Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Vollstreckung
Leitsatz (NV)
1. Zuwendungen unter Ehegatten, die nicht ausdrücklich als Schenkung bezeichnet werden, sind nicht allein deswegen als entgeltliche Zuwendungen anzusehen.
2. Zur Bindung des Revisionsgerichts an die Feststellungen der Vorinstanz.
Normenkette
AO 1977 § 278; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch Bescheid vom ... 1991 nach § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) für Einkommensteuer 1983 bis 1986 in einer Höhe von X DM in Anspruch. Die Klägerin und ihr Ehemann waren für diese Jahre gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden. Aufgrund eines entsprechenden Antrags der Eheleute wurden die aus den Einkommensteuerbescheiden im wesentlichen im April 1990 fälligen Rückstände durch Bescheid des FA vom ... 1990 gemäß § 268 ff. AO 1977 so aufgeteilt, daß sämtliche Rückstände aus den geänderten Einkommensteuerbescheiden 1983 bis 1986 auf den Ehemann entfielen. Mit notariellem Vertrag vom ... 1990 veräußerte der Ehemann seinen Hälfteanteil am Grundstück "Z" für Y DM an die Klägerin. Der Kaufpreis sollte nach den Bestimmungen des Kaufvertrags mit Forderungen der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann verrechnet werden, die durch Eintragung einer Grundschuld von ... DM auf dem halben Anteil des Ehemanns an dem Grundstück dinglich abgesichert waren. Nach dem Vortrag der Klägerin handelt es sich bei den Forderungen um eine Darlehensforderung von ... DM aus einem mit ihrem Ehemann im Jahre 1984 abgeschlossenen Darlehensvertrag. Eine Fotokopie des Vertrages befindet sich bei den Vollstreckungsakten. Die Finanzverwaltung ging davon aus, daß die Darlehensforderung tatsächlich nicht bestand und der Ehemann seinen Grundstücksanteil unentgeltlich i. S. des § 278 Abs. 2 AO 1977 auf die Klägerin übertragen habe.
Die Klage gegen den Bescheid blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Übertragung des halben Grundstücksanteils an die Klägerin durch ihren Ehemann sei eine unentgeltliche Zuwendung i. S. von § 278 Abs. 2 AO 1977 gewesen. Der Übertragung liege keine Gegenleistung der Klägerin zugrunde.
Unter Berücksichtigung des Inhalts der Gerichts-, Einkommensteuer- und Vollstrekungsakten in Verbindung mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der dort durchgeführten Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin mit einer Darlehensforderung gegen die Kaufpreisforderung habe aufrechnen können. Die Eheleute hätten 1984 keinen Dar lehensvertrag abgeschlossen, der auch tatsächlich wie unter fremden Dritten vollzogen worden sei. Es sei kein Beleg vorhanden, anhand dessen die Hingabe eines solchen Darlehensbetrages nach objektiven Kriterien nachvollzogen werden könne. Zwar habe die Klägerin in Übereinstimmung mit ihrem als Zeugen vernommenen Ehemann bekundet, das Darlehen in bar in einer Summe übergeben zu haben, wobei das Geld aus Zuwendungen des Schwiegervaters hergerührt haben solle. Dem könne jedoch nicht gefolgt werden, weil, wie das FG im einzelnen ausgeführt hat, beide Aussagen nicht glaubhaft seien.
Die Klägerin könne auch nicht damit gehört werden, daß wegen der von ihr angeblich zugunsten ihres Ehemannes geleisteten Schuldentilgungen von über ... DM die 1/2 Anteilsübertragung als entgeltliche Übertragung anzusehen sei. Eine solche Annahme entfalle schon deshalb, weil im notariellen Vertrag -- unabhängig davon, ob die Klägerin tatsächlich solche Ehegattenschulden beglichen habe -- eine derartige Tilgung nicht als Gegenleistung für die Übertragung des 1/2 Miteigentumsanteils vereinbart worden sei.
Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf das im Zivilrecht entwickelte Rechtsinstitut der "unbenannten Zuwendung" mit der Folge berufen, daß alle Vermögensübertragungen unter Ehegatten nur deshalb als entgeltlich anzusehen seien, weil sie unter Ehegatten vollzogen worden seien. Solch ein Ergebnis habe der Gesetzgeber bei Schaffung des § 278 Abs. 2 AO 1977 ersichtlich nicht gewollt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von § 278 Abs. 2 AO 1977 beruhe. Weiterhin liege ein Verfahrensverstoß durch fehlerhafte Würdigung von Zeugenaussagen sowie mangelnde Sachverhaltsaufklärung vor. Die fehlerhafte Beweiswürdigung stelle einen Verfahrensfehler dar, weil das FG gegen Erfahrungs- und Denkgesetze verstoßen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die gegen den Bescheid i. d. F. der Beschwerdeentscheidung gerichtete Klage ohne Rechtsfehler abgewiesen, weil sich die Verwaltungsentscheidungen zu Recht auf § 278 Abs. 2 AO 1977 stützen.
