Leitsatz (amtlich)
Wurde der Gewinn eines sogenannten rechtmäßigen Schätzungslandwirts in Anlehnung an die VOL geschätzt, so berechtigt ein bei einer Betriebsprüfung auf Grund der festgestellten Privatentnahmen ermittelter Mehrgewinn nur dann zu einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn die Gewinnschätzung in Anlehnung an die VOL auch bei richtiger Schätzungsmethode, vor allem also beim Ansatz von den Lohnverhältnissen der Streitjahre angepaßten Zuschlägen für den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner ohne Arbeitslohn mitarbeitenden Familienangehörigen, nicht im Rahmen des von der Betriebsprüfung ermittelten Gewinns gelegen hätte.
Normenkette
AO §§ 217, 222 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 13; VOL §§ 2, 4
Tatbestand
Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1962 bis 1964, ob bei einer Betriebsprüfung durch die festgestellten Privatentnahmen neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt wurden, die den Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) berechtigten, die ursprünglichen Veranlagungen, bei denen die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft in Anlehnung an die Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) ermittelt worden sind, zu berichtigen.
Von den klagenden Eheleuten bewirtschaftete der Ehemann (Kläger und Revisionskläger - Kläger -) in den Streitjahren den ihm gehörenden landwirtschaftlichen Hof in S. Der Kläger war nicht zur Buchführung verpflichtet und führte freiwillig keine Bücher. Da der Umsatz 40 000 DM überstieg, schätzte das beklagte FA die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 217 AO "in Anlehnung an die VOL".
Bei einer Betriebsprüfung für die Wirtschaftsjahre vom 1. Juli 1961 bis 30. Juni 1965 ermittelte das FA durch Vermögensvergleich unter Hinzurechnung zum Teil geschätzter privater Entnahmen einen Mehrgewinn des Prüfungszeitraums von rund 25 800 DM gegenüber den ursprünglich vom FA geschätzten Gewinnen. Nach Abzug der Gewinnminderungen gemäß § 77 EStDV und nach Umrechnung des Gewinns der einzelnen Wirtschaftsjahre auf die Kalenderjahre ergaben sich folgende Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft:
1962 1963 1964
DM DM DM
Gewinn lt. Betriebsprüfung 12 644 14 585 16 225
bisherige Veranlagung 6 800 8 400 11 200
Mehrgewinn lt. Betriebsprüfung 5 844 6 185 5 025
Das FA berichtigte nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO die bisherigen Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre entsprechend den bei der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG als unbegründet zurück. Das FG führte im wesentlichen aus: Das FA habe die ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigen können, da dem FA durch die Betriebsprüfung neue Tatsachen bekanntgeworden seien, aus denen sich ein höherer Gewinn ergeben habe. Die Zusammenstellung der Entnahmen durch den Betriebsprüfer zeige, daß der Kläger in den Wirtschaftsjahren 1961/62 bis 1964/65 für Abfindungen an die Söhne, für Hochzeiten, Ausbildung, Verlobungen und für Krankenhausbehandlung der Kinder über 25 000 DM aufgewendet habe. Diese außergewöhnlichen Aufwendungen seien aus den Einkommensteuererklärungen nicht ersichtlich und deshalb dem FA nicht bekanntgewesen. Sie könnten nur aus Gewinnen bestritten worden sein, die von einer Schätzung in Anlehnung an die VOL nicht erfaßt worden seien. Um die sich aus den angeführten außergewöhnlichen privaten Aufwendungen zwingend ergebenden Gewinne besteuern zu können, habe das FA eine andere Schätzungsmethode anwenden müssen. Es sei hierzu auch berechtigt gewesen, denn angesichts der beträchtlichen Höhe der Mehrgewinne könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß das FA bei der ursprünglichen Schätzung diesen Unterschied nicht in Kauf genommen hätte (vgl. Urteil des BFH vom 20. September 1962 IV 198/60 U, BFHE 76, 167, BStBl III 1963, 60). Der Vermögensvergleich unter Hinzurechnung der Privatentnahmen sei eine geeignete Methode gewesen, die tatsächlich vom Kläger erzielten Gewinne annähernd genau festzustellen.
