Leitsatz (amtlich)
Ein Grundstück wird auch dann "mit Hilfe einer Kapitalabfindung" im Sinne § 8 Abs. 1 GrEStG erworben, wenn der Erwerber die Kapitalabfindung zur Ablösung von Grundschulden verwendet, die er unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hatte.
Normenkette
GrEStG § 8 Abs. 1
Tatbestand
Die Witwe A übertrug durch notariellen Vertrag vom 16. Dezember 1961, der am 27. Dezember 1961/20. Januar 1962 behördlich genehmigt wurde, ihren Grundbesitz "im Wege der verfrühten Erbfolge" auf ihren Neffen, den Kläger. Dieser übernahm Grundschulden, die Vermögensabgabe, sowie die Verpflichtung, seiner Tante ein Altenteil zu gewähren.
Das FA (Beklagter) erhob aufgrund dieses Vorgangs eine Grunderwerbsteuer.
Auf den Einspruch des Klägers setzte der Beklagte die Steuer herab.
Das FG hob sowohl den Einspruchsbescheid wie auch den Steuerbescheid ersatzlos auf. Diese Entscheidung beruht darauf, daß der Kläger auf einen von ihm am 18. Januar 1962 gestellten Antrag hin durch Bescheid des Landesversorgungsamtes vom 26. November 1962 nach Maßgabe der §§ 72 bis 80 des Bundesversorgungsgesetzes eine Kapitalabfindung bewilligt erhalten hatte, die er zur "Ablösung der im Grundbuch in Abt. III Nr. 3 und 4 eingetragenen Hypotheken" (gemeint sind zwei der o. g. Grundschulden) verwenden mußte. Das Landesversorgungsamt hat bestätigt, daß "mit Hilfe der Kapitalabfindung die Hypotheken abgelöst" wurden. Das FG sah durch diesen Vorgang den Tatbestand des § 8 Abs. 1 GrEStG als erfüllt an.
Mit der Revision beantragt der Beklagte, das FG-Urteil aufzuheben und den Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung wiederherzustellen. Gerügt wird die Verletzung des § 8 Abs. 1 GrEStG. Diese Vorschrift setze für die Befreiung voraus, daß dem Erwerber der Grundstückserwerb wirtschaftlich dadurch ermöglicht werde, daß er einen Teil der vom Veräußerer beanspruchten Gegenleistung aus der Kapitalabfindung begleichen könne. Was Grundstückserwerb sei, bestimme § 1 GrEStG. Was Gegenleistung sei, bestimme § 11 GrEStG. Sei in dem Grundstückskaufvertrag vereinbart, daß die Übernahme von Grundstücksbelastungen Gegenleistung sei, so könne diese logisch nicht mit einer Kapitalabfindung bewirkt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach dem Wortsinn und Sprachgebrauch ist ein Grundstück nur dann im Sinne § 8 Abs. 1 GrEStG "mit Hilfe einer Kapitalabfindung erworben", wenn die Abfindung vor Kaufabschluß ausgezahlt oder bereits bewilligt, zumindest aber wegen des beabsichtigten Grundstückserwerbs vor oder doch zeitnahe nach dem Kaufabschluß beantragt und nach Auszahlung unmittelbar zur Tilgung des (gestundeten) Kaufpreises verwendet wird. In den Fällen, in denen die Kapitalabfindung erst nach, aber eben wegen des Grundstückserwerbs und deshalb unverzüglich nach Kaufabschluß beantragt wird und in denen der Erwerb zunächst mit Hilfe eines Zwischenkredites finanziert werden muß, liegt - genau gesehen - nur noch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Kapitalabfindung vor. Gleichwohl kann bei nicht enger Auslegung des § 8 GrEStG auch in derartigen Fällen noch die Steuervergünstigung gewährt werden, sofern der Kredit mit Rücksicht auf die Kapitalabfindung aufgenommen worden ist (vgl. Urteil des Senats vom 6. April 1971 II 38/65, BFHE 103, 235, BStBl II 1971, 779).
Auch der vorliegende Fall ist unter Anwendung dieser Grundsätze rechtlich zu beurteilen. Zwar unterscheidet er sich von den oben genannten dadurch, daß der Erwerber sich den Kaufpreis nicht stunden ließ und er auch nicht einen Kredit zur Bezahlung des Preises aufnahm, er vielmehr eine z. Zt. des Erwerbs bereits bestehende Schuld der Veräußerin, die auf dem Grundstück dinglich gesichert war, übernahm. Fälle dieser Art können aber nicht etwa - wie das FA meint - schon deshalb vom Anwendungsbereich der Vorschrift des § 8 GrEStG ausgeschlossen sein, weil das Entgelt durch Schuldübernahme entrichtet wurde und die spätere Tilgung der Schuld in keinem Zusammenhang mehr mit dem Erwerb stehe. Eine solche Betrachtung würde einmal die Erwerbe stark belasteter Grundstücke unter gleichzeitiger Schuldübernahme ohne sachlich einleuchtenden Grund schlechthin von der Regelung des § 8 GrEStG ausschließen. Sie wäre zudem wirtschaftlich nicht vertretbar, denn sie würde die Kenner des Rechts veranlassen, selbst einen Kredit aufzunehmen, um den Kaufpreis an den Veräußerer zu entrichten, der seinerseits damit sofort seine Schulden tilgen müßte. Würden - wie meist in diesen Fällen - die neu aufgenommenen Kredite des Erwerbers auf dem erworbenen Grundstück dinglich gesichert, so bestünde im Ergebnis nach dem Erwerb dieselbe Lage, die bestehen würde, wenn der Erwerber die Schulden des Veräußerers und die diesbezüglichen Belastungen des Grundstücks mit übernommen hätte. Allenfalls die Gläubiger wären andere geworden. Es erscheint nicht gerechtfertigt, durch eine restriktive Auslegung des Gesetzes einen Anreiz für solche wirtschaftlich unsinnigen zeit- und kostenraubenden Transaktionen zu schaffen. Der Senat hält es vielmehr für geboten, die Fälle der Entgeltentrichtung durch Schuldübernahme und alsbaldiger Schuldentilgung mit der Kapitalabfindung nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, wie die Fälle der Zahlung des Kaufpreises unter Inanspruchnahme eines Kredits, der schließlich mit der Kapitalabfindung getilgt wird.
Daraus folgt, daß der Kläger die Vergünstigung des § 8 GrEStG in Anspruch nehmen kann, denn er hatte - wie das FG aus verschiedenen Umständen geschlossen hat - die Schulden im Hinblick auf die erhoffte, etwa zeitgleich mit dem Erwerb beantragte und ihm auch zum Zwecke der Ablösung bewilligte Kapitalabfindung übernommen.
Fundstellen
Haufe-Index 70916 |
BStBl II 1974, 491 |
BFHE 1974, 293 |