Leitsatz (amtlich)
Die Teilwertabschreibung des derivativ erworbenen Geschäftswerts eines Handwerksbetriebes ist im Anschluß an das BFH-Urteil vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72 (BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73) zuzulassen, wenn über einen längeren Zeitraum gesehen die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dazu geführt hat, daß im Falle der Betriebsveräußerung in dem Wirtschaftszweig Geschäftswerte nicht mehr vergütet werden, wenn der nachhaltig zu erzielende Gewinn nicht höher als ein angemessener Unternehmerlohn ist.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Ende des Jahres 1962 übernahm der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) von einer Witwe das Malergeschäft, in dem er bisher als angestellter Malermeister gearbeitet hatte, gegen Zahlung einer Rente von monatlich 350 DM. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1963 wies der Kläger die Rentenverpflichtung mit ihrem versicherungsmathematisch errechneten Barwert von 27 612 DM aus. Unter den Besitzposten war ein erworbener Geschäftswert von 25 800 DM angegeben, um dessen Abschreibung zum 31. Dezember 1971 gestritten wird. Für die übrigen Aktivposten - Fahrzeuge, Inventar, Werkzeuge, Vorräte - waren nur geringfügige Beträge aufgeführt.
Die Gewinne des Klägers unterlagen von 1963 bis zum Streitjahr 1971 Schwankungen. Nach den Feststellungen des FG betrugen sie durchschnittlich 20 000 DM je Geschäftsjahr.
Die Rentenverpflichtung fiel 1969 weg. In der Bilanz zum 31. Dezember 1971 schrieb der Kläger den 1963 erworbenen Geschäftswert von 25 800 DM auf 10 000 DM mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der in den Jahren 1970 bis 1972 erzielten Gewinne habe er keinen angemessenen Unternehmerlohn erwirtschaften können. Den Unternehmerlohn beziffere er unter Anlehnung an den Jahresarbeitslohn eines Gesellen auf 20 000 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ließ die Teilwertabschreibung bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1971 nicht zu und wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, das er im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens dahin gehend erweiterte, den Geschäftswert auf 0 DM abzuschreiben.
Das FG gab nach Anhörung eines Sachverständigen der Handwerkskammer der Klage statt. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß insbesondere unter Anwendung der sog. direkten Berechnungsmethode ein Firmenwert zum 31. Dezember 1971 nicht mehr vorhanden gewesen sei.
In seiner Revision rügt das FA, die Vorentscheidung stehe in Widerspruch zu der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein erworbener Geschäftswert könne nur dann abgeschrieben werden, wenn es sich nachweislich um eine Fehlmaßnahme handle oder wenn spätere Umstände den Schluß zuließen, daß der Firmenwert unter den seinerzeit aufgewendeten Betrag gesunken sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt muß davon ausgegangen werden, daß der Kläger seinerzeit einen Geschäftswert erworben und diesen zutreffend in der Bilanz zum 1. Januar 1963 mit 25 800 DM aktiviert hat.
Ein erworbener Geschäftswert kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf den niedrigen Teilwert abgeschrieben werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut - hier den Geschäftswert - aufwenden würde, wenn er den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dabei gilt zunächst die Vermutung, daß sich der Teilwert von Wirtschaftsgütern, die nicht der Abnutzung unterliegen, mit den tatsächlichen Anschaffungskosten deckt. Diese Vermutung kann durch den Nachweis widerlegt werden, daß sich entweder die Zahlung als eine Fehlmaßnahme erwiesen hat oder der Wert des betreffenden Wirtschaftsgutes unter den seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunken oder das Wirtschaftsgut überhaupt nicht mehr vorhanden ist (Urteile des BFH vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334; vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381; vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73). Eine Teilwertabschreibung vom aktivierten Geschäftswert ist allerdings nur zulässig, wenn der Geschäftswert in seiner Gesamtheit einschließlich seiner zwischenzeitlich angewachsenen originären Bestandteile gesunken ist. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht behauptet, seinerzeit einen zu hohen Kaufpreis für die Übernahme des Betriebs vereinbart zu haben. Auch sonstige Umstände lassen nicht erkennen, daß eine Fehlmaßnahme vorgelegen hatte.