Mit der Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre aufzuheben und die ursprünglichen Veranlagungen wiederherzustellen. Sie tragen vor, aus dem Betriebsprüfungsbericht gehe mit keinem Wort hervor, welche neuen Tatsachen bei der Prüfung festgestellt worden seien, die eine Änderung der Schätzungsmethode gerechtfertigt hätten. Die Finanzverwaltung sei sich darüber im klaren gewesen, daß die Schätzungsmethode in Anlehnung an die VOL allen betreffenden Landwirten eine gewisse Steuerpräferenz zubillige. Eine Abweichung von dieser Methode wäre nur gerechtfertigt, wenn sie bei allen Schätzungslandwirten angewandt worden wäre. Einige wenige Landwirte aber aus der großen Zahl der Schätzungslandwirte herauszugreifen und sie nach dem Vermögensvergleich zu schätzen, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und der Berichtigungsbescheide.
Nach den unstreitigen Feststellungen des FG war der Kläger in den Streitjahren weder zur Buchführung verpflichtet noch führte er freiwillig Bücher. Er ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nicht nach § 4 Abs. 3 EStG. Da der Umsatz 40 000 DM überstieg, war der Gewinn auch nicht nach der VOL zu ermitteln (§ 1 Abs. 3 VOL). Er gehörte damit zu den sog. "rechtmäßigen Schätzungslandwirten", deren Gewinn im allgemeinen "in Anlehnung an die VOL" geschätzt wurde, weil das Gesetz für sie keine besondere Art der Gewinnermittlung vorsah und die Finanzverwaltung auf eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wegen der Schwierigkeiten, bei solchen Landwirten den tatsächlich erzielten Gewinn durch eine Einnahmeüberschußrechnung zu erfassen, aus praktischen Erwägungen im allgemeinen von vornherein verzichtete. Das FA hat deshalb mit Recht bei den ursprünglichen Veranlagungen die Schätzung der Gewinne in Anlehnung an die VOL" als eine mögliche Art der Gewinnermittlung vorgenommen, die wie die Gewinnermittlung nach der VOL selbst darauf beruhte, daß man auf Grund des Einheitswerts des Betriebes unter Vornahme bestimmter Zu- und Abschläge den mutmaßlichen Gewinn berechnete, der allerdings nur ein Durchschnittsgewinn sein konnte. Diese Methode der Gewinnermittlung wurde von der Rechtsprechung wiederholt als zulässig anerkannt. Dabei besagte der Ausdruck "in Anlehnung an die VOL", daß die Gewinnermittlung der VOL nicht einfach übernommen, sondern insoweit korrigiert werden sollte, als dies durch die höheren Umsätze der Schätzungslandwirte und durch die Entwicklung der Preisverhältnisse notwendig erschien, um zu fiktiven Gewinnen nach Durchschnittsätzen zu gelangen, die den tatsächlich erzielten Gewinnen mehr angenähert waren als die Gewinne nach der VOL (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 21. August 1952 IV 92/52 U, BFHE 56, 676, BStBl III 1952, 259; vom 4. Oktober 1968 IV 91/65, BFHE 93, 463, BStBl II 1968, 823, und vom 5. November 1964 IV 11/64 S, BFHE 80, 356, BStBl III 1964, 602).
Auch bei dieser Art der Gewinnermittlung "in Anlehnung an die VOL" wurde also - wenn auch nicht in dem Maße, wie bei der Gewinnermittlung nach der VOL selbst - in Kauf genommen, daß der ermittelte Gewinn nur ein Durchschnittsgewinn war, der mit den wirklichen Gewinnen nicht übereinstimmen konnte, weil er auf keiner echten Ertragsberechnung beruhte. Wenn dieses "in der Natur der Sache" liegende Auseinanderklaffen zwischen berechneten Gewinnen und tatsächlichen Gewinnen bei den Veranlagungen bewußt in Kauf genommen wurde, so zwang schon dieser Umstand zu einer Toleranzspanne, innerhalb der eine Berichtigung solcher Veranlagungen auf Grund späterer Feststellungen der Betriebsprüfung nach § 222 AO nicht zulässig sein konnte.
