Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzierbarkeit einer Pensionsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Sagt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Alters- und/oder eine Invaliditätsversorgung zu, so ist diese Zusage im Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Versorgungsverpflichtung im Zeitpunkt der Zusage für die Gesellschaft nicht finanzierbar ist. In diesem Fall stellen die Zuführungen zu der zu bildenden Pensionsrückstellung vGA dar.
2. Eine Versorgungszusage ist nicht finanzierbar, wenn die Passivierung des Barwerts der Pensionsverpflichtung zu einer Überschuldung der Gesellschaft führen würde.
3. Auch bei der Beurteilung der Finanzierbarkeit einer im Invaliditätsfall eintretenden Versorgungsverpflichtung ist nur deren im Zusagezeitpunkt gegebener versicherungsmathematischer Barwert (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG) anzusetzen. Es ist nicht von demjenigen Wert auszugehen, der sich bei einem Eintritt des Versorgungsfalls ergeben würde (gegen Tz. 2.2 des BMF-Schreibens vom 14. Mai 1999 IV C 6 -S 2742- 9/99, BStBl I 1999, 512).
4. Die Finanzierbarkeit einer Zusage, die sowohl eine Altersversorgung als auch vorzeitige Versorgungsfälle abdeckt, ist hinsichtlich der einzelnen Risiken jeweils gesondert zu prüfen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1, 3 S. 2; EStG § 6a Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Zuführungen zu Pensionsrückstellungen deshalb als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) anzusehen sind, weil der Eintritt des Versorgungsfalles unter bestimmten Umständen zur Überschuldung der pensionsverpflichteten Gesellschaft führen würde.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine 1981 gegründete GmbH, die ein Bauunternehmen mit Baustoffhandlung, Zimmerei und Tischlerei betreibt. Ihre Gesellschafter waren in den Streitjahren (1991 und 1992) der 1947 geborene Diplom-Ingenieur F mit einem Anteil von 90 v.H. und dessen Vater J mit einem Anteil von 10 v.H. des Stammkapitals. F war zugleich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin.
Nach dem Anstellungsvertrag des F erhielt dieser in den Streitjahren ein monatliches Gehalt von 4 500 DM sowie eine Tantieme, die vom Gewinn vor Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer abhing und deren Prozentsatz mit der Höhe dieses Gewinns von 20 v.H. (Gewinn bis 10 000 DM) über 30 v.H. (Gewinn bis 30 000 DM) und 40 v.H. (Gewinn bis 50 000 DM) auf 50 v.H. (Gewinn über 50 000 DM) anstieg. Die steuerliche Anerkennung dieser Bezüge ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
Im November 1991 erteilte die Klägerin dem F eine schriftliche Pensionszusage, nach der dieser sowohl ab Vollendung des 65. Lebensjahres bei Eintritt in den Ruhestand als auch im Invaliditätsfall eine monatliche Rente in Höhe von 3 500 DM erhalten sollte. Darüber hinaus bestand ein Anspruch auf Witwenrente in Höhe von 2 100 DM monatlich sowie auf Waisenrente in Höhe eines Drittels der Witwenrente. Die Klägerin schloss für die Pensionszusage eine Rückdeckungsversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1993 und einer Versicherungssumme von 200 000 DM ab.
Im Hinblick auf die eingegangene Pensionsverpflichtung bildete die Klägerin eine Rückstellung, der sie für das Jahr 1991 97 948 DM und für 1992 12 304 DM zuführte. Ihre Bilanz zum 31. Dezember 1991 weist unter Berücksichtigung dieser Rückstellung einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 46 647,12 DM und einen Jahresfehlbetrag von 5 516,86 DM aus. Zum 31. Dezember 1992 ergab sich ein Jahresüberschuss in Höhe von 29 381 DM und ―unter Berücksichtigung einer in 1992 erfolgten Einzahlung ausstehenden Stammkapitals― ein Eigenkapital in Höhe von 7 734 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Zuführungen zu der Pensionsrückstellung als vGA. Grund hierfür war seine Annahme, dass die Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalles die eingegangenen Verpflichtungen nicht werde erfüllen können. Der Klage gegen die auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheide hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die von diesem getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob und ggf. in welchem Umfang die streitigen Zuführungen zur Pensionsrückstellung das steuerliche Einkommen der Klägerin mindern.
1. Die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten ihres Geschäftsführers kann wegen § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nur insoweit steuerrechtlich zu einer Gewinnminderung führen, als die Voraussetzungen des § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingehalten sind. Anhaltspunkte dafür, dass es im Streitfall hieran fehlt, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag des FA.
2. Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann jedoch aus steuerlicher Sicht eine vGA sein, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der verpflichteten Gesellschaft nicht mindern darf. Sie ist dann, soweit sie sich in der Steuerbilanz ausgewirkt und demgemäß den Bilanzgewinn gemindert hat, dem Gewinn der Gesellschaft außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen (Senatsurteil vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347).
Voraussetzung für das Vorliegen einer vGA ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die Pensionsverpflichtung nicht durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte (Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316, m.w.N.). Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters.
3. Im Streitfall wertet das FA die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen deshalb als vGA, weil es annimmt, dass die Versorgungszusagen aus der Sicht der Streitjahre nicht finanzierbar gewesen seien. Hierzu hat es darauf abgestellt, dass bei Eintritt eines vorzeitigen Versorgungsfalls eine zusätzliche Zuführung zu der Rückstellung erforderlich werde, die zu einer Überschuldung der Klägerin führen würde. Dem ist das FG zu Recht nicht gefolgt.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Pensionszusage u.a. dann vGA sein, wenn sich eine neu gegründete Gesellschaft zu Gunsten ihres Gesellschafter-Geschäftsführers mit einer hohen Pensionsverpflichtung belastet, bevor ihre Ertragsaussichten zuverlässig eingeschätzt werden können (Senatsurteile vom 30. September 1992 I R 75/91, BFH/NV 1993, 330; vom 11. Februar 1998 I R 73/97, BFH/NV 1998, 1262). Daraus ist sowohl von der Finanzverwaltung (Abschn. 32 Abs. 1 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien ―KStR―) als auch in Rechtsprechung und Literatur (z.B. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 1996 2 K 2069/93, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1996, 832; Hessisches FG, Urteil vom 27. März 1998 4 K 4005/96, EFG 1999, 495; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Rz. 150, "Pensionszusage" Nr. 2) gefolgert worden, dass eine einem Gesellschafter gegebene Pensionszusage nur dann einkommensmindernd berücksichtigt werden dürfe, wenn sie von der verpflichteten Gesellschaft wirtschaftlich getragen werden kann ("Finanzierbarkeit"). Das ist im Ausgangspunkt zutreffend, da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nur unter dieser Voraussetzung eine Versorgungszusage abgeben würde. Hiervon ist auch der Senat schon in der Vergangenheit ausgegangen (Urteile in BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 22. Oktober 1998 I R 29/98, BFH/NV 1999, 972).
b) Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist eine Pensionszusage immer dann nicht finanzierbar, wenn bei einem unmittelbar nach dem Bilanzstichtag eintretenden Versorgungsfall der Barwert der künftigen Pensionsleistungen auch nach Berücksichtigung einer etwaigen Rückdeckungsversicherung zu einer bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft führen würde (Abschn. 32 Abs. 1 Satz 9 KStR). Dabei soll für die Beurteilung von Zusagen, die sowohl eine Alters- als auch eine Invalidenversorgung beinhalten, die im Invaliditätsfall eintretende zusätzliche Passivierungspflicht in die Betrachtung einbezogen werden (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 14. Mai 1999 IV C 6 -S 2742- 9/99, BStBl I 1999, 512, Tz. 2.2; ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 9. Dezember 1997 VI 607/93, EFG 1998, 782; Arteaga, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1998, 265, 274). Diese Einschätzung hält der Senat in mehrfacher Hinsicht für unzutreffend.
aa) Das gilt zum einen insoweit, als ihr die Vorstellung zu Grunde liegt, dass bei der Beurteilung der Finanzierbarkeit einer Pensionszusage vom größten denkbaren Risiko auszugehen und deshalb auf die Bilanzierung nach Eintritt eines fiktiven vorzeitigen Versorgungsfalls abzustellen sei. Nach dieser Betrachtungsweise ist bei der Zusage einer Invaliditätsversorgung insbesondere das "Bilanzsprungrisiko" zu Lasten der Gesellschaft zu berücksichtigen, das sich daraus ergibt, dass bei einer alsbald eintretenden Invalidität des begünstigten Geschäftsführers die gebildete Rückstellung aufgestockt werden müsste (vgl. hierzu Janssen, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1999, 741, 743; Langohr-Plato, Die Information über Steuer und Wirtschaft ―Inf― 1999, 106; Dörner, Inf 2000, 321, 322). Das wird den Anforderungen, die an einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zu stellen sind, nicht gerecht.
