Leitsatz (amtlich)
Ausschüttungen aus einem US-Nachlaß durch den mit der Nachlaßverwaltung bestellten Trustee sind jedenfalls dann keine wiederkehrenden Bezüge im Sinne von § 22 EStG, wenn die Nachlaßberechtigten hierum in einem besonderen Bittbrief nachsuchen müssen und wenn der Nichteingang bzw. nicht rechtzeitige Eingang dieses Bittbriefs zum Ausschluß weiterer Empfänge aus dem Nachlaß führt.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1b
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist mit 15 weiteren Personen Erbe des am 14. Februar 1956 in L. verstorbenen US-amerikanischen Staatsangehörigen W. In seinem durch verschiedene Nachträge ergänzten Testament vom 23. Januar 1953 hat W. eine Bank als Testamentsvollstrecker (executor) und Trustverwalter (trustee) eingesetzt. Beim Nachlaß handelt es sich um Grundbesitz (zum Teil mit verpachteten Ölfeldern), Bankguthaben, Aktien, Wertpapieren, Forderungen, Bargeld, Münzen, Diamanten im Wert von etwa 1,2 Mill. Dollar. Die Bank hatte die Aufgabe, den Nachlaß zu verwalten, Verbindlichkeiten zu erfüllen und ihn einschließlich der noch anfallenden Einkünfte nach Maßgabe des Testaments zu verteilen. Für die Abwicklung und Verteilung des Nachlasses - mit Ausnahme der in den Grafschaften Kings und Kern belegenen Grundstücke - hatte W. einen Zeitraum von 10 Jahren bestimmt. Für die erste Hälfte der 10-Jahresfrist war die jährliche Zuteilungsquote jedes Erben auf zwei Zahlungen von je 1 000 Dollar begrenzt. Der übrige bewegliche Nachlaß soll in den folgenden fünf Jahren an die Erben verteilt werden, soweit sie noch leben. Die Auszahlung während dieser 10 Jahre hatte zur Voraussetzung, daß die Erben alljährlich einen Bittbrief des entsprechenden Inhalts an die Bank richteten. Die Ländereien in den erwähnten Grafschaften durften erst nach 10 Jahren verkauft werden, wenn es die Mehrheit der dann noch lebenden Erben wünschte. Nachdem das amerikanische Nachlaßgericht im Beschluß vom 6. Januar 1960 die 16 Erben festgestellt hatte, zahlte die Bank, wie an die übrigen Erben, dem Steuerpflichtigen im Oktober 1960 die ersten drei Jahresraten von zusammen 6 000 Dollar aus, denen im Januar und Juli 1961 weitere 3 000 und 1 000 Dollar folgten; im Jahre 1962 wurden an den Steuerpflichtigen 13 520,64 Dollar ausgeschüttet. Von allen Beträgen gingen die Verwaltungskosten der Bank ab.
Die Erlöse zog das FA als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG unter Zubilligung von 200 DM Werbungskostenpauschbetrag zur Einkommensteuer heran (im Streitjahr 1960 = 18 524 DM, im Jahr 1961 = 12 137 DM, im Jahr 1962 = 40 204 DM).
Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus: Die Gelder seien dem Steuerpflichtigen erst mit der Ausschüttung zugeflossen; vorher hätten sie der Trustverwalterin gehört. Deren Aufgabe sei gewesen, die unbaren Nachlaßwerte allmählich zu verwerten und die Erlöse wie das Barvermögen an die Erben zu verteilen. Bis dahin sei nach amerikanischem Recht das von W. hinterlassene Vermögen zweckgebundenes Treuhandeigentum der Bank gewesen, ohne daß jedoch § 11 Nr. 3 StAnpG eingreife. Denn die mit den letztwilligen Zuwendungen verknüpften Bedingungen hätten bis zu ihrer jeweiligen Erfüllung eine weitgehende Ungewißheit über die erbenden Personen und deren Anteile zur Folge gehabt. Unter diesen Umständen lasse sich das Treuhandeigentum der Bank nicht einmal aus wirtschaftlichen Erwägungen auf eine eigentumsähnliche Herrschaftsmacht der nach Person und Anteil ungewissen Erben zurückführen. Die erst durch Einzelrechtsübertragung bewirkten, sich über mehr als sechs Jahre hinziehenden Zuflüsse an den Steuerpflichtigen erfüllten somit den Tatbestand der "wiederkehrenden Bezüge" in § 22 Nr. 1 EStG. Auch die dem Trustfonds zufließenden verschiedenen Einkünfte träten in den Vermögensbereich der Trustverwalterin. Dementsprechend habe sie die diese Einkünfte belastende amerikanischen Nonresident Alien Withholding Tax (im folgenden NAWT) zu entrichten. Angesichts der Personenverschiedenheit von Erben und Trustverwalterin sei der Steuerpflichtige nicht doppelt belastet. Daher schließe das DBA-USA vom 22. Juli 1954 (BStBl I 1955, 70) die Besteuerung der Nachlaßbezüge des Steuerpflichtigen nach § 22 EStG auch nicht teilweise aus.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BfWF) ist dem Verfahren beigetreten und hat mündliche Verhandlung beantragt. Er hat sich im wesentlichen der Auffassung des FG angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Entgegen der von der Vorentscheidung und mit dieser vom BfWF vertretenen Auffassung vermag der Senat in den in den Streitjahren 1960 bis 1962 vorgenommenen Ausschüttungen durch die den Nachlaß verwaltende amerikanische Bank keine die Einkommensteuerpflicht auslösenden Vorgänge zu sehen.