Diese Toleranzspanne wurde aber bei den strittigen Veranlagungen des Klägers durch folgende Gründe noch erweitert.
Um bei den Schätzungen "in Anlehnung an die VOL" gegenüber der Gewinnermittlung der VOL selbst einen den tatsächlichen Gewinnen mehr angenäherten Betrag zu erhalten, waren in den Jahren, zu denen auch die Streitjahre gehören, Korrekturen vor allem
a) beim Ansatz des Grundbetrages nach § 2 Abs. 1 VOL und
b) beim Ansatz des Wertes der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner ohne festen Arbeitslohn mitarbeitenden Familienangehörigen
erforderlich.
Z u a)
Der Grundbetrag nach § 2 VOL sollte den fiktiven im Durchschnitt erzielbaren Reinertrag des Betriebes darstellen. Er wurde in der Weise ermittelt, daß vom Einheitswert auf den letzten Feststellungszeitpunkt ein Zwölftel - 1/12 - (seit dem Kontrollratgesetz Nr. 12 vom 11. Februar 1946, Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland 1946 S. 60) angesetzt wurde. Da aber die letzte Hauptfeststellung der Einheitswerte des landwirtschaftlichen Grundbesitzes auf den 1. Januar 1935 stattgefunden hatte, war infolge der geänderten Wertverhältnisse durch das Ansteigen des Preisniveaus und der verbesserten Ertragslage in der Landwirtschaft eine erhebliche Diskrepanz zwischen den wirklichen Werten und den Einheitswerten entstanden, die es für sich schon notwendig machte, bei den Gewinnschätzungen "in Anlehnung an die VOL" als Grundbetrag nicht den 12. Teil des Einheitswertes anzusetzen, sondern einen - je nach der Ertragswertklasse der betreffenden Landwirtschaft - zwischen 10 und 4 liegenden Teiler. Welcher Teiler in den Wirtschaftsjahren bis 1965 je nach dem ha-Satz des betreffenden Betriebes anzusetzen war, bestimmten in jedem Jahr die OFD, wobei auffällt, daß die entsprechenden Verfügungen für 1952 im wesentlichen schon dieselben Korrekturen beim Grundbetrag anführen wie im Jahre 1964. Beim Kläger wurden danach die Grundbeträge in den Wirtschaftsjahren 1961/62 und 1962/63 auf 1/6 und in den Wirtschaftsjahren 1963/64 und 1964/65 auf 1/4 des Einheitswerts erhöht.