Werden im Falle der Aufteilung einer Gesamtschuld gemäß §§ 268 ff. AO 1977 einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammenveranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet, so kann gemäß § 278 Abs. 2 AO 1977 der Empfänger über den sich nach § 278 Abs. 1 AO 1977 ergebenden Wert hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung für die Steuer in Anspruch genommen werden. Das FG hat die hier allein streitige Frage, ob die Übertragung des halben Grundstücksanteils auf die Klägerin durch ihren Ehemann unentgeltlich stattgefunden hat, zutreffenderweise bejaht, weil der Übertragung keine Gegenleistung zugrunde lag.
1. Die Einwendungen der Klägerin dagegen, daß das FG -- unabhängig von dem Inhalt des zwischen den Eheleuten abgeschlossenen Kaufvertrages -- eine entgelt liche Zuwendung nicht schon deswegen angenommen hat, weil die Übertragung des Grundstücks zwischen den Ehegatten stattgefunden hat, greifen nicht durch. Zuwendungen unter Ehegatten, die nicht ausdrücklich als Schenkung bezeichnet werden, sind nicht allein deswegen als entgeltliche Zuwendungen anzusehen.
a) Bei Zuwendungen unter Ehegatten, denen keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht, kann es sich rechtlich um eine Schenkung oder um eine sog. "unbenannte (ehebedingte) Zuwendung" handeln. Die Rechtsfigur der "unbenannten Zuwendung" unter Eheleuten ist in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung entwickelt worden (Nachweise in Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 27. November 1991 IV ZR 164/90, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1992, 564). Es ist zwar richtig, daß aus der früheren zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BGH-Urteile vom 26. November 1981 IX ZR 91/80, BGHZ 82, 227, und vom 24. März 1983 IX ZR 62/82, BGHZ 87, 145) teilweise der Schluß gezogen wurde, daß die "unbenannte Zuwendung" eine entgeltliche Leistung zwischen Ehegatten darstellen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. November 1984 II R 133/83, BFHE 142, 511, BStBl II 1985, 159; Morhard, NJW 1987, 1734). Dazu hat aber der BGH in dem bereits genannten Urteil in NJW 1992, 564 klargestellt, daß auch die "unbenannte Zuwendung" unter Ehegatten in der Regel objektiv unentgeltlich stattfindet und im Erbrecht wie eine Schenkung zu behandeln ist.
Auch der BFH hat nunmehr im Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in teilweiser Abkehr von seinem Urteil in BFHE 142, 511, BStBl II 1985, 159 ausgeführt, daß bei einer "unbenannten Zuwendung" unter Ehegatten die objektive Unentgeltlichkeit der Leistung nicht allein deswegen verneint werden könne, weil der "unbenannten Zuwendung" besondere ehebezogene Motive (Ausgleich für geleistete Mitarbeit, angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens) zugrunde lägen (BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen hierzu auf die überzeugenden Ausführungen in der vorgenannten Entscheidung.
Diese Grundsätze lassen sich ohne weiteres für die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO 1977 heranziehen. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es entscheidend auf die Unentgeltlichkeit der Zuwendung an. Darunter kann nur die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung verstanden werden. Die Vorschrift bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung durch die subjektiven, im Eheverhältnis liegenden Motive für die Zuwendung in Frage gestellt werden könnte.
b) Entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrer Revisionsbegründung ist die Vorentscheidung auch auf die Behauptung der Klägerin eingegangen, daß sie Schulden ihres Ehemanns in Höhe von ca. ... DM getilgt habe und ihr der Miteigentumsanteil deshalb nicht unentgeltlich zugewendet worden sei. Zu Recht hat das FG jedoch ausgeführt, daß es nicht darauf ankomme, weil der notarielle Kaufvertrag ausdrücklich nicht diese Tilgung, sondern den Ausgleich der Darlehensforderung, die durch die Grundschuld von ... DM abgesichert war, als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks bezeichnet habe. Soweit sich die Klägerin insoweit auf einen Verfahrensfehler beruft, ist ein solcher somit nicht gegeben.
Der erkennende Senat ist an die Feststellung der Vorinstanz gebunden, daß der Klägerin der Miteigentumsanteil an dem Grundstück durch ihren Ehemann unentgeltlich übertragen worden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu dieser Feststellung ist das FG aufgrund einer umfassenden Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung des Inhalts der Gerichts-, Einkommensteuer- und Vollstreckungsakten in Verbindung mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der dort durchgeführten Beweisaufnahme gekommen. Die Beweiswürdigung durch das FG ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich entzogen; sie ist nur revisibel, soweit Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Verfahrensordnung vorliegen.
a) Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze, die -- im Gegensatz zur Auffassung der Revision -- im Rahmen der materiell-rechtlichen Überprüfung der Vorentscheidung zu berücksichtigen wären, lägen nur vor, wenn die vom FG aufgrund seiner Beweiswürdigung getroffene Feststellung schlechthin unmöglich oder überhaupt nicht nachzuvollziehen wäre. Das ist jedoch bei der Vorentscheidung nicht der Fall und auch von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen worden.
