Veranstaltungen von Angelfahrten in den Streitjahren zwar als Teil des Fischereibetriebs und damit als Teil der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, nicht aber als Hochsee- und Küstenfischerei.

2. Gemäß § 3 Nr. 7 GewStG ist - bei Vorliegen der Voraussetzungen - die Hochsee- und Küstenfischerei von der Gewerbesteuer befreit, unabhängig davon, ob in dem Gewerbebetrieb noch andere (gewerbesteuerbare) Tätigkeiten ausgeübt werden.

a) Das ergibt die Auslegung des § 3 Nr. 7 GewStG.

(1) Dem Wortlaut des § 3 Nr. 7 GewStG lassen sich keine Einschränkungen in dem Sinne entnehmen, daß die gewerbesteuerliche Vergünstigung bei Nebentätigkeiten gänzlich entfallen solle (anderer Ansicht offenbar, aber ohne Begründung: Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 3 Anm. 34). Nach den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen entfällt lediglich die Besteuerung für bestimmte Unternehmen der Hochsee- und Küstenfischerei: Die Steuerbefreiung soll "... kleine oder höchstens noch mittlere Fischereibetriebe ..." begünstigen, wie sich schon "aus der Nebeneinanderstellung der beiden in ihr wahlweise verlangten Voraussetzungen ergibt" (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 14. Dezember 1937 I 410/37, RStBl 1938, 428). Eine Beschränkung des Umfangs der sachlichen Steuerbefreiung läßt sich daraus nicht herleiten.

(2) Nach dem aus dem Wortlaut ableitbaren Sinn und Zweck des § 3 Nr. 7 GewStG soll die Steuerfreiheit allen Unternehmen zugute kommen, die bei Beschäftigung einer bestimmten (niedrigen) Zahl von Arbeitnehmern oder bei Einsatz bestimmter (kleinerer) Fahrzeuge Hochsee- und Küstenfischerei betreiben. Die Steuerbegünstigung soll sich ausschließlich auf die in dieser Weise umschriebenen kleineren und mittleren Unternehmen beschränken: Diese sollen zur Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz sowie aus Gründen der Konkurrenz gegenüber größeren Unternehmen nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden. Eine Beschränkung in anderer Hinsicht läßt sich dem Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift nicht entnehmen.

(3) Etwas anderes kann auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang abgeleitet werden, in den die Nr. 7 in § 3 GewStG gestellt ist. § 3 GewStG enthält eine Reihe verschiedenartiger Vorschriften, die entweder zu einer völligen oder zu einer teilweisen Befreiung von Gewerbesteuer führen. Dabei werden bestimmte Einrichtungen und Institutionen als solche von der Gewerbesteuer befreit (Nr. 1, 2, 5 Satz 1, 6 Satz 1), andere Unternehmen, wenn bestimmte Bedingungen (Tatbestandsmerkmale) gegeben sind (Nr. 7, 9, 10, 11, 13). Teilsteuerbefreiungen werden auf verschiedene Weise umschrieben. Während zum einen besondere Betriebe ("Gewerbebetrieb", "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb") näher bezeichneter Einrichtungen und Unternehmen bei Steuerbefreiung im übrigen ausdrücklich "insoweit" der Gewerbesteuer unterworfen werden (Nr. 5 Satz 2, Nr. 6 Satz 2), tritt zum anderen Teilsteuerbefreiung ein, "soweit" bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 3, 6, 12, 13).

In den Fällen, in denen die Steuervergünstigung tatbestandsmäßig von - in der Regel - einer bestimmten Bedingung abhängt, genügt es für die Befreiung von der Steuer, daß diese Bedingung erfüllt ist. Von weiteren Voraussetzungen, insbesondere dem Ausschluß anderer Tätigkeiten im Rahmen des Gewerbebetriebs, macht das Gesetz in diesen Fällen die Steuerbefreiung nicht abhängig. Als Besonderheit der Vorschriften in § 3 Nr. 7 GewStG soll die Hochsee- und Küstenfischerei jedoch von der Steuer befreit sein, wenn von den zwei voneinander unabhängigen Bedingungen (Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer; eigene Triebkraft der Schiffe) die eine oder die andere gegeben ist. Liegt keine der beiden Voraussetzungen vor, so unterliegt der Betrieb der Hochsee- und Küstenfischerei voll der Gewerbesteuer; ist dagegen aber auch nur eine der gesetzlichen Voraussetzungen - voll - erfüllt, so tritt - ebenso wie in den tatbestandsmäßig ähnlichen Fällen der Nrn. 9, 10, 11 und 13 - die Begünstigung ein. Der RFH hat dementsprechend in seinem Urteil I 410/37 die "... Möglichkeit einer teilweisen Befreiung ... nach dem Wortlaut der Vorschrift" ausgeschlossen. In jenem Falle, in dem das Unternehmen Schiffe teils mit mehr teils mit weniger als 100 Pferdekräften eigener Triebkraft in der Fischerei eingesetzt hatte, war nach den Entscheidungsgründen keine der beiden gesetzlichen Bedingungen erfüllt. Mit der Versagung einer "teilweisen Befreiung" lehnte es der RFH (aber nur) ab, die Steuerbefreiung anteilig in demselben Verhältnis zu gewähren, in dem der Steuerpflichtige eine der beiden gesetzlichen Bedingungen (zum Teil) erfüllt hatte. Entschieden hat hat der RFH danach über einen Sachverhalt, der anders gelegen ist als der, der dem Streitfall zugrunde liegt: Im Streitfall erfüllt der Kläger mit seinem Hochsee- und Küstenfischereibetrieb eine der beiden gesetzlichen Bedingungen für die Gewerbesteuerbefreiung in vollem Umfange, während bezüglich einer weiteren Tätigkeit im Rahmen dieses (einen) Gewerbebetriebs die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 GewStG nicht gegeben sind.

