Leitsatz (amtlich)
Bei der Klage einer Gesellschaft über die einheitliche und gesonderte Feststellung des gemeinen Werts ihrer Anteile sind die dem FA bekanntgewordenen Inhaber von Anteilen auch dann persönlich dem gerichtlichen Verfahren von Amts wegen beizuladen, wenn sie zur Vertretung der Gesellschaft bevollmächtigt sind.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3, § 174; BewDV in der zum 1. Januar 1963 gültigen Fassung § 69; BewDV in der zum 1. Januar 1963 gültigen Fassung § 70; BewDV in der zum 1. Januar 1963 gültigen Fassung § 71; BewDV in der zum 1. Januar 1963 gültigen Fassung § 72
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital von 20 000 DM. An ihr sind der alleinvertretungs- und geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter A zu 15 000 DM und der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter B zu 5 000 DM beteiligt. Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und Verwaltung von Wohn- und Geschäftsbauten.
Das FA - Beklagter - stellte durch Bescheid vom 10. August 1964 den gemeinen Wert der GmbH-Anteile zum 31. Dezember 1962 nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR 1963) je 100 DM Stammkapital fest. Es ging bei der Ermittlung des Vermögenswerts vom Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1963 von minus ... DM aus. Es erhöhte den Einheitswert um einen Zuschlag, der sich aus den Buchwerten der Betriebsgrundstücke, zuzüglich der in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen nach § 7b EStG und abzüglich der Einheitswerte ergab. Zur Ermittlung der Ertragsaussichten erhöhte es das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der jahre 1960 bis 1962 von 0 DM um die Sonderabschreibungen nach § 7b EStG sowie um die geltend gemachten Verlustabzüge und minderte diese Erträge um die gezahlte Vermögensteuer.
Gegen diesen, der GmbH und ihren Gesellschaftern zugestellten Bescheid legten die GmbH und der Gesellschafter B getrennt Einspruch ein, die das FA durch Einspruchsentscheidungen vom 28. Mai 1965 als unbegründet zurückwies.
Die GmbH begehrte mit der Berufung, die nach Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln war, den Wert der Anteile viel niedriger festzusetzen. Sie wendet sich gegen den Zuschlag zum Einheitswert des Betriebsvermögens und gegen die Berechnung der Ertragsaussichten, da die Betriebsergebnisse der Jahre 1960 bis 1964 durch Veräußerungen von Reihenhäusern beeinflußt seien.
Das FG wies durch Urteil vom 21. Februar 1966 die Klage ab.
Die GmbH rügt mit der Revision Verstöße gegen Art. 3 GG und § 13 BewG. Sie hält an ihrem Vorbringen fest.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Verfahren vor dem FG richtet sich ab dem 1. Januar 1966 nach der FGO. Nach § 60 Abs. 3 FGO müssen die Personen dem Verfahren beigeladen werden, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (sogenannte notwendige Beiladung). Von der notwendigen Beiladung sind nach Satz 2 dieser Vorschrift die Mitberechtigten ausgenommen, die nicht nach § 48 FGO klagebefugt sind.
Der Senat hebt die Vorentscheidung auf und weist die Sache an das FG zurück, weil das FG es unterlassen hat, die Gesellschafter A und B von Amts wegen dem Klageverfahren beizuladen. Das FA hat den gemeinen Wert der GmbH-Anteile zum 31. Dezember 1962 durch den angefochtenen Bescheid vom 10. August 1964 einheitlich und gesondert nach §§ 64 ff. BewDV festgestellt und den Bescheid zutreffend nach §§ 69 Abs. 1, 70 BewDV gegen die GmbH und ihre dem FA namhaft gemachten Gesellschafter A und B gerichtet und zugestellt. Nach § 71 BewDV konnte der Bescheid von der GmbH und den beiden Gesellschaftern angefochten werden. Die GmbH und der Gesellschafter B haben gegen ihn getrennt Einspruch eingelegt. Die Berufung, die nach Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln war, hat jedoch nur die GmbH erhoben. Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem FG war die Frage, ob bei der Ermittlung des gemeinen Wertes der GmbH-Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR 1963) der Vermögenswert und die Ertragsaussichten der Gesellschaft herabzusetzen sind. Die Entscheidung des FG durfte nur einheitlich gegen die GmbH und ihre beiden Gesellschafter ergehen, da die Gesellschafter wegen der gleichen Streitfrage ebenfalls Rechtsmittel hätten einlegen können. Werden die Gesellschafter, die nicht Klage erhoben haben, nicht dem Verfahren beigeladen, so wirkt das Urteil nicht gegen sie. § 72 BewDV, der die Wirkung von Rechtsmittelentscheidungen auch auf Gesellschafter erstreckte, gegen die die Rechtsmittelentscheidung nicht gerichtet war, ist durch § 174 FGO aufgehoben worden. Das einheitliche Feststellungsverfahren hat den Sinn, die steuerlichen Rechtsverhältnisse einheitlich zu ordnen und widersprüchliche Entscheidungen über den gemeinen Wert der Anteile zu vermeiden, unbeschadet der Möglichkeit, auf der einheitlichen Bewertungsbasis einzelne Aktien und Anteile mit nur geringem Einfluß auf die Geschäftsführung gemäß Abschn. 80 VStR 1963 durch einen besonderen Abschlag geringer zu bewerten. Die grundsätzliche Einheitlichkeit beherrscht auch das Rechtsmittelverfahren über einheitliche Feststellungsbescheide (vgl. hierzu Urteil des BFH VI R 86/66 vom 30. Mai 1967, BFH 88, 445, BStBl III 1967, 435, bezüglich der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften nach § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO a. F.). Gesellschafter, gegen die sich der einheitliche Bescheid über die Feststellung des gemeinen Werts der GmbH-Anteile richtet, sind auch dann dem Verfahren beizuladen, wenn sie zur Vertretung der den Rechtsstreit führenden Gesellschaft befugt oder sogar allein berechtigt sind, da die gerichtliche Entscheidung sonst ihnen persönlich gegenüber nicht wirksam sein würde. Anders ist die Rechtslage nur bei Klagen, die insbesondere auf Herabsetzung des gemeinen Werts der Anteile einzelner Gesellschafter wegen geringen Einflusses auf die Geschäftsführung nach Abschn. 80 VStR 1963 bezwecken. Bei solchen Klagen sind nur die Gesellschafter beizuladen, für die eine solche Herabsetzung in Betracht kommen kann. Die GmbH hatte im Streitfall ihre Klage jedoch nicht auf Abschn. 80 VStR 1963 gestützt, sondern erstrebt für alle GmbH-Anteile eine Herabsetzung des gemeinen Werts.
Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des finanzgerichtlichen Verfahrens, den der BFH von Amts wegen beachten muß (Beschluß des Senats III B 84/67 vom 13. September 1968, BFH 93, 508 [512], BStBl II 1969, 38).
Fundstellen
Haufe-Index 68572 |
BStBl II 1969, 493 |
BFHE 1969, 523 |