aa) Das FG hat nicht dadurch gegen die Denkgesetze oder einen Erfahrungssatz verstoßen, daß es den Aussagen der Klägerin und ihres Ehemannes über die Herkunft und Existenz des Geldes, das sie angeblich ihrem Ehemann als Darlehen gewährt hat, nicht geglaubt hat, weil es sie für unwahrscheinlich und für der Lebenserfahrung widersprechend hielt. Darin ist vielmehr eine mögliche Bewertung (Tatsachenwürdigung) dieser Aussagen zu sehen. Sie ist möglicherweise nicht zwingend, aber nach der Begründung des FG vertretbar und liegt demnach im Rahmen der im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Beweiswürdigung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 23 m. w. N.).
bb) Es mag zwar sein, daß, wie die Klägerin meint, die Lebenserfahrung nicht zwingend dagegen spricht, daß ein Betrag von über ... DM (der in Rede stehende Dar lehensbetrag) im Hause der Eheleute aufbewahrt worden ist. Auf einen solchen im Revisionsverfahren materiell-rechtlich überprüfbaren Erfahrungssatz stützt das FG seine Beweiswürdigung aber auch nicht. Das FG ist erkennbar nicht etwa von einem für allgemeingültig gehaltenen Satz der Lebenserfahrung ausgegangen, daß Geldbeträge in dieser Höhe nicht zu Hause aufbewahrt werden. Es hat vielmehr im Rahmen seiner Gesamtwürdigung, die noch auf mehrere andere Umstände gestützt worden ist, nur ausgeführt, daß es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich sei, Geldbeträge in dieser Höhe unter Verzicht auf Zinserträge oder sonstigen wirtschaftlichen Nutzen über einen Zeitraum von neun Jahren zu Hause auf zubewahren. Darin ist nur eine subjektive Würdigung der Aussagen der Klägerin und ihres Ehemanns durch die Vorinstanz, nicht aber unter Zuhilfenahme eines all gemein gültigen Erfahrungssatzes die Feststellung bestimmter Tatsachen zu sehen.
cc) Es trifft auch nicht zu, daß das FG nicht alle Beweismittel gegeneinander abgewogen und nicht auf ihrer Grundlage eine objektive Beweiswürdigung durchgeführt hat. Es hat vielmehr insbesondere auch die von der Revision angeführten Schreiben der Herren A und B gewürdigt, daraus allerdings andere Schlüsse als die Klägerin gezogen. Daß die Schlußfolgerungen des FG insoweit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen widersprechen, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Klägerin hält es zwar für "weltfremd", daß das FG die schriftliche Bekundung des A, die Klägerin habe ihm Anfang 1975 eine Geldsumme von ca. ... DM gezeigt, mit dem Hinweis angezweifelt hat, es sei nicht zu erkennen, ob es sich um die von ihrem Schwiegervater gegebenen Gelder gehandelt habe. Die Rüge eines Verstoßes gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist daraus aber nicht zu entnehmen; sie ist dem Senat auch im übrigen nicht ersichtlich. Abgesehen davon hat das FG entgegen der insoweit unvollständigen Darstellung der Klägerin ferner ausgeführt, aus der Bekundung des A sei nicht zu entnehmen, daß die angebliche Unterstützung ausschließlich der Schwiegertochter (Klägerin) zugewendet worden sei. Das FG hielt es deswegen nicht für erwiesen, daß die Klägerin -- wenn eine solche Summe vorhanden gewesen sein sollte -- auch selbst Eigentümerin des Geldes war.
Nicht zu beanstanden ist, daß das FG seine richterliche Überzeugung aufgrund der subjektiven Eindrücke der einzelnen Senatsmitglieder von dem Ergebnis der Aussagen der Klägerin und ihres Ehemannes sowie des Inhalts der bezeichneten Akten gewonnen hat. Dies entspricht gerade dem aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu entnehmenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 96 Rz. 15). Die Behauptung der Klägerin, das FG habe aufgrund von (vielleicht unbewußten) Vorurteilen geurteilt, ist nicht belegt.
b) Soweit die Klägerin mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG rügt, weil das FG es unterlassen habe, A und B als Zeugen zu vernehmen, ist ein Verfahrensfehler nicht in der nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO erforderlichen Weise bezeichnet worden. Die Vorinstanz wäre ohne einen entsprechenen Beweisantrag der Klägerin nur dann zur Vernehmung von A und B als Zeugen im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verpflichtet gewesen, wenn sich die Notwendigkeit ihrer Vernehmung dem Gericht hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 23. August 1988 VII B 58/88, BFH/NV 1989, 149). Daß dies der Fall war, hat die Klägerin aber nicht vorgetragen. Die Angabe allein dessen, was die Zeugen bei ihrer Einvernahme ausgesagt hätten, reicht zur Darlegung einer Verletzung der Amts ermittlungspflicht nicht aus.
Fundstellen
Haufe-Index 420265 |
BFH/NV 1995, 485 |