2. Das FG hat im Streitfall die Teilwertabschreibung auf 0 DM damit begründet, daß unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Handwerks und der betrieblichen Verhältnisse des Klägers ein Geschäftswert zum 31. Dezember 1971 nicht mehr vorhanden gewesen sei. Diese Feststellung stützt das FG in erster Linie auf das Ergebnis einer Berechnung des Geschäftswerts nach der sog. direkten Methode, bei welcher das FG einen Unternehmerlohn berücksichtigt hat. Das FG hat unangefochten festgestellt, daß im vorliegenden Fall der nachhaltig zu erzielende Gewinn von 20 000 DM den angemessenen Unternehmerlohn nicht übersteigt.
Die Anwendung der direkten Berechnungsmethode hat der IV. Senat des BFH in der Entscheidung IV R 76/72 gutgeheißen. Diese Methode hat auch der erkennende Senat im Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 215/73 (BFHE 121, 402), angewendet. Die nach dieser Rechtsprechung gebotene Berücksichtigung des Unternehmerlohns bei der Anwendung der direkten Methode beruht auf der Annahme, daß in der Regel einem Unternehmen im Falle seiner Veräußerung vom Erwerber ein Geschäftswert nur dann zugebilligt wird, wenn die zu erwartenden Erträge höher liegen als die Summe aus angemessenem Unternehmerlohn und normaler Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Wenn also ein Unternehmer nachhaltig keinen höheren Ertrag erwirtschaften kann als den ihm angemessenen Unternehmerlohn, den er bei derselben Tätigkeit auch als Angestellter erhalten würde, scheidet der Ansatz eines Geschäftswerts in aller Regel aus. Das kommt vor allem bei kleineren Gewerbebetrieben in Betracht, deren Gewinn nicht so sehr durch den Kapitaleinsatz, sondern weitgehend oder sogar ausschließlich durch die persönliche Arbeitsleistung des Unternehmers erwirtschaftet wird.
Eine Teilwertabschreibung des Geschäftswerts ist aber nicht schon dann zu bejahen, wenn die direkte Methode einen niedrigeren als den in der Bilanz bisher aktivierten Wert ergibt. Bei der direkten Berechnungsmethode handelt es sich, wie bei anderen Berechnungsmethoden auch, um Faustregeln, deren Ergebnisse für sich allein keinen echten Nachweis für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Geschäftswerts darstellen. Es muß aus der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens seit der erstmaligen Aktivierung des Geschäftswerts zu entnehmen sein, daß der Geschäftswert durch die Minderung aller oder einzelner ihn bildender Faktoren insgesamt gesunken ist. Erst wenn derartige Anhaltspunkte festgestellt werden können, kann zusätzlich mit Hilfe einer der anerkannten Berechnungsmethoden ermittelt werden, ob der Geschäftswert auf einen bestimmten Teilwert gesunken oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist.
3. Die Vorentscheidung entspricht im wesentlichen den dargelegten Grundsätzen. Das FG hat zwar das Ergebnis der direkten Methode der Geschäftswertberechnung als Begründung der Teilwertabschreibung in den Vordergrund gestellt. Es hat aber auch die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in dem Wirtschaftszweig berücksichtigt. Nach seinen Feststellungen, gegen die zulässige und begründete Revisionsrügen nicht erhoben worden sind, hat sich das Verhalten möglicher Erwerber von Handwerksbetrieben seit 1963 geändert. Die Bereitschaft, Geschäftswerte zu vergüten, sei merklich zurückgegangen. Den Grund für diese Verhaltensänderung hat das FG darin gesehen, daß heute mehr Handwerksbetriebe zum Verkauf angeboten werden, als Interessenten vorhanden sind. In den letzten Jahren werde bei Ermittlung des für den Geschäftswert maßgeblichen Ertrags ein angemessener Unternehmerlohn berücksichtigt. Das FG hat sich dem Gutachten des Sachverständigen angeschlossen, der zu dem Ergebnis gelangte, daß das Unternehmen des Klägers unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Grundsätze einen Firmenwert zum 31. Dezember 1971 nicht gehabt hat. Daraus ergibt sich, daß über einen längeren Zeitraum gesehen die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in dem Wirtschaftszweig des Klägers zu dem Ergebnis geführt hat, daß heute ein Firmen- oder Geschäftswert nicht mehr vergütet wird, wenn der angemessene Unternehmerlohn wie im vorliegenden Fall nicht höher als der nachhaltig zu erzielende Gewinn ist. Das FG hat demzufolge die Abschreibung des Geschäftswerts auf null DM zu Recht zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 72368 |
BStBl II 1977, 607 |
BFHE 1978, 268 |