Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Voraussetzungen eines Reihenversendungsgeschäftes.
Normenkette
UStDB §§ 4, 5 Abs. 2; UStG § 3/2; UStG § 3/7
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerpflichtige (Stpfl.) eine Lieferung im Inland oder eine nicht steuerbare Auslandslieferung ausgeführt hat. Die Stpfl. betreibt die Einfuhr und den Großhandel mit öl und Fett. Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Stpfl. Lieferungen von pflanzlichen ölen und Fetten im Veranlagungszeitraum 1950 und im ersten Halbjahr 1951 an inländische gewerbliche Verbraucher als nicht steuerbar behandelt hatte. Die ausländischen Lieferer versandten die Ware teils in Fässern, teils in Kesselwagen der Stpfl. In den Eisenbahnfrachtbriefen war als Empfänger der Ware der inländische Grenzspediteur der Stpfl. mit dem Zusatz genannt: "Zur Verfügung der Firma X (Stpfl.) in H". Der Grenzspediteur im Inland hatte jeweils, bevor die für die Stpfl. bestimmten Waren im Ausland der Eisenbahn übergeben waren, von der Stpfl. Anweisung erhalten, an wen die Gegenstände herauszugeben oder weiterzuversenden seien.
Das Finanzamt nahm Inlandslieferungen an und berichtigte die Umsatzsteuerbescheide entsprechend. In der Berufung hatte die Stpfl. Erfolg, weil nach Auffassung des Finanzgerichts sowohl die Stpfl. als auch deren Abnehmer die Verfügungsmacht bereits im Ausland erlangt hätten.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (ß 4 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB -). Bei einem Versendungsgeschäft gilt jedoch nach § 5 Abs. 2 UStDB die Lieferung mit der übergabe des Gegenstands an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Es ist nicht streitig, daß die ausländischen Lieferer der Stpfl. die Ware an die Stpfl. als ihre Abnehmerin durch die übergabe an einen Frachtführer im Sinne des § 5 Abs. 1 UStDB (Eisenbahn) versendet haben. Die Lieferungen der Lieferanten an die Stpfl. waren deshalb als Lieferungen im Ausland nicht steuerbar. Das Finanzgericht folgert hieraus, daß der Stpfl. bereits im Ausland die Verfügungsmacht verschafft worden sei und sie die Verfügungsmacht auch im Ausland auf ihre Abnehmer habe weiterübertragen können und übertragen habe. Das Finanzgericht nimmt dies deshalb an, weil die Stpfl. ihrem Grenzspediteur, an den die Ware auf Veranlassung der ausländischen Lieferer zur Verfügung der Stpfl. befördert worden sei, schon zu einer Zeit ihre Abnehmer benannt habe, als ihre ausländischen Lieferer die Ware noch nicht der Eisenbahn zur Beförderung übergeben hätten, und beruft sich insoweit auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 140/39 vom 25. April 1941 (Slg. Bd. 50 S. 175, Reichssteuerblatt 1941 S. 452). Dieses Urteil trifft jedoch nicht den Tatbestand des Streitfalls, in dem es sich um die zeitlich aufeinanderfolgenden Versendungen mehrerer Unternehmer, der ausländischen Lieferer und der Stpfl., handelt und nicht um einen gebrochenen Versendungsvorgang des einen Unternehmers. Während bei einem Reihenversendungsgeschäft durch den einen Versendungsvorgang des ersten Lieferers in der Reihe (ausländische Lieferanten) gleichzeitig mehrere Lieferungen bewirkt werden und sich nach § 5 Abs. 2 UStDB für die mehreren Lieferungen der gleiche Lieferungsort ergibt, bestimmt sich im Streitfalle der Lieferungsort für die Lieferung der ausländischen Lieferanten zwar nach § 5 Abs. 2 UStDB; dieser Versendung aber folgt im Streitfalle ein zweiter Versendungsvorgang nach, für den wiederum § 5 Abs. 2 UStDB maßgebend ist. Das bedeutet, daß nicht schon der Zeitpunkt, in dem die Stpfl. den Speditionsauftrag erteilt hat, den Ort der Lieferung bestimmt, sondern erst der Zeitpunkt der tatsächlichen übergabe der Ware an den Spediteur hierfür maßgebend ist. Dieser Ort, an dem der Spediteur erst in der Lage ist, den erteilten Auftrag auszuführen, liegt jedoch im Inland (vgl. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, VI. Auflage, Textziffer 555).
Rechtsirrig ist auch die Ansicht der Vorinstanz, daß die Stpfl. nicht in die Liefererkette eingeschaltet sei. Unbestritten ist sie doch erste Abnehmerin der Ware, und an anderer Stelle der Vorentscheidung hebt diese zutreffend hervor, daß an die Stpfl. in ihrer Eigenschaft als Abnehmerin versendet worden sei. Die Vorinstanz konnte zu ihrer Auffassung nur deshalb gelangen, weil sie rechtsirrtümlich ein Reihenversendungsgeschäft angenommen hat. Ein solches liegt aber nur vor, wenn der erste Unternehmer in der Reihe die Ware dem Frachtführer zwecks Versendung an den letzten Abnehmer der Reihe übergibt. Es liegen dann eine einzige Warenbeförderung, aber zwei oder mehrere Versendungslieferungen vor. Im Streitfalle sind jedoch zwei zeitlich aufeinanderfolgende Warenbeförderungsvorgänge gegeben, wobei die zweite Lieferung erst bewirkt, wenn der Grenzspediteur den ihm erteilten Auftrag durch übergabe an den Frachtführer ausführen kann.
Die Stpfl. beruft sich im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die durch die 8. Verordnung zur änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 eingeführte Ergänzung des § 5 UStDB; der neue Abs. 3 des § 5 UStDB bestätige ihre Auffassung von der Rechtslage. Die Bundesregierung sei nicht ermächtigt, das Umsatzsteuergesetz abzuändern. Die 8. Verordnung ändert jedoch nicht das Gesetz, sondern im Rahmen der erteilten Ermächtigung lediglich die Durchführungsbestimmungen. Diese Neuregelung ist insbesondere im Interesse von Importeuren leicht verderblicher Waren erfolgt (vgl. Sölch-Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 6. Auflage, § 3 Bem. 8 S. 184). Für die hier zu beurteilenden Zeiträume kann es dahingestellt bleiben, ob sich hieraus für die Stpfl. eine andere Rechtslage ergäbe.
Nach allem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung der Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 8. Juni 1954 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408966 |
BStBl III 1958, 90 |
BFHE 1958, 236 |
BFHE 66, 236 |