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BFH Urteil vom 19.09.1958 - III 302/57 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Lasteten bei der Währungsreform auf einem Grundstück mehrere RM-Verbindlichkeiten, aus denen Umstellungsgrundschulden entstanden sind, und ist gemäß § 3a HypSichG wegen Kriegsschadens auf die Grundschulden zum Teil in der Art verzichtet worden, daß der Verzichtsbetrag einheitlich von dem rangschlechtesten Teil der Summe der Umstellungsgrundschulden abgesetzt wurde, so muß zur Ermittlung der Verzichtsgarantie des § 100 Abs. 6 LAG der Betrag festgestellt werden, auf den nach § 3a HypSichG bei der Umstellungsgrundschuld, der die Abgabe entspricht, zu verzichten gewesen wäre, wenn der Verzicht quotal auf die Umstellungsgrundschulden angerechnet worden wäre.

Trotz Erlöschens einer Umstellungsgrundschuld wegen Verzicht nach § 3a HypSichG kann aus dem gleichen Schuldnergewinn eine Abgabeschuld nach dem LAG entstehen.

 

Normenkette

LAG § 100 Abs. 6; HypSichG § 3a

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführer (Bf.) sind Miteigentümer des Grundstücks K., S-Str. Auf diesem Grundstück ruhten am 20. Juni 1948 folgende Belastungen:

1. Hauszinssteuer-Abgeltungsdarlehen -------- 9.970,57 RM 2. Hypothek Post Abteilung III Nr. 22 ------ 73.929,06 RM.Die aus diesen Belastungen entstandenen Umstellungsgrundschulden beliefen sich zu 1. auf 8.973,51 DM und zu 2. auf 66.536,15 DM.

Entsprechend der Schadensquote von 69,18 v. H. verzichtete das Finanzamt gemäß § 3a des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 2. September 1948 - HypSichG - (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - S. 87) auf einen letztrangigen Teilbetrag von 52.237,58 DM der Umstellungsgrundschuld von 66.536,15 DM. Bei der Veranlagung zur Hypothekengewinnabgabe hat das Finanzamt unter Zugrundelegung der genannten Schadensquote die Abgabeschuld nach dem Hauszinssteuer-Abgeltungsdarlehen bei einem Minderungsbetrag von 100 v. H. auf 0 DM und die Abgabeschuld nach der Hypothek bei einem Minderungsbetrag von 51.144,12 DM auf 15.392,03 DM festgesetzt.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Inanspruchgenommenen, die das Grundstück im Jahre 1950 erworben haben. Das Finanzgericht hat gemäß § 240 der Reichsabgabenordnung (AO) den früheren Eigentümer O. als Beteiligten zum Verfahren hinzugezogen. Im Rechtsmittelverfahren wurde geltend gemacht, das Finanzamt hätte mit Rücksicht auf den früher ausgesprochenen Verzicht in Höhe von 52.237,58 DM nur eine Abgabeschuld von 14.298,57 DM festsetzen dürfen. Der Verzicht in Höhe von 52.237,58 DM könne nicht rückgängig gemacht werden, denn die Hypothekengewinnabgabe könne nach dem Willen des Gesetzgebers nicht höher sein als die Umstellungsgrundschuld.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führt zur Begründung seines Standpunktes aus, der Verzichtsbetrag sei auf beide Umstellungsgrundschulden gewährt worden. Die Summe beider Umstellungsgrundschulden habe 75.509,67 DM betragen. Nach Anwendung der Schadensquote habe sich ein Verzichtsbetrag von 6.207,88 DM auf die erste und von 46.029,70 DM auf die zweite Umstellungsgrundschuld, zusammen 52.237,58 DM ergeben. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, dessen Wahrung § 100 Abs. 6 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) bezwecke, erfordere, daß sich hier die Abgabeschuld nach Maßgabe des § 100 LAG mindestens um die vorgenannten Verzichtsbeträge mindere. Diese Verzichtsbeträge seien garantiert. Der Minderungsbetrag bei der Hypothekengewinnabgabe betrage für die erste Abgabeschuld 9.311,51 DM, für die zweite Abgabeschuld 51.144,12 DM. Er liege also sowohl hinsichtlich der einzelnen Abgabeschulden über den garantierten Verzichtsbeträgen von 6.207,88 DM und 46.029,70 DM als auch hinsichtlich des Gesamtbetrags der Minderung der Hypothekengewinnabgabeschulden mit 60.455,63 DM über dem Gesamtbetrag des Verzichts auf Umstellungsgrundschulden in Höhe von 52.237,58 DM. Die einheitliche öffentliche Last sei somit geringer als die Summe der Umstellungsgrundschulden nach Durchführung des Verzichtsverfahrens. Das Finanzamt habe darum § 100 Abs. 6 LAG nicht verletzt.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) rügen die Bf. unter Wiederholung ihrer früheren Ausführungen unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und unrichtige Festsetzung des Streitwerts, den das Finanzamt mit 20 v. H. der streitigen Abgabesumme angenommen hat.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.