(4) Das bisherige Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 7 GewStG nicht in Zweifel gezogen.

Die Befreiungsvorschrift geht auf die Regelung in der Verordnung über die vorläufige Neuregelung der Gewerbesteuer (GewStVO) in der für das Rechnungsjahr 1927 geltenden Fassung vom 15. März 1927 zurück (Preußische Gesetzessammlung 1927 S. 21). Nach § 3 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung war der Fischfang allgemein gewerbesteuerfrei. Den Gemeinden stand es jedoch frei, den ". . . Fischfang, soweit er mit Dampfkraft oder mit sonstiger motorischer Kraft mit mehr als 50 Pferdekräften oder mit mehr als fünf im Jahresdurchschnitte beschäftigten Arbeitnehmern betrieben wird, zur Gewerbesteuer ..." heranzuziehen (§ 42 Abs. 1 der Verordnung).

Die auch heute noch geltende Fassung hat § 3 Nr. 7 GewStG durch das Gewerbesteuergesetz vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 979, RStBl 1936, 1149) erhalten (vgl. auch - den unveränderten - § 3 Nr. 7 GewStG i. d. F. vom 24. März 1977, BGBl I 1977, 484, BStBl I 1977, 214).

b) Entsprechend dieser Auslegung des § 3 Nr. 7 GewStG kann die Rechtsauffassung des FA nicht zutreffen, daß entweder das ganze Unternehmen steuerbefreit oder das ganze Unternehmen der Gewerbesteuer zu unterwerfen sei und daß jede andere Tätigkeit als die Hochsee- und Küstenfischerei dazu führe, "die Freistellung von der Gewerbesteuer zu versagen".

Zwar stellt das Gewerbesteuergesetz, wie das FA richtig hervorhebt, auf den Gewerbebetrieb ab; dieser ist Steuergegenstand. Damit bildet aber der Gewerbebetrieb als solcher nicht auch zugleich die Besteuerungsgrundlage. Nur wenn dies gegeben wäre, könnte allenfalls eine Versagung der Steuerbefreiung insgesamt in Betracht kommen. Gemäß § 6 GewStG sind aber - von der Lohnsumme abgesehen - Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital. Auf diese beiden Grundlagen, nicht auf den Betrieb als solchen, wirkt die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 GewStG: Freigestellt von der Gewerbesteuer sind die Erträge und Kapitalien, die durch Hochsee- und Küstenfischerei erzielt werden bzw. dieser dienen. Es handelt sich - wie sich insbesondere auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt - um eine rein sachliche Befreiung (so auch Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 3 Anm. 29; ebenso schon die erste Auflage dieses Kommentars aus dem Jahre 1937 in Anm. 20 zu § 3). Der Senat vermag in der gesetzlichen Regelung keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, daß sich diese sachliche Steuerbefreiung nur auf die Gesamtheit des Gewerbebetriebs, nicht aber auch auf Teile des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals bezieht, solange der Betrieb als solcher seinen Charakter als Hochsee- und Küstenfischereibetrieb nicht einbüßt. Mögen auch die Hochsee- und Küstenfischer zur Zeit der Entstehung der Vorschrift neben dem Fischfang keine oder nur selten Angelfahrten im Rahmen ihres Gewerbebetriebs veranstaltet haben, so rechtfertigt es dies bei gleichgebliebener Gesetzesvorschrift allein nicht, die Steuerbefreiung für die begünstigte Hochsee- und Küstenfischerei zu versagen, wenn neben dieser Tätigkeit eine andere Nebentätigkeit ausgeübt wird. § 3 Nr. 7 GewStG in seiner seit 1937 geltenden Fassung enthält keine diesbezügliche Einschränkung.

3. Bei dieser Rechtsauffassung brauchte der Senat nicht zu prüfen, in welchem (bestimmten) Umfange eine Steuerbefreiung zugunsten der Hochsee- und Küstenfischerei trotz einer - unter Umständen begrenzten - anderen Tätigkeit noch gegeben sein könnte.

4. Die Berechnung der einheitlichen Steuermeßbeträge, die das FG vorgenommen hat, sowie deren Aufteilung nach dem Verhältnis der Betriebseinnahmen auf den gewerbesteuerfreien und den -pflichtigen Bereich begegnet keinen Bedenken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72956

BStBl II 1979, 49

BFHE 1979, 47

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