Z u b)
Bei den Reinerträgen nach der VOL (Grundbetrag) wurde unterstellt, daß der Betrieb nur mit in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitskräften bewirtschaftet wurde, die einen festen Arbeitslohn erhielten, dessen Abzug im Reinertrag bereits berücksichtigt ist. Arbeiteten im Betrieb keine fremden Arbeitskräfte, sondern der Betriebsinhaber, seine Ehefrau und seine Kinder ohne Arbeitslohn, so mußte folglich der ermittelte Reinertrag um die ersparten Löhne, d. h. um den Wert ihrer Arbeitsleistungen erhöht werden. Die entsprechende Regelung enthielten § 2 Abs. 2 und § 4 VOL. Dabei ging § 4 VOL von der bei Erlaß der Verordnung im Jahre 1949 in etwa noch zutreffenden Vorstellung aus, daß der durchschnittliche Jahresarbeitslohn eines Knechtes in der Landwirtschaft 1 200 DM betrug. Eine Berichtigung dieses im Laufe der 50er Jahre unrichtig gewordenen Wertes erfolgte nicht. Auch bei seinen Gewinnermittlungen "in Anlehnung an die VOL" nahm das FA keine Berichtigung dieser Werte vor, obwohl gerade hier eine weitere wichtige Korrektur des VOL-Gewinns nicht nur möglich, sondern auch geboten gewesen wäre. Die Meinung des FA, an einer solchen Korrektur sei es durch das Urteil des erkennenden Senats vom 31. März 1960 IV 33/57 U (BFHE 70, 615, BStBl III 1960, 229) gehindert gewesen, weil dort ausgeführt sei: "Bei einer Schätzung in Anlehnung an die VOL besteht grundsätzlich nur im Ansatz des Grundbetrages (Hundertsatz des Einheitswertes) die Möglichkeit, von den Bestimmungen der VOL abzuweichen, um den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Alle anderen Vorschriften müssen aber als ein aufeinander abgestimmtes Berechnungssystem im allgemeinen beibehalten werden", ist offenbar unrichtig. Dieses Urteil, das bei der Gewinnermittlung "in Anlehnung an die VOL" die Beibehaltung der zum System der VOL gehörigen Berechnungsgrundlagen für notwendig erachtet, kann sich auf den Ansatz des Wertes der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner Familienangehörigen hinsichtlich der Höhe schon deshalb nicht bezogen haben, weil § 4 VOL selbst - abgesehen vom Wert der Arbeitsleistung der Ehefrau - den Ansatz dieser Werte im einzelnen den Finanzbehörden überließ und bei den Familienangehörigen ausdrücklich Zuschläge forderte, die an den ortsüblichen Löhnen orientiert waren. Diese Ansicht wurde auch in der Literatur vertreten (vgl. Felsmann, Die Einkommenbesteuerung der Land- und Forstwirte, 1963 S. 414).
Wenn das FA außerdem einwendet, die notwendigen Korrekturen des Wertansatzes für die Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner Familienangehörigen habe es bereits im Ansatz des verbesserten Grundbetrages berücksichtigt, indem es - allerdings nur teilweise - bei der Ermittlung des Grundbetrages anhand von Richtsatzbetrieben nicht die echten Fremdlöhne, sondern nur die in § 4 VOL genannten Beträge abgezogen habe, so verkennt es die Systematik der VOL, an der die Gewinnermittlung "in Anlehnung an die VOL" nichts geändert hat. Da der nach § 2 VOL berechnete Grundbetrag kraft Fiktion der Reinertrag des betreffenden Betriebes sein sollte, aber unter der Annahme, daß er nur mit Fremdkräften bewirtschaftet wurde, war es in jedem Fall notwendig, die durch die unbezahlten Arbeitskräfte aus der Familie tatsächlich ersparten Arbeitslöhne diesem Reinertrag hinzuzurechnen, um den Gewinn zu erhalten. Diese Hinzurechnungen richteten sich nur nach der Zahl der unbezahlten Arbeitskräfte der Familie; sie hatten ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, welche Beträge für Fremdlöhne bei der Festlegung der Berechnungsgrundlagen für den Grundbetrag (1/12 des Einheitswerts) in Ansatz gebracht worden sind. Das war im Wesen einer solchen Besteuerung nach Durchschnittswerten zwangsläufig begründet. Bei der Gewinnermittlung "in Anlehnung an die VOL" konnte es der Systematik nach nicht anders sein. Auch hier mußte Grundbetrag der Reinertrag der nur mit Lohnarbeitern betriebenen Landwirtschaft sein. Das ergibt sich schon daraus, daß die Zahl der in einem solchen Betriebe beschäftigten Arbeitskräfte im Grundbetrag bzw. dem verbesserten Teiler zu seiner Ermittlung, der nur vom ha-Satz des Betriebes abhängig war und eine Anpassung des fiktiven Ertrages an das angestiegene Preis- und Wertniveau bewirken sollte, ebensowenig eine Berücksichtigung gefunden haben konnte wie im Grundbetrag der VOL.
