Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein als gemeinnützig anerkanntes Wohnungsunternehmen ein Grundstück weiter, ohne innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerb darauf Kleinwohnungen errichtet zu haben, so unterliegt der ursprüngliche Erwerb durch das Wohnungsunternehmen wegen Aufgabe des begünstigten Zweckes auch dann der Grunderwerbsteuer, wenn das Grundstück an ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen weiterveräußert worden ist.
Normenkette
GrEStG 1940 § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft, erwarb im Mai 1962 Grundstücke mit der erklärten Absicht, darauf innerhalb von fünf Jahren Kleinwohnungen zu errichten. Das FA (Beklagter) stellte die Klägerin vorerst - wie beantragt - gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG von der Grunderwerbsteuer frei.
Im April 1963 veräußerte die Klägerin die Grundstükke an eine als gemeinnützig anerkannte Siedlungs-GmbH (GmbH, Zweiterwerberin) weiter. Die GmbH versicherte, der Grundstückserwerb diene "mit zur Durchführung eines Siedlungsverfahrens im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes"; sie trete in die Verpflichtung der Klägerin zur Bebauung der Grundstücke ein.
Das FA forderte von der Klägerin eine Grunderwerbsteuer an, da die Klägerin die Grundstücke nicht zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet habe.
Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin mit der Klage geltend, sie habe ihre Absicht, auf den Grundstücken Kleinwohnungen zu errichten, wegen eines städtischen Bebauungsplanes nicht erfüllen können und deshalb den Grundbesitz nach Vereinbarung mit der Stadt an die GmbH weiterveräußert. Diese habe auf zwei Flurstücken Nebenerwerbsstellen gebaut und das dritte Flurstück an eine gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft weiterveräußert, die ihrerseits Kleinwohnungen errichtet habe.
Das FG wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG setzt voraus, daß das Grundstück "zur Schaffung von Kleinwohnungen durch" einen gemeinnützigen Bauträger erworben wird. Der Senat hat zu vergleichbaren neueren Landesgesetzen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues, nach denen der Erwerb eines Grundstücks zur (zwecks) Errichtung eines Gebäudes mit steuerbegünstigten Wohnungen steuerbefreit ist, wiederholt entschieden, daß diese Art Steuerbefreiung nur einmal zu gewähren ist, also nur dem Erwerber, der das Grundstück fristgerecht selbst bebaut und hierdurch selbst den steuerbegünstigten Zweck erfüllt. Bei Weiterveräußerung des Grundstücks ohne Zweckerfüllung verliert der Erwerber die Steuervergünstigung, die nunmehr für den neuen Erwerber in Betracht kommt; dies auch dann, wenn die Weiterveräußerung selbst aus demselben oder einem anderen Grund steuerbefreit ist. Auch auf die Gründe für die Weiterveräußerung kommt es nicht an, da die Steuervergünstigung von der objektiven Zweckerfüllung abhängt (vgl. wenn auch zu anderen Landesgesetzen Urteile des BFH vom 8. Dezember 1970 II R 26/67, BFHE 101, 312, BStBl II 1971, 255; vom 28. April 1970 II 109/65, BFHE 99, 250, BStBl II 1970, 600; vom 20. Juni 1967 II 139/63, BFHE 89, 485, BStBl III 1967, 677).
Bei unbefangener Würdigung des Wortsinnes und des Zweckes des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG wird - entgegen der Auffassung der Klägerin - kein Grund erkennbar, der hier eine abweichende Auffassung rechtfertigen könnte. Nach dieser Vorschrift ist nur der gemeinnützige Bauträger zu begünstigen, der das Grundstück "zur Schaffung von Kleinwohnungen" erwirbt. Die Errichtung solcher Wohnungen durch den Erwerber selbst muß nicht nur im Zeitpunkt des Erwerbs der Beweggrund für den Erwerb sein; der Erwerber muß, will er die Vergünstigung nicht verlieren (§ 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GrEStG), diesen Vergünstigungszweck auch selbst fristgemäß erfüllen. Sollen sogenannte "Zwischenerwerbe" ebenfalls begünstigt werden, so muß es dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, eine entsprechende nach Art und Person abgegrenzte gesetzliche Regelung zu treffen (vgl. BFH-Urteil II R 26/67). Finanzverwaltung und Gerichten jedenfalls ist es - auch angesichts dessen, daß gerade Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschriften auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus nicht schon um ihres Ausnahmecharakters willen eng auszulegen sind (BFH-Urteil II 109/65, auch zur Frage von Zwischenerwerben) - verwehrt (Art. 20 Abs. 3 GG), einen genau umrissenen Befreiungstatbestand von sich aus auszuweiten (BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 119/65, BFHE 99, 402, BStBl II 1970, 670). Der Vergleich innerhalb der Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a bis d GrEStG zeigt, daß das Grunderwerbsteuergesetz 1940 (wie auch die späteren Landesgesetze zum sozialen Wohnungsbau) genau abgegrenzte Tatbestände - auch solche zwischenerwerbsähnlichen Charakters - geschaffen hat, so daß es nicht zulässig erscheint, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG auch zu einem Zwischenerwerbstatbestand nur deshalb auszuweiten, weil der Zwischenerwerber ebenfalls ein gemeinnütziges (Siedlungs-) Unternehmen ist. Angesichts des objektiven Normcharakters muß es auch unerheblich bleiben, ob die Klägerin bei der Weiterveräußerung einen Gewinn erzielt hat oder nicht.
Aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des BFH vom 10. Oktober 1962 II 5/61 U (BFHE 76, 41, BStBl III 1963, 16) ergibt sich nichts anderes; im Gegenteil ist daraus zu entnehmen, daß auch dort der Erwerb der weiterveräußerten Parzelle nachträglich versteuert worden ist. Zwar ist nach der Begründung zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (RStBl 1940, 387, 395 linke Spalte) bei Weiterveräußerung an einen anderen gemeinnützigen Bauträger der zweite Erwerb von der Besteuerung ausgenommen, ohne daß die Befreiung des ersten Erwerbs hinfällig werden soll. Diese Auffassung deckt sich aber nicht mit dem oben dargestellten Wortsinn und objektiven Zweck des Gesetzes; für die heutige Anwendung ist der mit einer Vorschrift (damals vielleicht) verfolgte Zweck nur insoweit maßgebend, als er im Gesetzeswortlaut seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1968 II 33/63, BFHE 91, 511, 513). Zwar würde die von der Klägerin erstrebte Ausweitung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG keine "uferlose", sondern eine auf den Kreis gemeinnütziger Bauträger beschränkte sein; aber auch insoweit müßte eine Kette zahlenmäßig nicht begrenzter Erwerbsvorgänge begünstigt werden, wenn nur der letzte Bauträger die Kleinwohnungen errichtet.
Da die Klägerin somit durch die Weiterveräußerung der Grundstücke vor Ablauf von fünf Jahren ohne eigene Errichtung steuerbegünstigter Kleinwohnungen die Vergünstigung verloren hat (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG), kommt es auf die weiteren Fragen, insbesondere darauf, ob die zweiterwerbende GmbH als gemeinnütziges Siedlungsunternehmen wie ein gemeinnütziger Bauträger zu behandeln wäre, nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 70522 |
BStBl II 1973, 691 |
BFHE 1973, 384 |