Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung bei Bauherrengemeinschaft
Leitsatz (NV)
1. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind nach § 48 Abs. 2 FGO alle Mitberechtigten, gegen die der Feststellungsbescheid ergangen ist, klagebefugt und damit -- wenn sie nicht selbst Klage erhoben haben -- nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 23. September 1992 IX B 32/92, BFH/NV 1993, 185).
2. Ist die Klage eines notwendig Beizuladenden unzulässig, kann die notwendige Beiladung nicht nach § 73 Abs. 2 FGO durch die Verfahrensverbindung ersetzt werden; dies gilt auch dann, wenn das FG die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern zur Sache entschieden hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter B 2.).
3. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist ein vom BFH als Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 11. August 1992 IX R 6/88, BFH/NV 1993, 45, m. w. N.).
Normenkette
FGO §§ 48, 60 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) des vorliegenden Verfahrens sowie die Beigeladenen und weiteren Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren (Beteiligte) waren Mitglieder einer sog. Ersterwerbergemeinschaft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte die Einkünfte der Mitglieder der Gemeinschaft aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre (1980 bis 1982) teilweise gesondert und einheitlich fest. Die Kläger und die Beteiligten zu I.1. bis 4. und II. erhoben nach erfolglosem Einspruch zunächst getrennt Klage.
Das Finanzgericht (FG) verband die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung, erkannte verschiedene Aufwendungen als Werbungskosten an und wies die Klage auf Abzug weiterer Werbungskosten als unbegründet ab. Es entschied auch gegenüber der Beteiligten zu II.4. zur Sache, obwohl der als ihr Prozeßbevollmächtigter aufgetretene Steuerberater X für sie keine Prozeßvollmacht vorgelegt hatte.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen, die bereits während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision erlassenen, der Vorentscheidung entsprechenden geänderten Feststellungsbescheide für die Streitjahre zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Werbungskostenüberschusses an das FG zurückzuverweisen.
Steuerberater X legte weder während der ihm im Revisionsverfahren gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 i. V. m. § 121 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzten Frist noch danach eine Prozeßvollmacht für die Beteiligte zu II.4. vor und begründete dies mit einem Hinweis auf den Überlassungsvertrag vom 21. Dezember 1983. Mit diesem Vertrag hatte die Beteiligte zu II.4. ihren Anteil an der Ersterwerbergemeinschaft mit sofortigem Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten auf ihren Ehemann übertragen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2, § 127 FGO).
1. Gegenstand des Verfahrens sind aufgrund des Antrags der Kläger die während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision ergangenen Änderungsbescheide (§§ 68, 121 Satz 1, § 123 Satz 2 FGO).
2. Das FG hat verfahrensfehlerhaft die Beteiligte zu II.4. nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beigeladen.
a) Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich dann erfüllt, wenn der Dritte klagebefugt ist. Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinn miteinander zusammen, daß diejenigen Klagebefugten, die nicht Klage erhoben haben, notwendig beizuladen sind. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind nach § 48 Abs. 2 FGO alle Mitberechtigten, gegen die der Feststellungsbescheid ergangen ist, ohne die Beschränkungen des § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt (Senatsurteil vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809; Senatsbeschluß vom 23. September 1992 IX B 32/92, BFH/NV 1993, 185).
Die Beteiligte zu II.4. ist in den Streitjahren klagebefugt. Der Überlassungsvertrag vom 21. Dezember 1983, mit dem sie ihren Anteil an der Ersterwerbergemeinschaft auf ihren Ehemann übertragen hat, berührt ihre Klagebefugnis nicht. Eine auf die Streitjahre zurückwirkende Übertragung ist nicht vereinbart. Sie wäre im übrigen steuerrechtlich auch nicht zu berücksichtigen (vgl. z. B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. März 1991 VIII R 315/84, BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472, unter B III. 5. c, und VIII R 55/86, BFHE 166, 21, BStBl II 1992, 479, unter B III. 4. b, bb, je m. w. N.).
b) Die notwendige Beiladung wird gemäß § 73 Abs. 2 FGO grundsätzlich durch Verfahrensverbindung ersetzt. Eine solche liegt im Streitfall zwar vor, ersetzt die notwendige Beiladung aber nicht, weil die Klage der Beteiligten zu II.4. wegen Fehlens der Prozeßvollmacht nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 13. November 1991 I R 58/89, BFHE 166, 518, BStBl II 1992, 496) unzulässig ist. Ist die Klage des notwendig Beizuladenden unzulässig, ersetzt die Verfahrensverbindung die notwendige Beiladung nicht; dies gilt auch, wenn das FG die Klage nicht als unzulässig abweist, sondern zur Sache entscheidet (BFH- Urteil vom 28. Februar 1990 I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter B 2.).
c) Unterläßt das FG eine notwendige Beiladung, hat dies der BFH als Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter B vor 1. m. w. N.). Es handelt sich um einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, aufgrund dessen die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; Senatsurteil vom 11. August 1992 IX R 6/88, BFH/NV 1993, 45). Die Beiladung kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (§ 123 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 420473 |
BFH/NV 1996, 42 |