Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur sog. Kleinen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 4 EStG)
Leitsatz (NV)
- § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG, der auch Fälle der vor 1987 fertiggestellten, aber erst nach 1986 selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus erfasst, setzt voraus, dass ohne Systemwechsel ein Abzug als Werbungskosten im Rahmen der Nutzungswertbesteuerung möglich gewesen wäre.
- Die zur sog. Großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653) gelten entsprechend auch für die sog. Kleine Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 21 S. 4; EStDV § 82i
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1998, 474) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist nach der Scheidung von seiner früheren Ehefrau, von der er ab dem 1. September 1990 getrennt gelebt hatte, seit dem … Dezember 1992 erneut verheiratet. In den Jahren 1990 bis 1994 (Streitjahre) wurde er mit seiner früheren Ehefrau für 1990 und mit seiner jetzigen Ehefrau für 1992 bis 1994 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt, im Jahr 1991 wurde für den Kläger eine Einzelveranlagung durchgeführt.
Im Jahr 1984 hatten der Kläger und seine frühere Ehefrau je zur Hälfte Miteigentum an einem mit einem als Einfamilienhaus bewerteten Fachwerkhaus bebauten Grundstück erworben. Die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten beliefen sich auf insgesamt 16 478,50 DM. Das Gebäude ist in die Denkmalliste eingetragen.
In den Jahren 1985 und 1986 ließen der Kläger und seine frühere Ehefrau das Gebäude grundlegend sanieren, zugleich errichteten sie einen Anbau. Ende 1986 war das Gebäude bezugsfertig.
Nach der von der Stadt als unterer Denkmalbehörde gemäß § 40 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) erteilten Bescheinigung i.S. der §§ 82i und 82k der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) waren die Baumaßnahmen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich.
Die gesamten Baukosten beliefen sich auf 507 922,49 DM. Dazu erhielten der Kläger und seine frühere Ehefrau Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln in Höhe von insgesamt 53 504 DM (1987: 24 300 DM; 1988: 29 204 DM). Im Jahr 1988 wandten sie für weitere Baumaßnahmen an dem Gebäude nochmals 6 791,53 DM auf.
Mit notariellem Vertrag vom 27. Januar 1989 übertrug die frühere Ehefrau des Klägers auf diesen zunächst einen 1/6 Miteigentumsanteil bei sofortiger Übergabe und sodann mit notariellem Vertrag vom 24. Juli 1990 ―im Hinblick auf die beabsichtigte Trennung und Scheidung― den ihr noch verbliebenen 1/3 Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück entgeltlich mit Übergabe zum 1. September 1990.
In den Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre machte der Kläger für das Gebäude jeweils erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 3 296 DM und nach § 82i EStDV in Höhe von 46 121 DM als Sonderausgaben geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte angesichts der insoweit bindenden Bescheinigung der Denkmalbehörde zwar die gesamten Baukosten. Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und § 82i EStDV ließ es jedoch insoweit nicht gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG zum Sonderausgaben-Abzug zu, als sie auf die vom Kläger erworbenen Miteigentumsanteile entfielen.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 474).
Mit der Revision rügt das FA einen Verstoß gegen § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG.
Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1990 bis 1994 ohne Berücksichtigung erhöhter Absetzungen gemäß § 82i EStDV i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG für 1990 in Höhe von 7 008 DM und für 1991 bis 1994 in Höhe von jeweils 22 381 DM anderweitig festzusetzen.
Der Kläger, der die im Laufe des Revisionsverfahrens vom FA wegen ―nicht streitbefangener― höherer Kinderfreibeträge geänderten Einkommensteuer-Bescheide vom 23. August 2000 (für 1991 bis 1994) und vom 4. Oktober 2000 (für 1990) jeweils gemäß §§ 68, 121 Satz 1, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat dem Kläger zu Unrecht in vollem Umfang erhöhte Absetzungen wie Sonderausgaben zuerkannt. Dem Kläger steht lediglich ein Sonderausgabenabzug in Höhe von insgesamt (1/2 plus 1/6 =)4/6 der erhöhten Absetzungen für alle Streitjahre zu, darüber hinaus für das Streitjahr 1990 zeitanteilig in vollem Umfang.
1. Haben bei einer Wohnung im eigenen Haus bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen vorgelegen und findet Satz 2 (große Übergangsregelung) keine Anwendung, können nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG (kleine Übergangsregelung) die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abgezogen werden.
a) Entgegen der Auffassung des FG findet ―bezogen auf den unentgeltlichen Erwerb in Höhe von 1/6 der Miteigentumsanteile― § 11d Abs. 1 Sätze 1, 3 EStDV im Rahmen des § 82i EStDV i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG weder unmittelbare noch analoge Anwendung. § 11d Abs. 1 EStDV regelt lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum und ist keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Einzelrechtsnachfolger zum Abzug von erhöhten Absetzungen. Aus § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG lässt sich nichts anderes herleiten (dazu im Einzelnen und zur Vermeidung von Wiederholungen siehe Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267, BStBl II 1992, 736; vom 31. Oktober 1991 X R 53/90, BFH/NV 1992, 296; vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295; vom 5. November 1996 IX R 105/93, BFH/NV 1997, 339).
b) Auch die zu § 7b EStG entwickelten Grundsätze sind nicht entsprechend anwendbar. Anders als § 7b EStG oder auch § 10e EStG enthält § 82i EStDV ―vor dem Hintergrund der jeweils unterschiedlichen Zweckrichtungen der Normen― gerade keine Regelung zu Objektverbrauch und Folgeobjekt und insbesondere keine Regelung für Ehegatten. Die vom FG vertretene Auffassung würde sowohl dem Regelungszweck des § 82i EStDV wie auch dem Bestimmtheitsgebot der Ermächtigungsnorm (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ―GG―) nicht entsprechen; § 51 Abs. 1 Nr. 2 y EStG ist auch durch Auslegung keine vergleichbare Ehegattenregelung zu entnehmen.
c) Der Abzug der insoweit den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben nach § 82i EStDV i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG steht dem Kläger jedoch teilweise aus eigenem Recht zu. Denn er war zur Vornahme von erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV auch hinsichtlich des unentgeltlich hinzuerworbenen 1/6 Miteigentumsanteils berechtigt.
