Leitsatz (amtlich)
Eine Personenhandelsgesellschaft kann auf die Darlehensforderung gegenüber einer anderen Personenhandelsgesellschaft keine Teilwertabschreibung vornehmen, wenn das Darlehen im Hinblick auf die Beteiligung eines Gesellschafters an der anderen Personenhandelsgesellschaft gewährt worden ist. Die Vermögenseinbuße kann nur in der Gewinnfeststellung der anderen Personenhandelsgesellschaft geltend gemacht werden.
Normenkette
EStG 1975 § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die klagende Kommanditgesellschaft (Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte - Klägerin -) betreibt ein Unternehmen für Spezialbauten. Persönlich haftender Gesellschafter war in den Streitjahren 1975 und 1976 A mit einer Einlage von 800 000 DM; Kommanditisten waren zwei Angehörige mit Einlagen von je 40 000 DM. Im Jahre 1974 gründete A mit B, dem Hauptgesellschafter einer konkurrierenden KG (im folgenden B-KG), die X-KG. A und B übernahmen als Kommanditisten Einlagen von je 80 000 DM; weitere Kommanditisten mit Einlagen von je 20 000 DM wurden jeweils ein Prokurist der beiden konkurrierenden Kommanditgesellschaften.
Die X-KG erhielt 1974 von einer ausländischen Verwaltung einen Auftrag. Die X-KG leitete Maßnahmen zur Durchführung dieses Auftrags ein. Hinsichtlich der Finanzierung wurde im April 1975 in einer Gesellschafterversammlung der X-KG beschlossen:
1. Da in absehbarer Zeit noch nicht mit Geldeingängen zu rechnen ist, erklären sich die Klägerin und die B-KG bereit, bei Bedarf, auf Abruf und nach gegenseitiger Absprache Darlehen zu gewähren.
2. Über die Höhe der Zinsen wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.
3. Die Rückzahlung bleibt ebenfalls einer späteren Vereinbarung vorbehalten, wobei auf die finanzielle Lage der X-KG Rücksicht zu nehmen ist.
Dementsprechend gewährte die Klägerin Darlehen von 900 000 DM im Jahre 1975 und 1 362 500 DM im Jahre 1976. Außerdem vermietete sie bestimmte Anlagegüter an die X-KG und stellte Arbeitskräfte ab. Die X-KG geriet in Vermögensverfall; die Eröffnung eines Konkursverfahrens wurde im Jahre 1978 mangels Masse abgelehnt.
Auf die gewährten Darlehensbeträge nahm die Klägerin bei Aufstellung der Jahresabschlüsse für die Streitjahre jeweils Wertberichtigungen in voller Höhe vor. Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, daß die Klägerin die Darlehen im Interesse des Beigeladenen gegeben habe und daß sie diesem als Einlagen in die X-KG zuzurechnen seien. Eine Teilwertabschreibung sei nicht zulässig. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage verlangte die Klägerin, die Teilwertabschreibung auf die Darlehen als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) hob daraufhin lediglich den Einspruchsbescheid auf, weil der Beigeladene zum Einspruchsverfahren hätte hinzugezogen werden müssen. Das Urteil hatte keinen Bestand. Der erkennende Senat entschied, daß das FG sich nur unter besonderen Voraussetzungen auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken könne; diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.
Im zweiten Rechtsgang hob das FG die Einspruchsentscheidung wiederum auf, wies zusätzlich aber die Klage im übrigen ab. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, daß das Darlehen nicht aus betrieblichem Anlaß, sondern im Interesse des die Klägerin beherrschenden Beigeladenen gegeben worden sei; die Wertminderung stelle deshalb keine Betriebsausgabe dar.
Die Revision der Klägerin rügt die Verletzung der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA hat Anschlußrevision erhoben und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beanstandet, daß das FG die Einspruchsentscheidung aufgehoben habe. Es hätte insgesamt zu einem klageabweisenden Urteil gelangen müssen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung des FG, mit der es die Einspruchsentscheidung aufgehoben, gleichzeitig aber die Klage im übrigen abgewiesen hat, ist in sich widersprüchlich. Wäre die Einspruchsentscheidung wirksam aufgehoben, müßte es zu einem erneuten Vorverfahren vor dem FA kommen; dazu besteht jedoch keine Gelegenheit, wenn das FG sachlich und abschließend über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids entschieden hat. Der Senat versteht das angefochtene Urteil übereinstimmend mit der Klägerin und dem FA dahin, daß eine solche Entscheidung getroffen werden sollte.
1. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin erweist sich als unbegründet. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die Gewährung des strittigen Darlehens nicht betrieblich veranlaßt war, so daß die erforderlich werdende Wertberichtigung keine Betriebsausgabe der Klägerin darstellt.
a) In der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist anerkannt, daß eine gewerblich tätige Personenhandelsgesellschaft ihren Gewinn gemäß §§ 6, 39 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) entsprechend der Veränderung ihres Gesamthandsvermögens zu ermitteln hat und daß hieran nach § 5 Abs. 1 EStG auch bei der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns anzuknüpfen ist, der seinerseits für die Bemessung der Gewinnanteile der Gesellschafter i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG maßgebend ist (vgl. Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, 251, BStBl II 1981, 164 ; Urteil vom 24. März 1983 IV R 123/80, BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598 ).
Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich jede Veränderung des Gesamthandsvermögens unabhängig von ihrem Anlaß auf den Steuerbilanzgewinn auswirkt. In den Vermögensvergleich ist nach § 5 Abs. 1 EStG nämlich nur Betriebsvermögen i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG einzubeziehen. Dazu zählt aber solches Gesamthandsvermögen nicht, dessen Anschaffung nicht betrieblich veranlaßt war (BFH-Urteile vom 22. Mai 1975 IV R 193/71, BFHE 116, 328, BStBl II 1975, 804 ; vom 2. Juni 1976 I R 136/74, BFHE 119, 414, BStBl II 1976, 668 ; vom 15. November 1978 I R 57/76, BFHE 126, 530, BStBl II 1979, 257 ). Eine betriebliche Veranlassung ist verneint worden, wenn beim Erwerb des Wirtschaftsguts bereits erkennbar war, daß es dem Betrieb der Personengesellschaft keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen werde (BFH-Urteil vom 2. März 1967 IV 32/63, BFHE 88, 323, BStBl III 1967, 391 ). Darüber hinaus kann eine betriebliche Veranlassung auch zu verneinen sein, weil der Veräußerer des Wirtschaftsguts Gesellschafter der Personengesellschaft ist und es nach Lage des Falles als ausgeschlossen angesehen werden muß, daß die Gesellschaft das Wirtschaftsgut auch von einem Dritten erworben hätte (BFHE 116, 328, BStBl II 1975, 804 ). Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob die Gewährung eines Darlehens im Interesse eines Gesellschafters betrieblich veranlaßt ist. Muß dies verneint werden, kann der spätere Verlust der Darlehensforderung das Betriebsergebnis nicht beeinflussen, da er nicht betrieblich veranlaßt ist und damit keine Betriebsausgabe darstellt (§ 4 Abs. 4 EStG).
Ob eine betriebliche Veranlassung für die Darlehensgewährung bestand, ist vom Tatrichter zu beurteilen; an seine Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin schon bei Hingabe des Darlehens mit seinem Verlust gerechnet und diesen im Interesse ihres Hauptgesellschafters in Kauf genommen hat. Seinen Darlegungen ist aber zu entnehmen, daß das Darlehen allein im Hinblick auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Gesellschafters gewährt wurde, ohne daß es hierfür einen Anlaß im Betrieb der Klägerin gegeben hätte. Es hat hierfür angeführt, daß zwischen der Klägerin und der X-KG keine Vereinbarung über die Höhe des Darlehens, seine Sicherung, seine Verzinsung und seine Rückzahlung getroffen worden sei, so daß seine Hingabe nicht als Kapitalanlage für Zwecke der Klägerin angesehen werden könne. Nach Auffassung des FG ist das Darlehen im Hinblick auf "private Erwägungen" des Beigeladenen, ersichtlich also zur Unterstützung seines Engagements in der X-KG gewährt worden. Diese Überlegungen lassen keinen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen und sind daher revisionsrichterlich nicht zu beanstanden.
Zu Unrecht meint die Klägerin, daß das Darlehen der Finanzierung eines zwischen ihr und der B-KG bestehenden Gemeinschaftsunternehmens gedient habe und deswegen betrieblich veranlaßt sei. Gesellschafter der X-KG waren nicht die konkurrierenden Kommanditgesellschaften, sondern ihre Hauptgesellschafter, die neben den minderbeteiligten Prokuristen der Unternehmen damit auch Chance und Risiko des Vorhabens der X-KG trugen. Die Darlehensgewährung läßt sich auch nicht als Unterstützung für die geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin erklären. Lieferungen der Klägerin an die X-KG waren, wie die Klägerin nicht in Abrede stellt, nicht vorgesehen; ihre Leistungen beschränkten sich auf die Vermietung von Maschinen zur Abwicklung des Auftrags und die Abstellung von Arbeitskräften, woraus sich die Gewährung eines Darlehens des vorliegenden Umfangs nicht erklären läßt, sofern die genannten Leistungen überhaupt im betrieblichen Interesse der Klägerin getätigt wurden. Wie die Bürgschaftsübernahme durch eine Personenhandelsgesellschaft im Interesse der geschäftlichen Betätigung ihres Gesellschafters in einer anderen Personengesellschaft nicht betrieblich veranlaßt ist (BFHE 119, 414, BStBl II 1976, 668 ) und die Erfüllung von Verbindlichkeiten dieser anderen Personengesellschaft nicht zu Betriebsausgaben der leistenden Personenhandelsgesellschaft führt (BFH-Urteil vom 21. Juli 1967 VI R 307/66, BFHE 89, 520, BStBl III 1967, 734 ), so kann auch für die Gewährung eines Darlehens an die andere Gesellschaft eine betriebliche Veranlassung nicht anerkannt werden, wenn sie ihre Wurzel in der Mitgliedschaft des einflußgebenden Gesellschafters in der anderen Gesellschaft hat.
