Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag unter unterhaltspflichtigen Angehörigen - fehlerhafte Feststellung durch das FG
Leitsatz (amtlich)
Es ist grundsätzlich nicht rechtsmißbräuchlich, wenn der unterhaltsverpflichtete Sohn seiner Mutter den Unterhalt in Geld auszahlt und wegen der Überlassung einer Wohnung einen Mietvertrag mit ihr abschließt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 23.Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).
Orientierungssatz
Die Feststellung des FG, daß eine Mutter in 1990 monatlich 535 DM Miete an den Sohn zahlte, obwohl ihr insgesamt nur rd. 900 DM zu Verfügung standen, ist nach der Lebenserfahrung nicht möglich. Wie bei widersprüchlichen tatsächlichen Feststellungen liegt darin ein materiell-rechtlicher Fehler, den das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat und der zur Aufhebung der Vorentscheidung führt. Standen der Mutter keine weiteren Mittel zur Verfügung, kann der Mietvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sein.
Normenkette
AO 1977 § 41 Abs. 2, § 42; EStG § 21 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Dezember 1988 eine 53 qm große Eigentumswohnung. Diese vermietete er mit Vertrag vom 28. Dezember 1988 für 535 DM (einschließlich einer Abschlagszahlung von 75 DM für Heizung und Warmwasser) an seine damals 71 Jahre alte Mutter. Die Miete wurde auf ein Konto des Klägers überwiesen.
Die Mutter des Klägers bestätigte in einer Erklärung vom 5. Dezember 1990, von ihrem Sohn 1990 Barzuwendungen in Höhe von monatlich 450 DM erhalten zu haben. Sie erklärte ferner, weder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch über Vermögen zu verfügen. Die Mutter bezog 1990 eine Rente in Höhe von 5 403,60 DM. Lt. Angaben des Klägers trug der geschiedene Ehemann der Mutter nicht zu deren Unterhalt bei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1990 zwar die Unterhaltsleistungen an die Mutter mit einem Betrag von 5 056 DM nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG), den geltend gemachten Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7 150 DM berücksichtigte das FA jedoch nicht, weil das Mietverhältnis mit der Mutter steuerlich nicht anerkannt werden könne.
Nach vergeblichem Einspruch erhob der Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 109 abgedruckten Gründen stattgab.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 21 EStG und des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG konnte aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen nicht zu dem Ergebnis gelangen, daß das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Mutter nicht die Voraussetzungen des § 41 Abs.2 AO 1977 erfüllt.
1. a) Das FG hat festgestellt, daß die Mutter des Klägers im Streitjahr 1990 eine Rente in Höhe von 5 403,60 DM (monatlich rd. 450 DM) bezogen und ferner von ihrem Sohn monatlich 450 DM erhalten hat. Ihr standen also monatlich rd. 900 DM zur Verfügung. Daß die Mutter darüber hinaus noch weitere Einnahmen hatte, hat weder das FG festgestellt, noch hat dies der Kläger vorgetragen.
Das FG hat ferner festgestellt, daß die Mutter des Klägers die monatliche Miete von 535 DM auf ein Konto des Klägers überwiesen hat. Danach wären der Mutter monatlich 365 DM für ihren Lebensunterhalt verblieben. Das reichte bei einer in einer Großstadt lebenden erwachsenen Person im Streitjahr 1990 nicht aus. Die Feststellung, daß jemand monatlich 535 DM Miete zahlte, obwohl ihm insgesamt nur rd. 900 DM zur Verfügung standen, ist nach der Lebenserfahrung im Regelfall nicht möglich. Wie bei widersprüchlichen tatsächlichen Feststellungen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. März 1973 II R 34/66, BFHE 109, 472, BStBl II 1973, 707) liegt darin ein materiell-rechtlicher Fehler, den das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat und der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt.
Der Mutter des Klägers standen also entweder weitere Mittel zur Verfügung oder aber der Mietvertrag ist --unbeschadet der Feststellungen des FG-- nur zum Schein abgeschlossen worden. Das könnte z.B. dann der Fall sein, wenn der Kläger die Miete nach Eingang auf seinem Konto wieder an seine Mutter zurückgezahlt hätte. Ein Scheingeschäft ist jedoch der Besteuerung nicht zugrunde zu legen (§ 41 Abs.2 AO 1977). Das FG ist zwar der Ansicht, für das Vorliegen eines Scheingeschäfts sei nichts ersichtlich. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen, solange nicht geklärt ist, wovon die Mutter im Streitjahr gelebt hat. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit es dies nachholen kann.
b) Die Zurückverweisung der Sache erübrigt sich nicht deshalb, weil die Mutter die Miete zum Teil aus Mitteln bezahlt haben könnte, die sie als Unterhaltsleistungen von ihrem (Vermieter-)Sohn erhalten hat, und die Klage bereits aus diesem Grund wegen Rechtsmißbrauchs (§ 42 AO 1977) abzuweisen sein könnte (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).