Das Finanzgericht hat ohne Rechtsirrtum ausgesprochen, daß in dem angefochtenen Hypothekengewinnabgabebescheid die Verzichtsgarantie des § 100 Abs. 6 LAG nicht verletzt ist. Lasteten vor dem 21. Juni 1948 mehrere Grundschulden auf einem kriegsbeschädigten Grundstück, so wurde bei Verzicht nach § 3a HypSichG die Schadensquote auf den Gesamtbetrag der Umstellungsgrundschulden angewendet und entsprechend dem sich ergebenden Verzichtsbetrag von dem rangschlechtesten Teil der Summe der Umstellungsgrundschulden abgesetzt (vgl. Nr. 12 der Verwaltungsanordnung für die Behandlung von Anträgen auf Bewilligung des Verzichts auf Umstellungsgrundschulden vom 4. November 1949, Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen - MinBlFin. - S. 33, und § 17 der Verwaltungsanordnung über die Bewilligung des Verzichts auf Umstellungsgrundschulden vom 27. Juni 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 I S. 255). Auch im vorliegenden Falle wurde der Verzichtsbetrag für beide Umstellungsgrundschulden auf die zweite Umstellungsgrundschuld verrechnet. Nach dem LAG ist im Gegensatz hierzu die Schadensquote auf jede einzelne RM-Verbindlichkeit gesondert anzuwenden, so daß grundsätzlich auch an die Stelle der infolge des Verzichts erloschenen Umstellungsgrundschuld wieder eine Abgabeschuld tritt. Durch § 100 Abs. 6 LAG soll - wie auch das Finanzgericht schon ausgeführt hat - gewährleistet werden, daß in den Fällen, in denen nach § 3a HypSichG auf Umstellungsgrundschulden verzichtet worden ist, sich die Abgabeschuld mindestens um den Verzichtsbetrag mindert, der für die entsprechende Umstellungsgrundschuld gewährt worden ist. Bestanden - wie hier - mehrere Umstellungsgrundschulden, so muß der Minderungsbetrag mindestens so hoch sein wie der Betrag, auf den nach § 3a HypSichG bei der Umstellungsgrundschuld, der die Abgabe entspricht, zu verzichten gewesen wäre, wenn der Verzicht quotal auf die Umstellungsgrundschuld angerechnet worden wäre. Der Verzichtsbetrag wird nach der Höhe der bei der Berechnung des Verzichts berücksichtigten Umstellungsgrundschulden verhältnismäßig aufgeteilt (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz, § 100 Anm. 37). Die Unterschiede bei der Durchführung des Verzichtsverfahrens nach § 3a HypSichG und bei der Minderung nach dem LAG können also dazu führen, daß eine erloschene Umstellungsgrundschuld als Abgabeschuld wieder auflebt und daß andererseits die Verpflichtung aus einer bestehengebliebenen Umstellungsgrundschuld ganz oder teilweise wegfällt.

Von diesen grundsätzlichen Erwägungen ausgehend entfällt von dem gesamten Verzichtsbetrag von 52.237,58 DM auf die hier streitige zweite Umstellungsgrundschuld ein Betrag von 46.029,70 DM. Da der vom Finanzamt festgestellte Minderungsbetrag 51.144,12 DM beträgt, ist er höher als der garantierte Verzichtsbetrag.