Denn ein solcher muss bei seinem Handeln nicht immer von der ungünstigsten aller denkbaren Entwicklungen ausgehen. Es entspricht vielmehr dem Verhalten eines ordentlichen Kaufmanns, wenn bei der Abgabe einer Versorgungszusage diejenigen Risiken berücksichtigt werden, die nach den Regeln der Versicherungsmathematik (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) in den Barwert der konkret entstehenden Pensionsverpflichtung eingehen. Dieser Wert ("Anwartschaftsbarwert" i.S. des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG) enthält einerseits die Summe aller möglichen Versorgungsleistungen, wobei diese andererseits abgezinst und die statistisch ermittelte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme angesetzt wird (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II, Rz. 161 f.; Ahrend/Förster/Rößler in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6a EStG Rz. 307; Richter, Betriebs-Berater ―BB― 1986, 2162). Damit spiegelt sich in dem Barwert die tatsächliche wirtschaftliche Belastung des Unternehmens durch die Pensionszusage wider. Mit einem größeren Risiko als dem hiernach bestehenden muss ein ordentlicher Kaufmann nicht rechnen. Deshalb ist eine Versorgungszusage immer dann als finanzierbar anzusehen, wenn eine Passivierung des gegenwärtigen Barwerts der Versorgungsverpflichtung nicht zu einer Überschuldung der Gesellschaft führen würde. Der darüber hinausgehenden Berücksichtigung eines "Bilanzsprungrisikos" bedarf es nicht.
bb) Zum anderen sind bei Zusagen, die sowohl eine Altersversorgung als auch vorzeitige Versorgungsfälle abdecken, die einzelnen Risiken getrennt voneinander zu betrachten (vgl. hierzu schon Senatsurteil in BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316, 318). Denn gegenüber einem fremden Dritten würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht allein deshalb, weil die Gesellschaft z.B. das Invaliditätsrisiko nicht tragen kann, von jeglicher Versorgungszusage absehen. Es liegt vielmehr nahe, dass er in einem solchen Fall eine weniger belastende Zusage erteilen, also z.B. an Stelle einer Abdeckung aller Risiken nur eine ―finanzierbare― Altersversorgung versprechen würde. Unter diesem Gesichtspunkt kann eine Versorgungszusage auch dann, wenn sie in ihrer Gesamtheit nicht finanzierbar ist, unter Umständen zu einem Teil steuerlich anerkannt werden. Eine vGA liegt dann nur in derjenigen Zuführung zur Pensionsrückstellung, die sich auf den nicht finanzierbaren Teil der Pensionsverpflichtung bezieht.
4. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Entscheidung des Streitfalls zunächst auf die Höhe des Barwerts der Pensionsverpflichtung an, die sich für die Klägerin durch die Zusage gegenüber F ergab. Sofern eine Passivierung der Verpflichtung mit diesem Wert nicht zu einer Überschuldung der Klägerin geführt hätte, liegt keine vGA vor. Anderenfalls ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dem F nur einen Teil der tatsächlich zugesagten Versorgung ―z.B. nur eine Altersversorgung― zugesagt hätte. Falls der Barwert dieser eingeschränkten Versorgungsverpflichtung durch das Vermögen der Klägerin abgedeckt gewesen wäre, kann der betreffende Teil der Versorgungszusage steuerlich anerkannt werden.
Die hiernach erforderliche Ermittlung der Barwerte ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin im Dezember 1993 für die streitige Pensionsverpflichtung eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen hat. Denn wenn und soweit die zugesagte Versorgung des F im Zeitpunkt der Zusage nicht finanzierbar gewesen sein sollte, könnte dieser Mangel durch die zwei Jahre später abgeschlossene Versicherung nicht rückwirkend geheilt werden. Es müsste dann zumindest für die Streitjahre dabei bleiben, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer unter den gegebenen Verhältnissen die Zusage nicht erteilt hätte und dass die Zuführungen zu der Rückstellung ―ganz oder teilweise― vGA darstellen.
5. Das FG hat in dem angefochtenen Urteil allein darauf abgestellt, dass die Erteilung von Pensionszusagen trotz unbefriedigender Ertragslage im Wirtschaftsleben häufig vorkomme und dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme bestehe, die Klägerin solle aus der Zusage nicht in Anspruch genommen werden oder werde im Fall der Inanspruchnahme ihre Verpflichtung nicht erfüllen können. Die Barwerte der Pensionsverpflichtung hat es, von diesem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht festgestellt. Das kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden. Deshalb ist der Senat nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide abschließend zu prüfen. Vielmehr muss der Rechtsstreit gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 579201 |
BFH/NV 2001, 980 |
BStBl II 2005, 657 |
BFHE 194, 191 |
BFHE 2002, 191 |
BB 2001, 1135 |
DB 2001, 1119 |
DB 2007, 22 |
DStR 2001, 893 |
DStRE 2001, 654 |
DStZ 2001, 478 |
HFR 2001, 779 |
StE 2001, 310 |