Ein Rechtsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine zivilrechtliche Gestaltung gewählt worden ist, die, gemessen an dem angestrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904, und vom 3. Dezember 1991 IX R 142/90, BFHE 166, 276, BStBl II 1992, 397). Die Unterhaltszahlung einerseits und die Erfüllung der mietvertraglichen Verpflichtungen andererseits sind zwei Vorgänge, die auch steuerrechtlich voneinander zu trennen sind.
Die Mutter des Klägers war ihm gegenüber unterhaltsberechtigt (§ 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--); denn angesichts ihres Alters und der Höhe ihrer Rente konnte sie sich nicht selbst unterhalten (§§ 1601, 1602 BGB). Der Kläger war verpflichtet, den Unterhalt in Form einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs.1 Satz 1 BGB). Er konnte nicht bestimmen, in welcher Art der Unterhalt gewährt werden soll (§ 1612 Abs.2 BGB), insbesondere konnte er die Mutter nicht auf eine teilweise Erfüllung des Unterhaltsanspruchs in Sachleistungen verweisen. Er konnte nur verlangen, daß ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art als durch Entrichtung einer Geldrente --hier: durch Überlassen einer Wohnung-- gestattet würde, vorausgesetzt es lagen besondere Gründe vor, die dies rechtfertigten (vgl. § 1612 Abs.1 Satz 2 BGB). Solche Gründe sind jedoch nicht ersichtlich. Der Umstand, daß die Mutter möglicherweise auch gegen ihren geschiedenen Ehemann einen Unterhaltsanspruch hatte (§§ 1569 ff. BGB), beeinträchtigte den Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn nicht; denn nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG gewährte der geschiedene Ehemann keinen Unterhalt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage war der Abschluß eines Mietvertrages mit der Mutter nicht unangemessen i.S. des § 42 AO 1977. Der Kläger konnte nicht ohne weiteres zur (teilweisen) Abgeltung der Unterhaltsverpflichtung seiner Mutter die Wohnung als Naturalunterhalt überlassen (vgl. demgegenüber BFH in BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604). Dazu hätte es eines Vertrages mit seiner unterhaltsberechtigten Mutter bedurft (§ 364 Abs.1 BGB). Auch dadurch wäre jedoch die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Unterhalts in Geld grundsätzlich nicht berührt worden (vgl. Heinrichs in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3.Aufl., § 364 Rdnr.1). Da die Überlassung der Wohnung an die Mutter von der Unterhaltsverpflichtung ihr gegenüber zu trennen ist, war es nicht unangemessen i.S. des § 42 AO 1977, wenn der Kläger seiner Mutter den Unterhalt in Geld auszahlte und wegen der Überlassung der Wohnung einen Mietvertrag mit ihr abschloß. Ein Mietvertrag war auch deshalb angemessen, um die Dauer der Nutzung, die Kündigungsmöglichkeiten sowie die näheren Bedingungen der Nutzung, z.B. Instandhaltungsverpflichtungen, zu regeln (vgl. auch Kemmer, Neue Wirtschafts-Briefe, F 2, S.5133; Sangmeister, Der Betrieb 1988, 1673). Auch die Vereinbarung eines Mietpreises war zweckmäßig, weil die Höhe der Miete und die Höhe des Unterhaltsanspruchs sich grundsätzlich unabhängig voneinander nach unterschiedlichen Kriterien bestimmen und entwickeln.
Mit dieser Beurteilung weicht der Senat nicht von seinem Urteil in BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604 (ebenso BFH-Beschluß vom 14. Juni 1988 IX B 157/87, BFH/NV 1990, 97) ab. Dort war ein Mietvertrag zwischen dem Vater und seinem unterhaltsberechtigten Sohn zu beurteilen. Der Senat begründete seine Entscheidung, daß Rechtsmißbrauch gegeben sei, im wesentlichen damit, daß die Eltern die Art der Unterhaltsgewährung bestimmen konnten (§ 1612 Abs.2 Satz 1 BGB) und sie damit den Unterhaltsanspruch des Kindes ohne dessen Zustimmung (teilweise) durch Sachleistungen, indem sie z.B. eine Wohnung zur Verfügung stellten, erfüllen können. § 1612 Abs.2 Satz 1 BGB gilt jedoch nicht für die Unterhaltsverpflichtung des Sohnes gegenüber seiner Mutter.
Ebensowenig weicht der Senat von seinem Urteil vom 17. März 1992 IX R 264/87 (BFHE 168, 78, BStBl II 1992, 1009) ab, denn in diesem Fall war zwischen den Beteiligten kein Mietvertrag geschlossen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 65634 |
BFH/NV 1996, 249 |
BStBl II 1997, 52 |
BFHE 180, 265 |
BFHE 1997, 265 |
BB 1996, 1481 |
BB 1996, 1481-1482 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1996, 1449-1450 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1083-1084 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1996, 567-568 (Kurzwiedergabe) |
HFR 1996, 563-564 (Leitsatz) |
StE 1996, 453 (Kurzwiedergabe) |