Auch im Falle des Klägers konnte der bei der Gewinnermittlung "in Anlehnung an die VOL" korrigierte Grundbetrag nur den Reinertrag der ausschließlich mit Lohnarbeitern betriebenen Landwirtschaft darstellen, dem - ohne Rücksicht darauf, welche Fremdlöhne bei seiner ursprünglichen Festlegung auf 1/6 oder 1/4 des Einheitswerts abgezogen worden sind - die den tatsächlichen Verhältnissen angepaßten ersparten Arbeitslöhne für den Betriebsinhaber und seine ohne Arbeitslohn mitarbeitenden Familienangehörigen nach Maßgabe des § 4 VOL hätten hinzugesetzt werden müssen.
Das FA hat hingegen im Falle des Klägers den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers (der zu 30 % als Bürgermeister tätig war), seiner Ehefrau, eines volljährigen Sohnes und zweier Töchter (wovon eine nur teilweise beschäftigt war) nach den Mindestbeträgen der VOL und den gemäß § 4 Abs. 6 VOL dazu ergangenen Verfügungen der OFD berechnet, die höchstens den Verhältnissen des Jahres 1949 entsprachen. Dadurch ergaben sich für diese Personen insgesamt folgende Werte ihrer gemeinsamen Arbeitsleistungen:
Wirtschaftsjahr 1961/62 3 473 DM
Wirtschaftsjahr 1962/63 3 515 DM
Wirtschaftsjahr 1963/64 2 725 DM
Wirtschaftsjahr 1964/65 2 183 DM
Diese nicht mehr gültigen Werte lagen hinsichtlich der mitarbeitenden Kinder sogar unter dem von der VOL vorgeschriebenen Wert, nämlich dem halben ortsüblichen Arbeitslohn für einen Knecht bzw. eine Magd (vgl. hierzu Krill-Kräusel, Die Einkommensteuer der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., wo auf S. 238 hinsichtlich der Zuschläge für den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner Angehörigen nach dem GDL ausgeführt ist, daß bei der Festlegung des Ausgangsreinertrages nach dem GDL auf Grund der vor 1965 bezahlten Löhne in der Landwirtschaft als Fremdlohn je Arbeitskraft ein Betrag von 6 178 DM vom Rohertrag abgezogen worden ist). Wie der erkennende Senat im Urteil vom 4. Oktober 1968 IV 91/65 ausgeführt hat, muß davon ausgegangen werden, daß die richtigen Werte der Arbeitsleistung des Betriebsleiters und seiner Familienangehörigen in den Streitjahren ein Mehrfaches der vom FA angesetzten Beträge ausmachten. Daraus ergab sich zwangsläufig, daß Jahr für Jahr erhebliche Gewinne bei den Klägern steuerlich nicht erfaßt wurden. Wenn demnach das FA bei den ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen 1962 bis 1964 im Rahmen der Schätzung der Gewinne "in Anlehnung an die VOL" die in der VOL vorgesehenen Zuschläge für den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsleiters und seiner Angehörigen aus dem Jahre 1949 nicht beträchtlich erhöhte, so verzichtete es zusätzlich bewußt auf die Erfassung von tatsächlich entstandenen Gewinnen, die notwendigerweise entweder in einem entsprechenden Vermögenszuwachs oder in erhöhten Entnahmen ihren Niederschlag finden mußten.