Zwar war der Kläger zum Zeitpunkt der mit der Durchführung der Baumaßnahmen anfallenden Kosten weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer dieses Miteigentumsanteils. Das schließt jedoch die Berücksichtigung der von ihm getragenen Aufwendungen nicht aus. Hat sich nämlich ein Steuerpflichtiger an den Herstellungskosten für ein im gemeinsamen hälftigen Miteigentum der Eheleute stehenden Gebäude beteiligt und nutzt er das Gebäude zur Einkunftserzielung, so kann er die über seinen hälftigen Anteil hinausgehenden Herstellungskosten als eigenen Aufwand durch erhöhte Absetzungen grundsätzlich als Werbungskosten abziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281; vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, und GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774). Zwar werden nach Auslaufen der Nutzungswertbesteuerung und ohne Inanspruchnahme der sog. großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) bei der Selbstnutzung von Wohneigentum keine (fiktiven) Einkünfte mehr erzielt (vgl. BFH in BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295). § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG, der auch Fälle ―wie vorliegend― der vor 1987 fertiggestellten, aber erst nach 1986 selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus erfasst (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 1999, § 10e Rz. 217; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, § 10e Rn. 247; Bundesminister der Finanzen ―BMF― vom 19. September 1986, BStBl I 1986, 480, unter II. Nr. 5 letzter Satz i.V.m. Nr. 4 Satz 6) will jedoch gerade den infolge des Übergangs zur sog. Privatgutlösung wegfallenden Abzug erhöhter Absetzungen als Werbungskosten durch einen Abzug wie Sonderausgaben auffangen und damit die ansonsten durch den Systemwechsel verlorengehende Abzugsmöglichkeit weiter für den betroffenen Steuerpflichtigen sichern. Das setzt voraus, dass ohne Systemwechsel ein Abzug als Werbungskosten im Rahmen der Nutzungswertbesteuerung möglich gewesen wäre (gl.A. Meyer/Richter, Die steuerliche Wohnungsbauförderung, 1991, S. 182; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. C 34, 35).
Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger eine über seinen hälftigen Besitz hinausgehende, dem hinzuerworbenen 1/6 Miteigentumsanteil entsprechend höhere finanzielle Beteiligung an den Herstellungskosten für das Gebäude getragen. Bei unstreitigem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 82i EStDV hätte daher der Kläger erhöhte Absetzungen in Höhe von (1/2 plus 1/6 =)4/6 der Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen der Nutzungswertbesteuerung abziehen können. In dieser Höhe ist daher der Abzug wie Sonderausgaben für alle Streitjahre zuzulassen.
2. Darüber hinaus steht dem Kläger der Sonderausgabenabzug in Höhe der erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV im Streitjahr 1990 für die Monate bis einschließlich August in vollem Umfang zu.
a) Nach der BFH-Rechtsprechung ist die sog. große Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) ―bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen― auch dann anzuwenden, wenn Eheleute, die im Jahr 1986 und in einem Folgejahr gemeinsam die eigene Wohnung nutzten, im Jahr 1986 beide Miteigentümer waren, während in dem Folgejahr nur ein Ehegatte Alleineigentümer ist. Dabei ist entscheidend, dass beide Eheleute die tatsächliche Sachherrschaft in Form des (Mit-)Besitzes an der selbstgenutzten Wohnung in beiden Jahren unverändert in vollem Umfang gemeinsam ausüben und die fiktiven Nutzungswert-Einkünfte gemeinsam erwirtschaften. Der Grundgedanke, dass die Übertragung von Miteigentumsanteilen an der gemeinsam genutzten Wohnung unter Ehegatten nicht steuerschädlich sein soll, findet sinngemäß auch für die aus Gründen des Vertrauensschutzes ins Gesetz aufgenommene große Übergangsregelung Anwendung (im Einzelnen siehe BFH-Urteil vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653). Diese Grundsätze gelten entsprechend auf für die sog. kleine Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG (gl.A. Meyer/Richter, Die steuerliche Wohnungsbauförderung, 1991, S. 182; Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl. 1999, S. 501, unter 7.3 a.E.; s.a. Abschn. 62 Abs. 4 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR― 1987). Dabei ist zu beachten, dass eine Nutzungswertbesteuerung ggf. nur zeitanteilig zu berücksichtigen ist (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 5 EStG a.F.; BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 74/92, BFH/NV 1995, 1051).
b) Im Streitfall hat der Kläger gemeinsam mit seiner (ersten) Ehefrau die tatsächliche Sachherrschaft in Form des (Mit-)Besitzes an der selbstgenutzten Wohnung bis zum August des Streitjahres 1990 ausgeübt, wobei er ohne Übergang zur sog. Privatgutlösung die erhöhten Absetzungen als Werbungskosten hätte abziehen können. Folglich steht ihm für dieses Streitjahr der Sonderausgabenabzug zeitanteilig zu 8/12 in Höhe der vollen Absetzungen zu.
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen ist die Einkommensteuer für die Streitjahre wie folgt zu berechnen und festzusetzen: …
Fundstellen
Haufe-Index 601537 |
BFH/NV 2001, 1114 |