Leitsatz (amtlich)
Auf die Herstellungskosten für einen Ladenumbau und eine Schaufensteranlage, die nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 29. März 1965 I 411/61 U (BFHE 82, 123, BStBl III 1965, 291) Wirtschaftsgüter sind, können die Sonderabschreibungen nach der 1. Konjunkturverordnung in Anspruch genommen werden.
Normenkette
EStG § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. s; Erste Konjunkturverordnung § 1 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1967, ob auf die Herstellungskosten für eine Ladenmodernisierung und eine Schaufensteranlage eine Sonderabschreibung in Höhe von 5 % nach Maßgabe der Ersten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 10. Februar 1967 (BGBl I 1967, 190, BStBl I 1967, 19) - 1. Konjunktur-VO - in Anspruch genommen werden kann.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, betreibt ein Möbel- und Dekorationsgeschäft. In den Jahren 1966 und 1967 ließ sie das Geschäftshaus umbauen und renovieren. Von den Umbaukosten entfielen auf die Ladenmodernisierung 34 063,41 DM und auf die Schaufensteranlage 25 606,50 DM. Sowohl die Ladenmodernisierung als auch die Schaufensteranlage wurden 1967 fertiggestellt. In ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember 1967 wies die Klägerin die Herstellungskosten der Ladenmodernisierung und der Schaufensteranlage jeweils gesondert als Aktivposten aus und nahm hierauf neben einer zeitanteiligen 10 %igen AfA je eine Sonderabschreibung in Höhe von 5 % unter Berufung auf § 1 Nr. 2 der 1. Konjunktur-VO vor.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) vertrat demgegenüber die Auffassung, daß für die Kosten der Ladenmodernisierung und Schaufensteranlage keine Sonderabschreibung beansprucht werden könne, weil insoweit keine selbständigen, abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geschaffen worden seien. Trotz gesonderter Aktivierung und Abschreibung dieser Kosten seien Ladenumbauten unselbständige Gebäudeteile (Abschn. 42 a Abs. 4 EStR).
Auf dieser Grundlage erließ das FA am 5. Februar 1969 einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1967. Darin erhöhte es den erklärten Gewinn um die Sonderabschreibung für die Ladenmodernisierung in Höhe von 1 703 DM und für die Schaufensteranlage in Höhe von 1 280 DM.
Die Klägerin erhob Sprungklage. Diese hatte Erfolg. Das FG stellte einen um die Sonderabschreibungen auf die Ladenmodernisierung und auf die Schaufensteranlage ermäßigten Gewinn fest. Das FG war der Ansicht, daß Ladenumbauten, Ladenausbauten und modernisierte Schaufensteranlagen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei der Anwendung des § 7 EStG als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen und zu behandeln seien und daß sie deshalb auch abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Sinne der 1. Konjunktur-VO seien. Dieser Verordnung sei nicht zu entnehmen, daß der Begriff des Wirtschaftsguts enger sein solle als in § 7 EStG.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil hinsichtlich der zugelassenen Sonderabschreibungen für den Ladenumbau und die Schaufensteranlage aufzuheben und (sinngemäß) die Klage insoweit abzuweisen. Das FA rügt unrichtige Anwendung des § 1 der 1. Konjunktur-VO in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. s EStG.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. s EStG i. d. F. des StÄndG 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der 1. Konjunktur-VO können "bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens", die vom Steuerpflichtigen im sogenannten Begünstigungszeitraum (nach dem 19. Januar 1967 und vor dem 1. November 1967) angeschafft oder hergestellt worden sind, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung "neben den nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zu bemessenden Absetzungen für Abnutzung Abschreibungen vorgenommen werden, und zwar
1. bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zur Höhe von 10 v. H.,
2. bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zur Höhe von 5 v. H.
der Anschaffungs- oder Herstellungskosten".
1. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, daß auf die Herstellungskosten für Ladenumbauten und Schaufensteranlagen, auch wenn diese gesondert aktiviert und getrennt von den Herstellungskosten des Gebäudes nach Maßgabe einer kürzeren Nutzungsdauer abgeschrieben werden können, Sonderabschreibungen nicht zulässig seien. Sonderabschreibungen kämen nur "für selbständig abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" in Betracht, nicht hingegen für aktivierungspflichtigen nachträglichen Herstellungsaufwand bei Gebäuden. Die gesonderte Aktivierung und Abschreibung der Ladenumbauten bedeute nicht, daß es sich insoweit um selbständig abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handele; Ladenumbauten blieben vielmehr unselbständige Gebäudeteile (vgl. z. B. den im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den Finanzministern der anderen Länder ergangenen Erlaß des Hessischen Ministers der Finanzen vom 29. Juni 1967, DStZ B 1967, 299).
Im steuerrechtlichen Schrifttum wird diese Auffassung von einem Teil der Autoren gebilligt (vgl. z. B. Längsfeld, Der Betrieb 1967 S. 484; Nissen, Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 D ESt II B 66, Einzelfragen). Andere sind demgegenüber der Ansicht, daß Sonderabschreibungen auf die Herstellungskosten der im Begünstigungszeitraum hergestellten Ladenumbauten und Schaufensteranlagen zulässig sind, wenn diese Herstellungskosten gesondert aktiviert und getrennt von den Herstellungskosten des Gebäudes nach § 7 EStG abgesetzt werden können (vgl. insbesondere Gübbels, Finanz-Rundschau 1967 S. 368; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 7 EStG Anm. 125; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., Anh. zu § 7 Anm. 9 mit weiteren Nachweisen).