Dieser Umstand ist entscheidend für die Frage, ob das FA die ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen 1962 bis 1964 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO in der Weise berichtigen konnte, daß es anstelle der ursprünglichen Schätzungsmethode (Gewinnschätzung in Anlehnung an die VOL) eine Schätzung auf Grund einer Vermögenszuwachsrechnung unter Einschluß der Entnahmen mit erheblich höheren Gewinnen den Veranlagungen zugrunde legte. Wenn nämlich das FG als durch die Betriebsprüfung bekanntgewordene neue Tatsachen die im einzelnen aufgeführten außergewöhnlichen privaten Aufwendungen in den Wirtschaftsjahren 1961/62 bis 1964/65 von insgesamt 25 200 DM angesehen hat, weil sie als Privatentnahmen aus den Einkommmensteuererklärungen nicht ersichtlich gewesen seien und nicht aus den Gewinnen hätten bestritten werden können, die sich bei den Schätzungen in Anlehnung an die VOL ergeben haben, so wäre diese Schlußfolgerung nach den obigen Darlegungen nur haltbar, wenn die festgestellten außergewöhnlichen privaten Aufwendungen auch nicht im Rahmen der Gewinne gelegen hätten, die sich bei den den tatsächlichen Werten angepaßten Zuschlägen für die Arbeitsleistungen des Betriebsleiters und seiner Familienangehörigen ergeben hätten. Die Berichtigungsveranlagungen auf Grund einer zweiten, den individuellen Verhältnissen mehr angepaßten Schätzung durch die Betriebsprüfung wären nach Auffassung des Senats nur dann zulässig gewesen, wenn die vom Prüfer ermittelten Gewinne eindeutig außerhalb des Rahmens der Gewinne gelegen hätten, die sich bei der Gewinnermittlung in Anlehnung an die VOL auch bei Vornahme der gebotenen Korrekturen, hier vor allem also auch beim Ansatz des Wertes der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner ohne Arbeitslohn mitarbeitenden Familienangehörigen ergeben hätten, und demnach die Gewinnschätzungen in Anlehnung an die VOL auch ohne die angeführten Mängel offensichtlich zu einem unrichtigen Ergebnis geführt hätten.
Verteilt man den Betrag von 25 200 DM auf die vier Jahre, wie es das FA nach den Umständen mit Recht getan hat, so ergibt sich für jedes Jahr ein zusätzlicher Gewinn von 6 300 DM. Von einem nichterfaßten Gewinn von jährlich rd. 6 000 DM kann man aber bei den angesetzten, für die Streitjahre ungewöhnlich niedrigen Zuschlägen für den Wert der Arbeitsleistungen der Kläger und ihrer mitarbeitenden Kinder ohne weiteres ausgehen. Da also in Höhe dieser Beträge schon bei den ursprünglichen Veranlagungen auf die mögliche Erfassung von Gewinnen bewußt verzichtet wurde, können die festgestellten außergewöhnlichen privaten Aufwendungen keine neuen Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen, die eine höhere Veranlagung rechtfertigten.
Entgegen der Meinung des FA kann es hierbei nicht darauf ankommen, ob ein erheblicher Zuwachs des Vermögens an sich oder sehr hohe Privatentnahmen, die außerhalb des Rahmens der ursprünglichen Gewinnschätzungen liegen und bisher nicht bekannt waren, als neue Tatsachen bei der Betriebsprüfung festgestellt wurden. Denn durch die ursprünglichen Schätzungen in Anlehnung an die VOL wurden ohne die erforderlichen Erhöhungen der Zuschläge für die Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner Familienangehörigen Teile des tatsächlich erzielten Gewinns nicht erfaßt, die zwangsläufig nur in einer entsprechenden echten Vermögensmehrung oder (bzw. und) in höheren Privatentnahmen ihren Niederschlag finden konnten. In welchem der beiden möglichen Bereiche sich der tatsächlich erzielte höhere Gewinn ausgewirkt hat und demzufolge von der Betriebsprüfung festgestellt wurde, ist für die obigen rechtlichen Folgerungen unerheblich.
Danach stellen die festgestellten zusätzlichen Privatentnahmen und die darauf gegründeten höheren Gewinne keine neuen Tatsachen dar, die höhere Veranlagungen rechtfertigten. Da keine anderen neuen Tatsachen festgestellt wurden, fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen für die Berichtigungsveranlagungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO. Sie müssen daher aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 70711 |
BStBl II 1974, 74 |
BFHE 1974, 517 |