Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsgeschäft gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (Vereinigung aller Anteile in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG) liegt nicht vor, wenn die Beteiligungen an den erwerbenden Unternehmen zum Privatvermögen einer natürlichen Person gehören.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die A-GmbH war im Jahre 1957 durch drei Personen gegründet worden. Im Jahre 1959 nahm die B-GmbH das Angebot eines Gesellschafters auf Abtretung seines Geschäftsanteils an der A-GmbH an und trat ihrerseits den übernommenen Geschäftsanteil sofort an die C-GmbH ab. Durch weitere notarielle Verträge wurden ebenfalls im Juni 1959 die beiden Anteile der übrigen Mitbegründer von der C-GmbH und der D-GmbH übernommen.
Die übernehmenden Gesellschaften gehören sämtlich dem sog. X-Konzern, einer umsatzsteuerlich als Unternehmereinheit behandelten Unternehmensgruppe an. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der selbst nicht einschlägig gewerblich tätig ist, beherrscht den Konzern als alleiniger Kapitaleigner. Er hält die Anteile in seinem Privatvermögen. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) sah in dem Vorgang eine Vereinigung aller Anteile i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und setzte gegen den Kläger eine Grunderwerbsteuer fest. Besteuerungsgrundlage war der vom FA ermittelte Stichtagswert für die zum Vermögen der A-GmbH gehörenden Grundstücke.
Nach erfolglosem Einspruch hob das FG die Grunderwerbsteuerfestsetzung und die Einspruchsentscheidung ersatzlos auf.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt das FA, die Entscheidung des FG aufzuheben. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe sich bei seiner Entscheidung auf den klaren Wortlaut des Gesetzes gestützt, während das FA der sinngemäßen Auslegung folge. Dies sei im vorliegenden Falle deshalb angebracht, weil die Auslegung des Gesetzes nach dem klaren Wortlaut ein dem Willen des Gesetzgebers entgegenstehendes Ergebnis mit sich bringe. Es sei das erklärte Ziel des Grunderwerbsteuergesetzes, sämtliche Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke bezögen, soweit diese nicht durch allgemeine und besondere Ausnahmen oder durch Sondergesetz von der Besteuerung ausgenommen seien, zu besteuern. Hierunter fielen auch die im § 1 Abs. 3 GrEStG aufgezählten Rechtsgeschäfte. Dieses Ziel der lückenlosen Besteuerung werde jedoch nur dann erreicht, wenn entgegen der bei Rechtsverkehrsteuern im Vordergrund stehenden rechtlichen Betrachtung auch die wirtschaftliche Betrachtung Platz greife. Im Streitfall habe der Kläger im Zuge des Erwerbs der Gesellschaftsanteile an der A-GmbH durch Gesellschaften des von ihm als alleinigen Kapitaleigner beherrschten sog. X-Konzerns indirekt die uneingeschränkte Verfügungsmacht über den Grundbesitz der A-GmbH erhalten. Dieser Sachverhalt könne im Interesse der Erfüllung des Willens des Gesetzgebers nur wirtschaftlich betrachtet werden, denn nur so erfahre er die richtige steuerliche Beurteilung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid kann keinen Bestand haben, denn ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang liegt nicht vor.
Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen der Gesellschaft inländische Grundstücke gehören und wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen i. S. des § 2 Abs. 2 UStG (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden. Das FG ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG eine Grunderwerbsteuerpflicht des Klägers nicht bejaht werden kann, denn Erwerber der Anteile der A-GmbH waren zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Diese beiden übernehmenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung gehörten zwar einer umsatzsteuerrechtlich als Unternehmereinheit geführten Firmengruppe an. Daraus folgt indes nicht, daß die Anteile der A-GmbH "in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG (herrschende und abhängige Unternehmen)" vereinigt wurden, denn zwischen den erwerbenden Gesellschaften bestand - wie der Beklagte selbst einräumt - kein Über- und Unterordnungsverhältnis.
Dem Revisionsvorbringen, wonach diese am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung zu einem dem Willen des Gesetzgebers entgegenstehenden Ergebnis führe und deshalb unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtung eine Grunderwerbsteuerpflicht des Klägers bejaht werden müsse, vermag der Senat nicht zu folgen. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem Sinnzusammenhang ergibt (BVerfGE 1, 299, 312). Der vom Gesetzgeber mit dem Erlaß einer Vorschrift verfolgte Zweck ist für die Auslegung nur insoweit maßgebend, als er im Wortlaut des Gesetzes hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen ist.
Der Wille des Gesetzes kann angesichts dessen eindeutigen Wortlauts nicht dahin verstanden werden, daß auch die Fälle einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf zwei Kapitalgesellschaften, die beide unmittelbar oder mittelbar allein von einer natürlichen Privatperson (Nichtunternehmer!) gehalten werden, der Grunderwerbsteuer unterworfen werden soll. Es kann dahinstehen, ob die unterschiedliche grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung der Anteilserwerbe durch Gesellschaften eines Organkreises einerseits und durch nicht einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft angehörende, wohl aber von ein und derselben Privatperson beherrschte Gesellschaften andererseits gerechtfertigt erscheint, denn der Rechtsprechung ist es versagt, die Aussage steuerbegründender Normen auszuweiten. Es ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers, die Merkmale zu bestimmen, die die Steuerpflicht auslösen sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 71055 |
BStBl II 1974, 769 |
BFHE 1975, 306 |