Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine V. u. V.-Einkünfte des Sohnes bei Wohnrecht der Mutter
Leitsatz (NV)
Überträgt eine Mutter dem Sohn ein Einfamilienhaus, das nur eine Wohnung enthält, und übernimmt dieser Verbindlichkeiten aus Grundpfandrechten und räumt er der Mutter an den gesamten Räumen des Hauses ein lebenslanges dingliches Wohnrecht ein, so erzielt er auch dann keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn die Mutter ihm in einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung gestattet, alle Räume des Hauses mit Ausnahme ihres Zimmers zu nutzen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, 4, §§ 12, 21 Abs. 2; EStDV § 11d Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger erhielt mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Januar 1982 von seiner Mutter in vorweggenommener Erbfolge ein Einfamilienhaus-Grundstück übertragen. Der Kläger übernahm die den Grundbesitz betreffenden Verbindlichkeiten aus den im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechten, deren Wert sich auf . . . DM belief. Gleichzeitig räumte er seiner Mutter an den gesamten Räumen des Einfamilienhauses (Gesamtwohnfläche 96 qm) ein lebenslanges dingliches Wohnrecht ein, dessen Ausübung unentgeltlich sein sollte. Das Wohnrecht wurde im Grundbuch eingetragen. In einer von der Mutter des Klägers unterzeichneten ,,Zusatzvereinbarung zum Notarvertrag vom 14. Januar 1982" gestattete diese dem Kläger, ,,alle Räumlichkeiten des Hauses X-Straße mit Ausnahme meines Zimmers zu nutzen. Die Küche und das Bad des Hauses stehen der gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung".
In seiner Einkommensteuererklärung 1982 begehrte der Kläger den Abzug erhöhter Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ einen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, obgleich es sich bei der Übertragung des Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bürgerlich-rechtlich um eine Schenkung unter Auflage handele, seien dem Kläger Anschaffungskosten entstanden; denn er habe die Auflagen erfüllt, um ein Wirtschaftsgut von einem anderen zu erwerben. Die Anschaffungskosten setzten sich aus der Übernahme der Verbindlichkeiten und dem Kapitalwert des von der Mutter aufgrund des ihr eingeräumten dinglichen Wohnrechts genutzten Zimmers zusammen. Das der Mutter eingeräumte dingliche Wohnrecht sei auch hinsichtlich des von ihr genutzten Zimmers steuerlich anzuerkennen. Die Anschaffungskosten des Klägers für das Gebäude beliefen sich auf 72 v. H. von . . . DM. Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG könne der Kläger nur in dem Umfang als Werbungskosten abziehen, in dem er aufgrund der ihm von seiner Mutter in der Zusatzvereinbarung eingeräumten Möglichkeit, mit Ausnahme eines Zimmers sämtliche Räume zu nutzen, das Einfamilienhaus selbst bewohne. Damit erziele er gemäß §§ 21a Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 2, Alternative 2 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; denn die ihm mögliche Nutzung sei durch die Zusatzvereinbarung gesichert. Dazu reiche bereits der Abschluß eines unentgeltlichen obligatorischen Vertrages aus. Es bestünden auch keine Bedenken, diese Zusatzvereinbarung steuerlich anzuerkennen. Da die von der Mutter genutzte Fläche von 22,7 qm einen Anteil von 23,6 v. H. der Gesamtwohnfläche ausmache, könne der Kläger insgesamt einen Betrag von . . . DM als Grundlage für erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG geltend machen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA sinngemäß Verletzung des § 7b EStG. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe der Kläger das Einfamilienhaus-Grundstück unentgeltlich übertragen erhalten (vgl. zuletzt Urteil vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161). Selbst bei Annahme eines teilentgeltlichen Erwerbs gehöre aber jedenfalls der Kapitalwert des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts nicht zu den Anschaffungskosten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, daß der Kläger im Streitjahr 1982 den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllte.