In der zur Erbschaftsteuer ergangenen Entscheidung des BFH II 177/61 U vom 15. Mai 1964 (BFH 79, 481, BStBl III 1964, 408) ist die Rechtsstellung des Nachlaßbegünstigten bei Zwischenschaltung eines Exekutors nach amerikanischem Recht mit Verfügungsbefugnis über den Nachlaß dahin umrissen, daß jener bereits mit dem Tode des Erblassers eine gewisse Rechtsposition, und zwar gewisse obligatorische Ansprüche mit teilweise dinglichem Einschlag (Folgewirkungen) hat (vgl. auch Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht 1961 USA-Grdz. Rdzn. 55d und 56c; Firsching, Deutsche Notarzeitung 1959 S. 354f., 360). Wenn auch diese Ausführungen für die erbschaftsteuerliche Beurteilung vom II. Senat zu Recht nicht für erheblich gehalten wurden, so sind sie doch von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der Rechtsstellung des steuerpflichtigen als Erben (Nachlaßbegünstigten) auf einkommensteuerlichem Gebiet. Wohl gibt es Fälle, in denen die Rechtsstellung des Exekutors und des Trustees eine außergewöhnlich starke ist, wie z. B. in dem BFH-Urteil III 250/56 U vom 20. Dezember 1957 (BFH 66, 204, BStBl III 1958, 79) entschiedenen Fall. Dieser konnte nach Ablauf der sich auf 21 Jahre erstreckenden Verwaltung des Nachlasses nach völlig freiem Ermessen entscheiden, an welche dann noch lebende Nachlaßbegünstigte er den Nachlaß verteilen wolle, und zwar zu solchen Teilen, wie er sie als angebracht erachtete. Ganz anders liegen die Verhältnisse im Streitfall. Hier stehen die 16 Erben nach den Bestimmungen des Testaments von Anfang an fest. Ihre Erbeinsetzung wurde durch die Beschlüsse des kalifornischen Gerichts bindend bestätigt. Diese Erben hatten daher vom Todestag des Erblassers an konkretisierte Rechte am Nachlaß, die weit über die ungewissen Möglichkeiten hinausgehen, wie sie die Bedachten etwa in dem durch Urteil vom 20. Dezember 1957 (a. a. O.) entschiedenen Fall hatten. Angesichts dieser Umstände liegt die Annahme nahe, daß der Steuerpflichtige als Erbe von Anfang an ein vermögenswertes Recht auf seinen Erbteil hatte, gleich ob dieses aufschiebend oder auflösend bedingt war, und zwar mit der Folge, daß sich dieses Recht mit jeder Zahlung, die aus der Erbschaftsmasse an die Erben geleistet wird, verringert, zumal es sich insoweit auch nicht um verteilte Einkünfte des Nachlasses handelt. Dann aber liegt der Schluß nahe, daß dem Erben keine unter den Einkommensbegriff fallende Einnahme zufließt, daß es sich hierbei vielmehr lediglich um eine Vermögensumschichtung handelt. Wenn sich auch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nach ständiger Rechtsprechung des RFH und BFH gegenseitig nicht ausschließen (vgl. RFH-Urteile IV 200/40 vom 6. Februar 1941, RStBl 1941, 418, sowie III e 43/40 vom 26. Juni 1941, RStBl 1941, 766; auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 33 zu § 2 EStG), so unterliegen einmalige Vermögenszuflüsse auf Grund von Erbfällen und Schenkungen beim Empfänger im allgemeinen nicht der Einkommensteuer, sondern der Erbschaftsteuer, die den unentgeltlichen Vermögenszuwachs, der durch Erbschaft oder Schenkung entsteht, der Besteuerung unterwirft. Es können allerdings derartige Leistungen der Einkommensteuer und der Erbschaftsteuer dann unterworfen werden, wenn es sich insoweit um wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 EStG handelt. In diesem Fall werden zwei verschiedene Tatbestände besteuert, das eine Mal die unentgeltliche Zuwendung mit der Erbschaftsteuer und das andere Mal die äußere Form der Gewährung in wiederkehrenden Bezügen mit der Einkommensteuer.