b) Auf diese Beurteilung hat keinen Einfluß, daß nach der neueren BFH-Rechtsprechung Geschäfte zwischen gewerblich tätigen Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich auch dann uneingeschränkt bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden, wenn ihre Mitglieder ganz oder teilweise identisch sind (Urteile vom 19. Februar 1981 IV R 141/77, BFHE 132, 556, BStBl II 1981, 433 ; vom 6. November 1980 IV R 5/77, BFHE 132, 241, BStBl II 1981, 307 ; in BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598 ). Dabei wird jedoch vorausgesetzt, daß die geschäftlichen Beziehungen in der betrieblichen Betätigung der Gesellschaften ihren Grund haben. In den angeführten Entscheidungen wird deshalb ausgesprochen, daß es sich um einen mit einem typischen Fremdgeschäft vergleichbaren Vertrag handeln müsse (BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598 ) und daß die Leistung der abgebenden Gesellschaft nicht auf einer Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber der empfangenden Gesellschaft beruhen dürfe (BFHE 132, 241, BStBl II 1981, 307 ). Damit wird an die auch sonst erhebliche betriebliche Veranlassung von Geschäften der Gesellschaft angeknüpft. Hieran fehlt es nach den Feststellungen des FG aber im Streitfall.
c) Da die Darlehensgewährung in ursächlichem Zusammenhang mit der Betätigung des Beigeladenen in der X-KG stand, liegt es nahe, daß er die Vermögenseinbuße bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus dieser Beteiligung geltend macht. Hiervon ist bei einem vergleichbaren Sachverhalt bereits das Urteil in BFHE 89, 520, BStBl III 1967, 734 ausgegangen. Hierüber kann im Streitfall jedoch nicht befunden werden; es kann insbesondere auch nicht darüber entschieden werden, ob dem Abzug ein Doppelbesteuerungsabkommen entgegensteht. Der Meinung der Klägerin, daß die Beteiligung an der X-KG Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen bei seiner Beteiligung an der Klägerin sei, so daß ihr Ergebnis in die angefochtenen Gewinnfeststellungen einzubeziehen wäre, kann nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen des FG war die Beteiligung des Beigeladenen an der X-KG nicht bestimmt und geeignet, seinem Engagement in der Klägerin zu dienen; es kann daher offenbleiben, ob die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft überhaupt Sonderbetriebsvermögen bei der Beteiligung an einer anderen derartigen Personengesellschaft sein kann.
2. Das FA begehrt mit seiner Anschlußrevision der Sache nach die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß die Einspruchsentscheidung nicht aufgehoben, sondern die Klage insgesamt abgewiesen wird. Dieses Verlangen ist berechtigt.
Wie der Senat in den Entscheidungen vom 19. August 1982 IV R 185/80 (BFHE 136, 445, BStBl II 1983, 21 ) und vom 22. September 1983 IV R 109/83 (BFHE 140, 132, BStBl II 1984, 342 ) ausgeführt hat, ist Gegenstand der Anfechtungsklage nach § 44 Abs. 2 FGO der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Das FG kann sich deswegen nur dann auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken, wenn der Kläger dies aus besonderen Gründen beantragt hat, oder wenn die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO vorliegen. Der Senat hat dies auch im ersten Rechtsgang in seinem zurückverweisenden Urteil ausgeführt. An diese Rechtsauffassung war das FG nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden. Aus ihr ergibt sich, daß über das Schicksal der Einspruchsentscheidung und des ihr zugrundeliegenden Verwaltungsakts im Regelfall nur einheitlich befunden werden kann. Damit ist die vom FG getroffene Entscheidung nicht vereinbar, die Einspruchsentscheidung aufzuheben, den Verwaltungsakt aber zu bestätigen und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 426025 |
BStBl II 1985, 6 |
BFHE 1985, 42 |