Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Gewinnerzielungsabsicht bei Dauerverlusten
Leitsatz (NV)
Bei Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht ist zu berücksichtigen, ob das Unternehmen trotz anhaltender Verluste in stets gleichbleibender Form weiterbetrieben wird und ob innerbetriebliche Strukturmaßnahmen zur Erzielung positiver Ergebnisse ergriffen und schließlich aussichtsreiche Anstrengungen zu einer Steigerung des Umsatzes unternommen worden sind, kurzum, ob der Unternehmer angesichts der Dauerverluste korrigierend eingegriffen hat.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger arbeitet als angestellter Programmierer. Daneben war er von 1973 bis 1986 als selbständiger Automatenaufsteller mit ein bis vier Aufstellplätzen in verschiedenen Gaststätten tätig. Durch diese Tätigkeit erwirtschaftete er fortwährend Verluste.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zog die Verluste ab 1983 nicht mehr ab, da die Automatenaufstellung mangels Gewinnerzielungsabsicht kein Gewerbebetrieb sei.
Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 und 1985 blieben erfolglos.
Die Klagen hatten Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) stellte darauf ab, daß die objektiven Umstände immer nur Beweisanzeichen für die subjektiven Vorstellungen des Betroffenen seien. Es werde nicht verkannt, daß die anhaltenden und eher wachsenden Verluste des Klägers Zweifel daran erwecken müßten, daß der Betrieb nach Art, Wesen und Geschäftsführung überhaupt geeignet sei, Gewinn zu erbringen. Gleichwohl sei das Gericht der Überzeugung, daß der Kläger nach seinen für die Entscheidung des Falles maßgeblichen subjektiven Vorstellungen bis zuletzt gehofft habe und davon ausgegangen sei, doch noch Erfolg zu haben. Diese Überzeugung beruhe erstens auf den Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in der er plastisch geschildert habe, wie er immer erneute Anläufe genommen habe, seine Investitionen fruchtbringend einzusetzen, und daß dies auch nicht von vornherein aussichtslos erschienen sei, da ja andere Automatenaufsteller mit nicht wesentlich unterschiedlichen Geschäftsbedingungen durchaus gute Gewinne erzielt hätten. Der Senat (FG) zweifele vor allem deshalb nicht an diesen Darlegungen, weil schlechterdings kein plausibler Grund zu erkennen sei, daß der Kläger aus irgendwelchen persönlichen, seiner privaten Lebensführung zuzurechnenden Erwägungen Arbeit und Investitionsaufwendungen auf sich genommen habe.
Mit den Revisionen rügt das FA unzutreffende Anwendung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es macht geltend, daß das FG das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht nicht vor allem mit der Wesensart des Betriebs als ein typischer Wirtschaftsbetrieb hätte begründen dürfen. Der Betrieb des Klägers könne bei über Jahre hinweg erwirtschafteten Verlusten von insgesamt über 150000 DM unstreitig keinen Totalgewinn mehr erzielen. Im übrigen habe das FG nicht berücksichtigt, daß der Kläger seine unwirtschaftliche Betriebsführung nicht abgestellt habe.
Das FA beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen. Er hebt insbesondere hervor, daß er die Automatenaufstellung nur nebenberuflich ausgeübt habe und somit die Verhältnisse von hauptberuflich tätigen Aufstellern nicht als Maßstab gesetzt werden könnten. Im übrigen weist er darauf hin, daß er den Betrieb 1986 aufgegeben habe, nachdem ihm bewußt geworden sei, daß er trotz aller Rationalisierungsversuche nicht mehr gewinnbringend werde arbeiten können.
Die Revisionen werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet.
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 1985 VIII R 4/83 (BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289) kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß bei einem Automatenaufsteller der Beweis des ersten Anscheins für die Gewinnerzielungsabsicht spricht, weil Unternehmen dieser Art nach der Lebensführung typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen der Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen.
Wenn dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hindeuten, reicht dies allein für die Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht aus. Bei längeren Verlustperioden müssen weitere Umstände hinzukommen, die es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Die ernsthafte Möglichkeit, daß ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist dann gegeben, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann (BFH in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).
Ist der Anscheinsbeweis erschüttert, so entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei die objektive Beweislast beim Kläger liegt. Bei der Beweisführung ist zu berücksichtigen, ob das Unternehmen trotz anhaltender Verluste in stets gleichbleibender Form weiterbetrieben wird und ob innerbetriebliche Strukturmaßnahmen zur Erzielung positiver Ergebnisse ergriffen und schließlich aussichtsreiche Anstrengungen zu einer Steigerung des Umsatzes unternommen worden sind, kurzum, ob der Unternehmer angesichts der Dauerverluste korrigierend eingegriffen hat (vgl. Groh, Der Betrieb - DB - 1984, 2424, 2426).
Die Anwendung dieser Grundsätze läßt die Entscheidung des FG im Ergebnis als zutreffend erscheinen. Das FG hat zum einen festgestellt, daß der Kläger zumindest versucht hat, seinen Betrieb wirtschaftlicher zu gestalten. Dies allein hätte zwar angesichts der Erfolglosigkeit dieser Versuche auf Dauer nicht ausgereicht, eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers zu belegen. In Verbindung mit der vom FG ebenfalls festgestellten Betriebseinstellung unmittelbar in dem dem Streitjahr 1985 nachfolgenden Jahr erscheint indes die Annahme berechtigt, daß der branchenunkundige Kläger tatsächlich - wenn auch ungewöhnlich lange und hartnäckig - der Auffassung war, noch Gewinne erzielen zu können, und schließlich, nachdem er seine Fehleinschätzung erkannt hatte, anstelle innerbetrieblicher Strukturänderungsversuche die Einstellung des Betriebs beschlossen hat. Diese Handlungsweise läßt hinreichend deutlich erkennen, daß der Kläger die verlustbringende Tätigkeit nicht aus persönlichen Gründen oder Neigungen ausübte.
Fundstellen
Haufe-Index 418971 |
BFH/NV 1993, 475 |