1. Der Kläger bezog keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG; denn ihm sind keine Einnahmen zugeflossen, auch nicht in Form eines zu verrechnenden Kaufpreises. Mit dem FG ist nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) davon auszugehen, daß die Übertragung des Einfamilienhaus-Grundstücks von der Mutter des Klägers auf diesen teilentgeltlich war. Anschaffungskosten des Klägers sind jedoch nur die von ihm übernommenen Verbindlichkeiten. Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende daran ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II. 1. Buchst. c) der Gründe des Beschlusses des Großen Senats vom 5. Juli 1990 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten. Da die Einräumung des Wohnrechts keine Gegenleistung des Klägers für die Übertragung des Grundstücks ist, kann ihm der Wert des vorbehaltenen Nutzungsrechts auch nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390).
2. Der Kläger erzielte keine Einkünfte nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Diesen Tatbestand erfüllte allein seine Mutter aufgrund des von ihr vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts (vgl. Urteil in BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390). Dieses Nutzungsrecht ist steuerrechtlich anzuerkennen; denn es wurde bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart, im Grundbuch eingetragen und vor allen Dingen auch tatsächlich durchgeführt (vgl. zur tatsächlichen Durchführung BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327 unter Nr. 1 Buchst. c). Die Mutter des Klägers übte es dadurch aus, daß sie selbst in dem Einfamilienhaus wohnte und außerdem den Kläger dort wohnen ließ. Sie nutzte - wie sich aus der Zusatzvereinbarung ergibt - nicht nur ein Zimmer des Einfamilienhauses, sondern mindestens auch Bad und Küche und damit eine Wohnung (vgl. zum Wohnungsbegriff BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, unter 2., Buchst. a, und vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77). Daß die Mutter dem Kläger die Mitbenutzung von Bad und Küche gestattete, ist für die Annahme einer von ihr genutzten Wohnung unschädlich, weil ihr diese Räume aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts aus eigenem Recht zustanden. Anhaltspunkte dafür, daß das Einfamilienhaus mehrere Wohnungen enthielt, sind im Hinblick auf die Gesamtwohnfläche von 96 qm und die in der Zusatzvereinbarung geregelte gemeinschaftliche Nutzung von Küche und Bad nicht gegeben.
3. Zu Unrecht hat das FG dem Kläger Einkünfte nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zugerechnet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen schon nicht seine Annahme einer gesicherten Rechtsposition des Klägers in bezug auf die Nutzung der Räume. Eine solche ist nur gegeben, wenn dem Nutzenden der Gebrauch für eine grundsätzlich festgelegte Zeit nicht entzogen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295 mit weiteren Hinweisen). Diesen Erfordernissen entspricht die Zusatzvereinbarung nicht; denn die Mutter des Klägers konnte ihre einseitige Gestattung der Nutzung jederzeit widerrufen. Umstände, die eine ergänzende Vertragsauslegung zulassen würden (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327 unter 1., Buchst. b Abs. 4), sind nicht erkennbar.
Darüber hinaus ist dem Kläger aber auch keine Wohnung zur Nutzung überlassen worden. Unter Wohnung ist ein Raum oder eine Zusammenfassung von Räumen zu verstehen, die die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht. Eine Wohnung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn eine Küche oder Kochgelegenheit vorhanden ist. Wird die Mitbenutzung von Räumen gestattet, so wird keine Wohnung überlassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, a. a. O, und zur gemeinschaftlichen Nutzung das BFH-Urteil vom 8. August 1990 IX R 122/86, BStBl II 1991, 171). Es kann offenbleiben, ob die Zusatzvereinbarung dahin auszulegen ist, daß nur Küche und Bad vom Kläger und seiner Mutter gemeinschaftlich genutzt werden sollten und im übrigen dem Kläger ein oder mehrere Räume zur alleinigen Nutzung überlassen waren. Bereits die Mitbenutzung der Küche steht der Annahme einer Wohnung entgegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, a.a.O.).
4. Die Sache ist entscheidungsreif. Da der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, hat das FA im Ergebnis zutreffend die Durchführung einer Veranlagung zur Einkommensteuer abgelehnt. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417533 |
BFH/NV 1991, 450 |