Es ist nicht richtig, daß ein Teil des Verzichtsbetrages auf die vorhergehende Abgeltungshypothek nicht verrechnet werden könne, weil diese erloschen sei. Das Finanzgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, daß diese Hypothek genau so behandelt wird wie alle anderen mit der einen Ausnahme, daß sie gemäß § 100 Abs. 3 LAG mit 135 v. H. der Schadensquote gemindert wird. Die Minderung des Abgeltungsdarlehens wird aber in die Verzichtsgarantie mit einbezogen. Die Verzichtsgarantie gilt nach § 100 Abs. 6 Satz 2 LAG ohne Rücksicht darauf, auf welche Umstellungsgrundschuld der Verzichtsbetrag verrechnet worden ist.

Die Bf. berufen sich zu Unrecht auf die nicht veröffentlichte Entscheidung des erkennenden Senats III 226/56, nach der die Verzichtsverfügung nur unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden kann; denn im vorliegenden Fall ist die Verzichtsverfügung unverändert geblieben. Auch den § 111 Abs. 4 LAG können sie nicht gegen die Entscheidung des Finanzgerichts anführen, da diese Vorschrift von der Haftentlassung eines belasteten oder mitbelasteten Grundstücks spricht; dieser Tatbestand liegt hier nicht vor. Die Bf. gehen bei ihren Erwägungen offenbar davon aus, daß durch die Entstehung der Abgabeschuld der Verzicht nach § 3 a HypSichG verändert oder beeinträchtigt würde. Das aber ist nicht der Fall. Das LAG läßt die bis zu seinem Inkrafttreten durch das HypSichG geschaffene Rechtslage für den vorliegenden Fall unberührt; es läßt statt dessen die Hypothekengewinnabgabe als öffentliche Last auf dem Grundstück entstehen, sofern ein Schuldnergewinn vorliegt und das Grundstück erhalten geblieben ist. Die Abgabeschulden werden nach dem LAG neu berechnet. Dabei werden auch Minderungen der Abgabeschulden nach diesem Gesetz neu festgestellt, wodurch im Fall der mehrfachen Belastung eines Grundstücks bei Verzicht auf die Umstellungsgrundschulden entsprechend geminderte Abgabeschulden treten. Für diese Ansicht spricht auch § 107 LAG, aus dem zu entnehmen ist, daß trotz Erlöschens einer Umstellungsgrundschuld wegen Verzichts nach § 3a HypSichG aus dem gleichen Schuldnergewinn eine Abgabeschuld entstehen kann. In Fällen der Veräußerung eines Grundstücks zwischen dem 21. Juni 1948 und dem Inkrafttreten des LAG hat der Gesetzgeber durch § 118 eine Sonderregelung getroffen, in der er die berücksichtigungswürdigen Tatbestände aufzählt. Die für die Anwendung dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen sind aber hier nicht erfüllt. Die allenfalls in Frage kommende Ziffer 3 des Abs. 2 verlangt, daß die Umstellungsgrundschulden nach den Vorschriften des HypSichG nicht entstanden waren. Daß im vorliegenden Fall die Umstellungsgrundschulden entstanden waren, ist unzweifelhaft. Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Veräußerer und dem Käufer, auf deren Möglichkeit die Bf. so ausdrücklich hinweisen, werden unter Zugrundelegung der vertraglichen Vereinbarungen vor den ordentlichen Gerichten entschieden und können die hier vorliegende Streitfrage nicht maßgeblich beeinflussen.

Wenn das Finanzgericht den Wert des Streitgegenstandes auf 20 v. H. der streitigen Hypothekengewinnabgabe festgestellt hat, so entspricht es damit der übung des erkennenden Senats. Nach § 320 Abs. 4 AO gilt für die Entscheidung über den Streitwert freies Ermessen. Um bei dieser eine möglichst gleichmäßige Handhabung zu gewährleisten, hat der Bundesfinanzhof, wie für Rechtsstreite über andere Steuersachen so auch für eine streitige Hypothekengewinnabgabe als Richtschnur 20 v. H. des streitigen Betrages festgelegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 261/56 S vom 2. November 1956, BStBl 1956 III S. 388 = Slg. Bd. 63 S. 502). Eine Verletzung des dem Finanzgericht durch § 320 AO eingeräumten Ermessens bei der Feststellung des Streitwerts kann nicht anerkannt werden.

Die Rb. war darum mit der Kostenfolge aus § 307 AO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409186

BStBl III 1958, 450

BFHE 1959, 464

BFHE 67, 464

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