Entgegen der Vorinstanz hält der Senat jedoch derartige wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 Nr. 1b EStG im Streitfall nicht für gegeben. Das entscheidende Merkmal für die wiederkehrenden Bezüge im Sinne dieser Vorschrift ist, daß sich die Bezüge, die wie alle Einnahmen aus Geld oder Gütern mit Geldwert bestehen können, auf Grund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrundes mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen. Bezüge, die sich zwar wiederholen, bei denen aber die einzelne Leistung von einer jedesmaligen neuen Entschlußfassung oder Vereinbarung abhängig ist, sind keine wiederkehrenden Bezüge. Diese müssen vielmehr den Charakter von Nutzungen eines Rechtsverhältnisses haben, sie müssen einem von vornherein gefaßten einheitlichen Entschluß entstammen (u. a. BFH-Urteil VI 172/59 U vom 27. November 1959, BFH 70, 174, BStBl III 1960, 65; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 5, 6 zu § 22 EStG). Dabei hat sich die Rechtsprechung für die einschränkende Auslegung des Begriffs "wiederkehrende Bezüge" mit Rücksicht darauf ausgesprochen, daß Leistungen, die beim Empfänger wiederkehrende Bezüge sind, beim Geber eine abzugsfähige Last darstellen. Dies kann bei zu weiter Ausdehnung des Begriffs der wiederkehrenden Bezüge dazu führen, daß Leistungen, die die Eigenschaft von Kapitalrückzahlungen haben und somit auf dem Vermögensgebiet liegen, einkommensteuerlich im Widerspruch zu ihrem Zwecke zu abzugsfähigen Lasten werden (vgl. RFH-Urteil IV 157/43 vom 27. Januar 1944, RStBl 1944, 363). Der Senat hält diese einschränkende Auslegung des § 22 EStG auch für den Streitfall rechtssystematisch für sachgerecht, auch wenn die im erwähnten RFH-Urteil hervorgehobene steuerliche Folge unter den obwaltenden Umständen hier nicht von Bedeutung ist.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so genügen die Zuwendungen, die der Steuerpflichtige aus dem Nachlaß erhalten hat, diesen Voraussetzungen nicht. Mit Rücksicht darauf, daß der Steuerpflichtige auf Grund des Testaments des Erblassers wie auch alle übrigen Erben die jeweiligen Zahlungen aus dem Nachlaß erst dann erhalten, wenn sie hierum ausdrücklich in Gestalt eines am 1. Januar und am 1. Juni eines jeden Jahres abzusendenden Briefes bitten müssen und daß sie bei Nichtabsendung, ja sogar bei nicht rechtzeitiger Absendung dieses Bittbriefes das Anrecht auf weitere Einkünfte oder Kapitalzahlung aus dem Nachlaß verlieren, muß die auszahlende Bank als Trustee jeweils den Beschluß zur Auszahlung zu den im Testament vorgesehenen Terminen erneut fassen, ohne daß hierbei von einem von vornherein gefaßten einheitlichen Entschluß aus einheitlichem Rechtsgrund die Rede sein kann. Der Senat vermag der Vorinstanz nicht darin zu folgen, wenn sie den sogenannten Bittbriefen jede rechtliche Bedeutung abspricht. Diese Auffassung ist schon deshalb nicht haltbar, weil das Fehlen schon eines Bittbriefs zwangsläufig zum Ausschluß weiterer Empfänge aus dem Nachlaß führt. Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob das Fehlen einer derartigen testamentarischen Bestimmung zur Annahme wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 22 EStG bei derartigen Nachlaßzahlungen führen würde. Hier rechtfertigt jedenfalls das Erfordernis der Bittbriefe das Vorliegen eines von vornherein gefaßten Entschlusses zur Leistung von Zahlungen auf Grund eines einheitlichen Rechtsgrundes zu verneinen, weil hierfür das nicht vorhersehbare Verhalten des Bedachten von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die dem Steuerpflichtigen geleisteten Zahlungen sind daher keine wiederkehrenden Bezüge im Sinne des § 22 Abs. 1 EStG. Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausging, war daher aufzuheben, desgleichen die Einspruchsentscheidung des FA. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet durch Vorbescheid (§§ 121, 90 Abs. 3 FGO). Die Steuerbescheide des FA sind mit der Maßgabe abzuändern, daß die aus dem Nachlaß erhaltenen Ausschüttungen aus der Einkommensbesteuerung für die Streitjahre ausscheiden und für das Jahr 1960 der Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG zu gewähren ist.
Fundstellen
Haufe-Index 412971 |
BStBl II 1972, 170 |
BFHE 1972, 410 |