2. Der Senat hat im Streitfall nicht darüber zu befinden, ob Sonderabschreibungen nach der 1. Konjunktur-VO allgemein auf aktivierungspflichtigen nachträglichen Herstellungsaufwand bei Gebäuden, insbesondere auf Gebäudeumbaukosten vorgenommen werden können. Zu entscheiden ist im Streitfall nur, ob Sonderabschreibungen auf die Herstellungskosten von im Begünstigungszeitraum hergestellten Ladenumbauten und Schaufensteranlagen zulässig sind, wenn diese Ladenumbauten und Schaufensteranlagen mit ihren Herstellungskosten gesondert aktiviert und getrennt von den Herstellungskosten des Gebäudes nach Maßgabe des § 7 EStG abgesetzt werden können. Diese Frage ist, wie die Vorentscheidung zu Recht ausgeführt hat, aus den nachstehenden Gründen zu bejahen.
a) Nach dem Wortlaut der 1. Konjunktur-VO und ihrer Ermächtigungsnorm im Einkommensteuergesetz sind begünstigt die im Begünstigungszeitraum angeschafften oder hergestellten abnutzbaren "Wirtschaftsgüter" des Anlagevermögens. Der Begriff des Wirtschaftsgutes findet sich in zahlreichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, insbesondere auch in den Vorschriften der §§ 6 und 7 über die Bewertung und die AfA. Wenn die 1. Konjunktur-VO, die auf einer Ermächtigung im Einkommensteuergesetz beruht, entsprechend dem Wortlaut dieser Ermächtigung bei der Bestimmung des Begünstigungstatbestandes an den Begriff des Wirtschaftsgutes anknüpft, so muß nach dem Wortsinn angenommen werden, daß die Verordnung den Begriff des Wirtschaftsgutes mit dem Inhalt verwendet, wie ihn das Einkommensteuergesetz in der im Zusammenhang stehenden Norm des § 7 EStG versteht. Die gegenteilige Annahme, insbesondere die Auffassung, der Begriff des Wirtschaftsgutes im Sinne der 1. Konjunktur-VO sei enger als der Begriff des Wirtschaftsgutes im Sinne des § 7 EStG, bedürfte der Rechtfertigung durch unabweisbare Gründe, die sich aus der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Zweck der 1. Konjunktur-VO und ihrer Ermächtigungsnorm ergeben müßten. Solche Gründe sind nicht erkennbar. Auch die Revision hat insoweit nichts vorgebracht.
b) Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) im einzelnen entwickelt hat, bemißt sich die AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer "des Wirtschaftsgutes" (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG), ebenso wie das Wirtschaftsgut im ganzen Gegenstand einer evtl. Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Gesetz kennt weder eine AfA von unselbständigen Teilen eines Wirtschaftsgutes noch eine Teilwertabschreibung hierauf. Das Wirtschaftsgut "Gebäude" umfaßt alle Gebäudebestandteile, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Gebäudes als solchem stehen. Eine gesonderte AfA von Gebäudeteilen ist nur zulässig, wenn die Gebäudeteile "die normalen Merkmale eines selbständigen Wirtschaftsgutes erfüllen"; dies trifft nur zu, wenn die Gebäudeteile "in einem von der Gebäudenutzung verschiedenen Funktionszusammenhang stehen" (BFHE 111, 251). Als Gebäudeteile, die in einem von der Gebäudenutzung verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen und die deshalb die Merkmale eines selbständigen Wirtschaftsgutes erfüllen, kommen, wie der Große Senat ausdrücklich unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 29. März 1965 I 411/61 U (BFHE 82, 123, BStBl III 1965, 291) betont, auch "Ladeneinbauten, -umbauten, und Schaufensteranlagen" in Betracht (vgl. BFHE 111, 252). Für diese ist nach dem BFH-Urteil I 411/61 U eine gesonderte AfA zuzulassen, "wenn sie von dem Gebäude klar abgrenzbar sind, einen eigenen Rentabilitätsfaktor darstellen und somit nach der Gesamtheit der tatsächlichen Umstände bei wirtschaftlicher Betrachtung ein selbständiges Wirtschaftsgut gegeben ist". Demnach trifft es nicht zu, wenn die Revision meint, die gesonderte Aktivierungs- und Abschreibungsmöglichkeit der Ladenumbauten usw. bedeute nicht, daß es sich insoweit um eigenständige abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handle. Das Gegenteil ist der Fall. Nur die Qualifikation der Ladenumbauten usw. als Wirtschaftsgüter kann es rechtfertigen, von den Herstellungskosten eine gesonderte AfA vorzunehmen.
Für die Anwendung der 1. Konjunktur-VO folgt hieraus, daß bei Ladeneinbauten, -umbauten und Schaufensteranlagen, die den Voraussetzungen einer gesonderten Aktivierung und AfA nach § 7 EStG genügen, neben der AfA nach § 7 EStG auch Abschreibungen nach der 1. Konjunktur-VO vorgenommen werden können, sofern die übrigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen (Anschaffung oder Herstellung im Begünstigungszeitraum) erfüllt sind.
Für den Streitfall bedeutet dies, daß die Vorentscheidung der Klägerin zu Recht die beantragten Sonderabschreibungen in Höhe von 5 % der Herstellungskosten für die Ladenmodernisierung und für die Schaufensteranlage zugestanden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 71397 |
BStBl II 1975, 531 |
BFHE 1975, 332 |